Im Jahr 1493 veröffentlicht der Humanist und Historiker Hartmann Schedel (1440–1514) seine Weltchronik. Von der Erschaffung der Welt bis in seine eigene Gegenwart gliedert Schedel die Weltgeschichte in insgesamt sieben Weltalter – samt Ausblick auf das Jüngste Gericht. Dabei geht es ihm nicht allein um die Wiedergabe historischer Ereignisse, auch Wunderberichte und Sensationsmeldungen finden Platz in seinem monumentalen Werk.
Auf eine der seltsamsten Stellen des Werkes trifft der Leser direkt nach dem Bericht über die Sintflut: Rechts und links vom Text finden sich Holzschnitte, auf denen 14 Vertreter ganz absonderlich aussehender Völker abgebildet sind, die in den entlegenen Regionen „india“ und „ethiopia“ leben sollen (Abb. 1, Blatt XIIr). Glaubt man den Holzschnitten, dann geht es skurril zu dort am Rande der Welt: Manche Bewohner haben so große Ohren, dass sie damit ihren ganzen Körper bedecken können. Andere Wesen tragen auf ihrem Menschenkörper einen Hundekopf und können deshalb nur bellen. Auch Wesen mit Kranichhälsen und Schnäbeln sollen das Ende der Welt bevölkern. Hartmann Schedel hat sich diese wundersamen Wesen nicht selbst ausgedacht, sondern zusammengetragen, was er bei anderen Autoren über ihre Existenz gelesen hat. Schedel ist Glied in einer langen Kette literarischer Berichte über die Bewohner entlegener Erdregionen. Doch wo liegen die Wurzeln der Vorstellung, die Ränder der Welt seien von monstra, also deformierten Wesen, bewohnt?
Wundervölker im Liber chronicarum von Hartmann Schedel, fol. 12r (© BSB München, INK S-195) http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00034024/image_94 |