Sonntag, 25. Oktober 2015

Der Brand Londons 1666


Unbekannter Künstler, Das Feuer am Dienstag, dem 4. September 1666https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/07/Great_Fire_of_London.jpg

„I up to the top of Barking steeple, and there saw the saddest sight of desolation that I ever saw. Everywhere great fires. Oyle-cellars and brimstone, and other things burning. I became afeared to stay there long; and therefore down again as fast as I could, the fire being spread as far as I could see it, […].”

So beschrieb der Augenzeuge Samuel Pepys am 5. September 1666 den Brand Londons. Pepys (1633-1703) war Präsident der Royal Society, Abgeordneter des House of Commons sowie akribischer Tagebuchschreiber und Chronist seiner Zeit. Sein Tagebuch, welches er insgesamt von 1660 bis 1669 führte, thematisiert zwar hauptsächlich die Herrschaft Karls II. (1630-1685), ist dabei aber gleichzeitig eine der wichtigsten zeitgenössischen Quellen für das „Great Fire of London“. In unserem Artikel soll es aber nicht so sehr um Samuel Pepys gehen, sondern vielmehr um die Ursachen und die Folgen des Brandes, der während der fünf Tage, in denen er wütete, einen Großteil der Stadt an der Themse zerstörte.

Wie man heute mit großer Sicherheit weiß, nahm das Feuer seinen Ursprung in der Backstube des königlichen Bäckers Thomas Farynor (häufig auch Farriner) in den Morgenstunden des 2. Septembers, einem Sonntag, 1666. Vermutlich löste ein am Abend übersehener Rest Glut das Feuer aus, welches sich nun von der Pudding Lane, einer Straße in der Nähe des Themseufers, wo sich Farynors Backstube befand, rasend schnell ausbreitete. Farynor und seiner Familie gelang noch rechtzeitig die Flucht, indem sie aus einem der Fenster des Hauses kletterten. Ihr Hausmädchen jedoch wurde das erste Opfer der Flammen. 

Begünstigt wurde die rasche Ausbreitung des Feuers dabei von mehreren Faktoren: Zum einen war der Spätsommer des Jahres 1666 ein überdurchschnittlich heißer und für Londoner Verhältnisse extrem trockener gewesen. Darüber hinaus kam der Wind zum Zeitpunkt der Entstehung des Brandes aus Osten, wodurch die Flammen in Richtung weiterer Stadtteile getrieben wurden. Neben den für ein Feuer günstigen klimatischen Bedingungen, begünstigte auch die Architektur des damals noch weitgehend mittelalterlich geprägten Stadtbilds die Ausbreitung. Es existierte eine Vielzahl von sehr engen Gassen, deren Bild vor allem dadurch geprägt wurde, dass höhere Stockwerke überhängend über untere Stockwerke gebaut worden waren, wodurch sich die Straßen nach oben hin immer mehr verengten und sich teilweise sogar berührten. Das Feuer konnte so leicht von einer Straßenseite auf die gegenüberliegende übergreifen. Zu berücksichtigen ist dabei zudem, dass die Häuser vornehmlich aus Holz gebaut und mit Pech verklebt worden waren; beides sehr leicht entflammbare Materialien. Der dritte Faktor, der zur enormen Zerstörung der Stadt durch das Feuer beitrug, war schlicht menschliches Versagen. Lange Zeit unterschätzten die Verantwortlichen die Gefahr, die von dem Feuer ausging und seine immer größer werdenden Ausmaße. Als Beispiel sei hier nur auf Sir Thomas Bloodworth (1620-1682), den Bürgermeister Londons, verwiesen, der, als er gegen drei Uhr nachts über den sich ausbreitenden Brand informiert wurde, die Situation völlig falsch einschätzte und direkt wieder zu Bett ging. In der Folge zerstörte das Feuer zunächst die gesamte Pudding Lane, bevor es bis zur London Bridge vordrang und auf die umliegenden Lagerhäuser übergriff. Die dort gelagerten Materialen, darunter beispielsweise Alkohol, Pech, Hanf, Flachs und Öl, ließen das Feuer weiter anwachsen.

Die unternommen Löschversuche der Bewohner, die häufig nicht mehr als einen Eimer zur Hand hatten, erwiesen sich gleichzeitig als nahezu wirkungslos. Auch zerstörte das Feuer einen Teil der ebenfalls aus Holz konstruierten Wasserleitungen, was dazu führte, dass an manchen Orten nicht einmal mehr Wasser vorhanden war. Dadurch wurden außerdem die in der Vergangenheit geschaffenen Vorrichtungen, die es ermöglichen sollten, an bestimmten Punkten der Leitungen Pumpen anzuschließen, nutzlos. Zwar hatte London in seiner Geschichte bereits mit mehreren Bränden zu kämpfen gehabt, durch das sich ausbreitende Chaos unter den Menschen konnte jedoch kein kontrolliertes und organisiertes Löschen stattfinden. Eine organisierte Feuerwehr gab es zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch nicht. Der oben bereits zitierte Samuel Pepys, der durch seine Position über gute Verbindungen zum König verfügte, riet diesem in der Folge am Montag sogar zur Sprengung und zum Abriss ganzer Straßenzüge, um Schneisen zu bilden und das Feuer so aufzuhalten. Diese Vorschläge stießen zunächst auf den Widerstand der Bewohner, die nicht gewillt waren, ihre Häuser aufzugeben und sich von ihrem Besitz zu trennen. Auch entwickelten sich bereits Diskussionen darüber, wer für die Kosten zum Wiederaufbau der Häuser und Straßen einmal aufkommen sollte. An anderen Orten entschlossen sich gleichzeitig zehntausende Menschen zur Flucht aus der brennenden Stadt oder in andere, weniger bedrohte Stadtteile. Die Folge waren verstopfte Straßen voller Menschen und Wagen, wodurch Löschversuche wiederum erschwert wurden. Im Verlauf von drei Tagen hatte sich das Feuer mittlerweile bis zur St. Paul’s Cathedral ausgeweitet, die am Dienstag, den 4. September 1666, in Flammen aufging. Am Abend des nächsten Tages beruhigte sich die Situation schließlich glücklicherweise, wozu vor allem der abnehmende Wind beitrug. Aber auch die von Pepys geplanten und letztlich auf Befehl des Königs durchgeführten Sprengungen hatten zur Eindämmung des Feuers geführt. 

