Unbekannter Künstler, Das Feuer am Dienstag, dem 4. September 1666https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/07/Great_Fire_of_London.jpg |
„I
up to the top of Barking steeple, and there saw the saddest sight of desolation
that I ever saw. Everywhere great fires. Oyle-cellars and brimstone, and other
things burning. I became afeared to stay there long; and therefore down again
as fast as I could, the fire being spread as far as I could see it, […].”
So
beschrieb der Augenzeuge Samuel Pepys am 5. September 1666 den Brand Londons. Pepys
(1633-1703) war Präsident der Royal Society, Abgeordneter des House of Commons
sowie akribischer Tagebuchschreiber und Chronist seiner Zeit. Sein Tagebuch,
welches er insgesamt von 1660 bis 1669 führte, thematisiert zwar hauptsächlich
die Herrschaft Karls II. (1630-1685), ist dabei aber gleichzeitig eine der
wichtigsten zeitgenössischen Quellen für das „Great Fire of London“. In unserem
Artikel soll es aber nicht so sehr um Samuel Pepys gehen, sondern vielmehr um
die Ursachen und die Folgen des Brandes, der während der fünf Tage, in denen er
wütete, einen Großteil der Stadt an der Themse zerstörte.
Wie
man heute mit großer Sicherheit weiß, nahm das Feuer seinen Ursprung in der
Backstube des königlichen Bäckers Thomas Farynor (häufig auch Farriner) in den
Morgenstunden des 2. Septembers, einem Sonntag, 1666. Vermutlich löste ein am
Abend übersehener Rest Glut das Feuer aus, welches sich nun von der Pudding
Lane, einer Straße in der Nähe des Themseufers, wo sich Farynors Backstube
befand, rasend schnell ausbreitete. Farynor und seiner Familie gelang noch
rechtzeitig die Flucht, indem sie aus einem der Fenster des Hauses kletterten.
Ihr Hausmädchen jedoch wurde das erste Opfer der Flammen.
Begünstigt
wurde die rasche Ausbreitung des Feuers dabei von mehreren Faktoren: Zum einen
war der Spätsommer des Jahres 1666 ein überdurchschnittlich heißer und für
Londoner Verhältnisse extrem trockener gewesen. Darüber hinaus kam der Wind zum
Zeitpunkt der Entstehung des Brandes aus Osten, wodurch die Flammen in Richtung
weiterer Stadtteile getrieben wurden. Neben den für ein Feuer günstigen
klimatischen Bedingungen, begünstigte auch die Architektur des damals noch
weitgehend mittelalterlich geprägten Stadtbilds die Ausbreitung. Es existierte
eine Vielzahl von sehr engen Gassen, deren Bild vor allem dadurch geprägt
wurde, dass höhere Stockwerke überhängend über untere Stockwerke gebaut worden
waren, wodurch sich die Straßen nach oben hin immer mehr verengten und sich
teilweise sogar berührten. Das Feuer konnte so leicht von einer Straßenseite
auf die gegenüberliegende übergreifen. Zu berücksichtigen ist dabei zudem, dass
die Häuser vornehmlich aus Holz gebaut und mit Pech verklebt worden waren;
beides sehr leicht entflammbare Materialien. Der dritte Faktor, der zur enormen
Zerstörung der Stadt durch das Feuer beitrug, war schlicht menschliches
Versagen. Lange Zeit unterschätzten die Verantwortlichen die Gefahr, die von
dem Feuer ausging und seine immer größer werdenden Ausmaße. Als Beispiel sei
hier nur auf Sir Thomas Bloodworth (1620-1682), den Bürgermeister Londons,
verwiesen, der, als er gegen drei Uhr nachts über den sich ausbreitenden Brand
informiert wurde, die Situation völlig falsch einschätzte und direkt wieder zu
Bett ging. In der Folge zerstörte das Feuer zunächst die gesamte Pudding Lane,
bevor es bis zur London Bridge vordrang und auf die umliegenden Lagerhäuser
übergriff. Die dort gelagerten Materialen, darunter beispielsweise Alkohol,
Pech, Hanf, Flachs und Öl, ließen das Feuer weiter anwachsen.
Die
unternommen Löschversuche der Bewohner, die häufig nicht mehr als einen Eimer
zur Hand hatten, erwiesen sich gleichzeitig als nahezu wirkungslos. Auch
zerstörte das Feuer einen Teil der ebenfalls aus Holz konstruierten
Wasserleitungen, was dazu führte, dass an manchen Orten nicht einmal mehr
Wasser vorhanden war. Dadurch wurden außerdem die in der Vergangenheit
geschaffenen Vorrichtungen, die es ermöglichen sollten, an bestimmten Punkten
der Leitungen Pumpen anzuschließen, nutzlos. Zwar hatte London in seiner
Geschichte bereits mit mehreren Bränden zu kämpfen gehabt, durch das sich
ausbreitende Chaos unter den Menschen konnte jedoch kein kontrolliertes und
organisiertes Löschen stattfinden. Eine organisierte Feuerwehr gab es zu diesem
Zeitpunkt ebenfalls noch nicht. Der oben bereits zitierte Samuel Pepys, der
durch seine Position über gute Verbindungen zum König verfügte, riet diesem in
der Folge am Montag sogar zur Sprengung und zum Abriss ganzer Straßenzüge, um
Schneisen zu bilden und das Feuer so aufzuhalten. Diese Vorschläge stießen
zunächst auf den Widerstand der Bewohner, die nicht gewillt waren, ihre Häuser
aufzugeben und sich von ihrem Besitz zu trennen. Auch entwickelten sich bereits
Diskussionen darüber, wer für die Kosten zum Wiederaufbau der Häuser und
Straßen einmal aufkommen sollte. An anderen Orten entschlossen sich
gleichzeitig zehntausende Menschen zur Flucht aus der brennenden Stadt oder in
andere, weniger bedrohte Stadtteile. Die Folge waren verstopfte Straßen voller
Menschen und Wagen, wodurch Löschversuche wiederum erschwert wurden. Im Verlauf
von drei Tagen hatte sich das Feuer mittlerweile bis zur St. Paul’s Cathedral
ausgeweitet, die am Dienstag, den 4. September 1666, in Flammen aufging. Am
Abend des nächsten Tages beruhigte sich die Situation schließlich
glücklicherweise, wozu vor allem der abnehmende Wind beitrug. Aber auch die von
Pepys geplanten und letztlich auf Befehl des Königs durchgeführten Sprengungen
hatten zur Eindämmung des Feuers geführt.
