Sonntag, 28. Dezember 2014

Odorich von Pordenone

Der Reisebericht eines Geistlichen über Indien und China

„Seine Vornehmheit besteht darin, lange Fingernägel zu besitzen. Manche Leute lassen ihre Daumennägel so lange wachsen, dass sie damit ihre Hände umschließen können. Die Schönheit der Frauen aber besteht darin, kleine Füße zu haben; daher haben die Mütter die Gewohnheit, ihren Töchtern nach der Geburt die Füße einzubinden, die sie ihnen dann nicht mehr wachsen lassen.“ (nach: Die Reise des seligen Odorich von Pordenone nach Indien und China (1314/18-1330). Übersetzt, eingeleitet und erläutert v. Folker Reichert, Heidelberg  1987, Kap. XXXIV, 2.)

Dieser exemplarische Ausschnitt aus dem Reisebericht von Odorich von Pordenone beschreibt einen Teil seiner Erfahrungen auf seiner Reise nach Indien und China. Reiseberichte sind eine überaus wichtige Quellengattung, die es möglich macht, auch die Weltsicht eines Reisenden zu betrachten und entschlüsseln. Wie verhalten sich fremde Völker? Wie sehen die Landschaften unbekannter Länder aus? Inwiefern unterscheidet sich die fremde Kultur von der eigenen? Diese und viele weitere Fragen lassen sich anhand von Reiseberichten beantworten. Doch wie jede andere Quellengattung auch müssen die Reiseberichte mit Vorsicht betrachtet werden. Dieser Artikel setzt sich mit den Problemen und den Chancen auseinander, die die Interpretation von Reiseberichten mit sich bringt. Exemplarisch für die Entstehung eines Berichts, die Reise und ihre Beschwerlichkeiten, die Beobachtungen und Abenteuer sowie die Reisenden selbst, steht hier der Reisebericht von Odorich von Pordenone.

Dienstag, 23. Dezember 2014

Marc Morris - "The Norman Conquest"


Marc Morris, englischer Historiker und Rundfunkmitarbeiter, versteht es, seine Leser auf 353 Seiten für die normannische Eroberung zu begeistern. In seiner 2013 erschienenen Monographie The Norman Conquest beschreibt er in einem flüssig zu lesenden Englisch die Ereignisse zur Vorgeschichte der normannischen Eroberung bis hin zu Wilhelms Tod.

Sonntag, 14. Dezember 2014

Zwischen Magie und Heilkunde – Mittelalterliche Zauber- und Segenssprüche

Contra vermes.
Gang ût, nesso, mid nigun nessiklînon,
ût fana themo marge an that ben, fan themo bene an that flesg,
ût fan themo flesge an thia hud, ût fan thera hud an thesa strala.
drohtin, uuerthe so!

Übersetzung

Während dieser Spruch sowohl sprachlich, als auch inhaltlich für uns heute sehr fremd und befremdlich erscheint, war dieser für die Menschen im Mittelalter alltäglich und unglaublich nützlich. Es handelt sich hierbei nämlich um einen altsächsischen Zauberspruch des 9. Jahrhunderts, der einen an Schwindsucht leidenden Menschen heilen sollte. Der Erreger dieser Krankheit, so glaubte man, sei ein Wurm („nesso“), den es mithilfe des Zauberspruches auszutreiben galt.
Neben diesem Zauberspruch sind noch zahlreiche weitere Zaubersprüche des frühen und hohen Mittelalters überliefert, die zur Heilung von Krankheiten führen sollten. In diesem Artikel soll es vor allem darum gehen, aufzuzeigen, wo diese Zaubersprüche ihren Ursprung hatten, welches Verständnis von Krankheit und Heilung mit dem Verwenden eines Zauberspruchs verbunden war und wer mit den Zaubersprüchen heilte.

Sonntag, 7. Dezember 2014

Das Erdbeben von Lissabon

Wissenschaftliche Fortschritte in nahezu allen Bereichen hatten das 17. und die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts geprägt. Isaac Newton (1643-1727) hatte seine Gravitationslehre vorgelegt, wissenschaftliche und religiöse Weltbilder näherten sich an und harmonierten beinahe miteinander, die Ideale der Aufklärung stießen vermehrt auf Resonanz und breiteten sich zusehends über den europäischen Kontinent aus und der Beherrschung der Natur durch den Menschen schien keine Grenzen mehr gesetzt. Vermutlich empfanden viele Zeitgenossen tatsächlich ein Gefühl der relativen Sicherheit, wenn nicht gar der Überlegenheit gegenüber der Natur. Dieser Optimismus sollte dann jedoch 1755 im wahrsten Sinne des Wortes erschüttert werden und wie zahlreiche Publikationen bereits in ihren Titeln aussagen, auch die Erschütterung der gesamten geistigen, wissenschaftlichen und kulturellen Welt nach sich ziehen. Die Rede ist vom Erdbeben von Lissabon, um das es im heutigen Artikel gehen soll.