Map of central London in 1666, showing landmarks related to the Great Fire of London. Der hier rot markierte Bereich wurde durch das Feuer weitgehend zerstört.
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/ae/Great_fire_of_london_map.png/800px-Great_fire_of_london_map.png
Die Bilanz nach fast fünf Tagen Brand war jedoch verheerend und das Feuer hatte enorme Schäden verursacht: Circa 13.000 Häuser, um die 450 Straßen und mehr als 80 Kirchen waren den Flammen zum Opfer gefallen. 100.000 Londoner waren durch den Brand obdachlos geworden und hatten teilweise ihren gesamten Besitz verloren. Verschiedenen Schätzungen zufolge hatte der Brand darüber hinaus zwischen sechs und zwölf Einwohnern das Leben gekostet. Der materielle Schaden belief sich zur damaligen Zeit wohl auf etwas mehr als zehn Millionen Pfund. Noch zwei Tage nach dem Brand hielt der Architekt und Tagebuchschreiber John Evelyn (1620-1706) fest: „Heute morgen ging ich zu Fuß von Whitehall bis zur London Bridge, durch die ehemalige Fleet Street, an St. Pauls vorüber, Cheapside, Börse, Bishopsgate hinaus nach Morefilds und weiter. Mein Weg war außerordentlich schwierig, ich musste Berge noch rauchenden Brandschutts überwinden und war mir oftmals nicht im Klaren, wo ich mich befand. Der Boden unter meinen Füßen war so heiß, dass er mir nicht nur den Schweiß aus dem Körper trieb, sondern sogar meine Schuhsohlen verbrannte.“

Unmittelbar nach dem Brand begann die Suche nach einem Schuldigen für die verheerendste Katastrophe in der Geschichte der englischen Hauptstadt. In dessen Verlauf wurde sogar ein französischer Uhrmacher, der zum Zeitpunkt des Beginn des Brandes gar nicht in London gewesen war, unschuldig zum Tode verurteilt und Ende September gehängt, nachdem er unter der Anwendung der Folter gestanden hatte, im Auftrag des Papstes gehandelt zu haben.  Überhaupt wurden größtenteils Katholiken, darunter Mitglieder der Ordensgemeinschaft Gesellschaft Jesu, verdächtigt, den Brand gelegt zu haben. Diese Anschuldigen wurden meistens von Gegnern Karls vorgebracht, die ihm seine Nähe zum Katholizismus vorwarfen. Eine weitere weitverbreitete Auslegung des Brandes war die der Strafe Gottes für die sündhaften Bewohner der Stadt.

Nach dem Abschluss der Aufräumarbeiten begannen gleichzeitig Bestrebungen, die zerstörten Straßen und Häuser wiederaufzubauen. Architekten wurden vom König dazu aufgefordert, ihre Pläne für ein neues Stadtbild einzureichen, welches durch seine Bauweise zukünftige Brände des gerade erlebten Ausmaßes verhindern sollte. Voraussetzung dafür war eine Anordnung Karls, dass Häuser in Zukunft nicht mehr aus Holz, sondern nur noch aus Stein und Ziegeln gebaut werden durften. Auch überhängende Etagen wurden durch den First Rebuilding Act vom Februar 1667 verboten. In Erinnerung an den Brand wurde zudem das 61 Meter hohe Monument to the Great Fire of London in der Fleet Street errichtet, welches noch heute besichtigt werden kann und genau 61 Meter vom Ausbruchsort des Feuers, der einstigen königlichen Bäckerei Thomas Farynors in der Pudding Lane, entfernt zu finden ist. Der Grundstein für das Londoner Stadtbild, so wie wir es heute kennen, wurde also 1666 gelegt und entwickelte sich von da an vor dem Hintergrund der schrecklichen Erlebnisse des Spätsommers stets weiter.

Monument to the Great Fire of London heute
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/7/7f/The_Monument_to_the_Great_Fire_of_London.jpg

Zum Weiterlesen:
John Evelyn: The Diary of John Evelyn in Six Volumes, Bd. 3, hrsg. und bearbt. von Esmond Samuel De Beer, London 1955.
Samuel Pepys: Die Tagebücher 1660-1669, aus dem Englischen von Georg Deggerich u. a., nach der Latham & Matthews-Edition eingerichtet, mit Anmerkungen und Karten, Frankfurt am Main 2011.
Ackroyd, Peter: London – Die Biographie, übersetzt v. Holger Fliessbach, dt. Erstausgabe, München 2006.
Frank, Michael: Der rote Hahn. Wahrnehmung und Verarbeitung von Feuerbrünsten in der Frühen Neuzeit, in: Paul Münch (Hg.): Erfahrung als Kategorie der Frühneuzeitgeschichte, (Historische Zeitschrift, Beihefte; 31), München 2001, S. 229-248.
Münch, Paul: Pest und Feuer. Die Londoner Doppelkatastrophe 1665/66 in: Historische Zeitschrift 288 (2009), S. 93-122.

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