Die
Bilanz nach fast fünf Tagen Brand war jedoch verheerend und das Feuer hatte
enorme Schäden verursacht: Circa 13.000 Häuser, um die 450 Straßen und mehr als
80 Kirchen waren den Flammen zum Opfer gefallen. 100.000 Londoner waren durch
den Brand obdachlos geworden und hatten teilweise ihren gesamten Besitz
verloren. Verschiedenen Schätzungen zufolge hatte der Brand darüber hinaus
zwischen sechs und zwölf Einwohnern das Leben gekostet. Der materielle Schaden
belief sich zur damaligen Zeit wohl auf etwas mehr als zehn Millionen Pfund.
Noch zwei Tage nach dem Brand hielt der Architekt und Tagebuchschreiber John
Evelyn (1620-1706) fest: „Heute morgen
ging ich zu Fuß von Whitehall bis zur London Bridge, durch die ehemalige Fleet
Street, an St. Pauls vorüber, Cheapside, Börse, Bishopsgate hinaus nach
Morefilds und weiter. Mein Weg war außerordentlich schwierig, ich musste Berge
noch rauchenden Brandschutts überwinden und war mir oftmals nicht im Klaren, wo
ich mich befand. Der Boden unter meinen Füßen war so heiß, dass er mir nicht nur
den Schweiß aus dem Körper trieb, sondern sogar meine Schuhsohlen verbrannte.“
Unmittelbar
nach dem Brand begann die Suche nach einem Schuldigen für die verheerendste
Katastrophe in der Geschichte der englischen Hauptstadt. In dessen Verlauf
wurde sogar ein französischer Uhrmacher, der zum Zeitpunkt des Beginn des
Brandes gar nicht in London gewesen war, unschuldig zum Tode verurteilt und
Ende September gehängt, nachdem er unter der Anwendung der Folter gestanden
hatte, im Auftrag des Papstes gehandelt zu haben. Überhaupt wurden größtenteils Katholiken,
darunter Mitglieder der Ordensgemeinschaft Gesellschaft Jesu, verdächtigt, den
Brand gelegt zu haben. Diese Anschuldigen wurden meistens von Gegnern Karls
vorgebracht, die ihm seine Nähe zum Katholizismus vorwarfen. Eine weitere
weitverbreitete Auslegung des Brandes war die der Strafe Gottes für die
sündhaften Bewohner der Stadt.
Nach
dem Abschluss der Aufräumarbeiten begannen gleichzeitig Bestrebungen, die
zerstörten Straßen und Häuser wiederaufzubauen. Architekten wurden vom König
dazu aufgefordert, ihre Pläne für ein neues Stadtbild einzureichen, welches
durch seine Bauweise zukünftige Brände des gerade erlebten Ausmaßes verhindern
sollte. Voraussetzung dafür war eine Anordnung Karls, dass Häuser in Zukunft
nicht mehr aus Holz, sondern nur noch aus Stein und Ziegeln gebaut werden
durften. Auch überhängende Etagen wurden durch den First Rebuilding Act vom Februar 1667 verboten. In Erinnerung an
den Brand wurde zudem das 61 Meter hohe Monument
to the Great Fire of London in der Fleet Street errichtet, welches noch
heute besichtigt werden kann und genau 61 Meter vom Ausbruchsort des Feuers,
der einstigen königlichen Bäckerei Thomas Farynors in der Pudding Lane,
entfernt zu finden ist. Der Grundstein für das Londoner Stadtbild, so wie wir
es heute kennen, wurde also 1666 gelegt und entwickelte sich von da an vor dem
Hintergrund der schrecklichen Erlebnisse des Spätsommers stets weiter.
Monument to the Great Fire of London
heute
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/7/7f/The_Monument_to_the_Great_Fire_of_London.jpg
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Zum Weiterlesen:
John Evelyn: The Diary of John Evelyn in Six Volumes, Bd.
3, hrsg. und bearbt. von Esmond Samuel De Beer, London 1955.
Samuel
Pepys: Die Tagebücher 1660-1669, aus dem Englischen von Georg Deggerich u. a.,
nach der Latham & Matthews-Edition eingerichtet, mit Anmerkungen und
Karten, Frankfurt am Main 2011.
Ackroyd,
Peter: London – Die Biographie, übersetzt v. Holger Fliessbach, dt.
Erstausgabe, München 2006.
Frank,
Michael: Der rote Hahn. Wahrnehmung und Verarbeitung von Feuerbrünsten in der
Frühen Neuzeit, in: Paul Münch (Hg.): Erfahrung als Kategorie der Frühneuzeitgeschichte,
(Historische Zeitschrift, Beihefte; 31), München 2001, S. 229-248.
Münch,
Paul: Pest und Feuer. Die Londoner Doppelkatastrophe 1665/66 in: Historische
Zeitschrift 288 (2009), S. 93-122.
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