Das oben
dargestellte Gemälde von Niels Simonsen (1837) zeigt eine für den spätmittelalterlichen
Mittelmeerraum typische Szenerie. Zu sehen ist ein auf dem Mittelmeer fahrendes
Korsarenschiff aus Nordafrika mit Besatzung. Das Schiff besitzt Kanonen, die
Besatzung ist bewaffnet und sichtet im abgebildeten Moment ein anderes Schiff,
das überfallen und gekapert werden soll. In einem solchen Fall lauerten die
Korsaren, also Seeräuber, die mit einem eigenen, vom Staat unabhängigen, Schiff
Handelsschiffe kaperten, besonders reichen Christen auf, die in Geiselhaft
genommen und später verkauft werden konnten, oder auch armen Christen, die auf
dem Sklavenmarkt ihren Besitzern gutes Geld einbrachten.
Die
Sklaverei im Mittelmeerraum besaß einen höheren Stellenwert als im übrigen
Europa, weil besonders auf dem Seeweg reiche Beute gemacht und die Besatzung
gekaperter Schiffe gefangengenommen werden konnte. Erfahrene Schiffsbesatzungen
hatten gegenüber den Handelsschiffen meistens ein leichtes Spiel, denn nicht
jeder Schiffskapitän konnte sich Schutz erkaufen. Die beim Kapern gefangengenommenen
Menschen wurden sehr oft zu Sklaven gemacht. Diese Sklaven hatten kaum Rechte, genauso
wie diejenigen, die durch Kriegszüge, Überfälle und andere Missstände aus ihrer
Heimat und ihrem gewohnten Umfeld herausgerissen und anschließend gewöhnlich
als Haus- oder Feldsklaven sowie Soldaten eingesetzt wurden – sie wurden von Sklavenhändlern
und -haltern als wirtschaftliches Gut be- und gehandelt. Die vier
zentralen Aspekte der Sklaverei waren die Sklavenbefreiung, der Sklavenhandel,
die Sklavenhaltung sowie die soziale und geographische Herkunft der Sklaven.
Diese zweiteilige Reihe betrachtet den Aspekt der Sklavenbefreiung und zeigt die
möglichen Wege in die Freiheit sowie die damit verbundenen Chancen, aber auch
Risiken auf, denen sich sowohl der Sklavenhalter als auch besonders die Sklaven
stellen musste.
Auch
wenn ein Sklave mehrere Möglichkeiten hatte,
seine Freiheit wieder zu erlangen, entschied doch in der Mehrzahl aller Fälle
der Sklavenhalter, ob und wie der Sklave oder die Sklavin zurück in die
Freiheit entlassen werden sollte. Die Freilassung (manumissio) konnte durch einen Loskauf auf Basis einer
Ratenzahlung, durch Aushandlung verschiedenener Bedingungen, wie beispielsweise
einem zeitlich begrenzten Verbleib des Sklaven im Dienste seines Herren, oder
ohne irgendwelche Bedingungen vollzogen werden. Dieser Weg in die Freiheit
wurde meistens nur Sklaven mit einem, aus der Sicht des Sklavenhalters,
geringen ökonomischen Vorteil, also Sklaven die beispielsweise zu jung oder alt
waren, ermöglicht. Dazu wurde ein schriftliches Dokument wie ein Testament, ein
Zeugnis oder ein Freilassungsbrief aufgesetzt, in dem die Rahmenbedingungen
festgehalten wurden.
Beispielhaft
dafür steht der folgende Inhalt einer Originalurkunde, die leider nur im
Lateinischen verfügbar ist. Inhaltlich hält die Urkunde die geplante
Freilassung des Sklaven Sayt Sanagi, einen Sarazenen, von seinem Sklavenhalter
Arnaldus Iarmani, einem Meister der Medizin, fest. Diese erfolgte durch Loskauf
basierend auf einer Ratenzahlung (Tallia).
Arnaldus Iarmani verpflichtet sich in
dieser Urkunde, seinen Sklaven Sayt Sanagi gegen eine Zahlung von 80 Pfund
in monatlichen Raten von je 20 Schillingen freizulassen. Sayt Sanagi werde
solange im Dienst seines Herrn und damit im Sklavenstatus verbleiben, bis er
die vollständige Summe bezahlt habe. Arnaldus lässt in dieser Urkunde für diese
Zeit schriftlich diverse Verhaltensregeln festlegen, die sein Sklave nicht
brechen dürfe: Sayt dürfe das Meer nicht überqueren, die Stadt und deren
Grenzen nicht verlassen, sich nicht betrinken, stehlen, der Kuppelei nachgehen,
Glücksspiele spielen, Streitereien und blutige Schlägereien eingehen oder sogar
beginnen sowie die Nacht in einem Krankenhaus verbringen. Wenn er auch nur
gegen eine dieser Bedingungen verstoße, werde er ein Sklave bleiben. Halte Sayt
aber die aufgestellten Regeln ein, verspricht Arnaldus dessen Freilassung und
seine Unterstützung für Sayts Vorhaben.
Beide
Parteien mussten also, wie in einem Klientelsystem, gewisse Bedingungen
erfüllen: Der Sklavenhalter stellte mit dem Loskauf durch Ratenzahlung und den
Verhaltensregeln Prämissen auf, die der Sklave einzuhalten hatte, um
schließlich die Freiheit zu erlangen. Zudem verpflichtete er sich selbst, dass
bei Einhaltung der Prämissen eine Freilassung erfolgen musste und dass er
seinem Sklaven bei seinem Weg in die Freiheit unterstützen werde. Die
Verhaltensregeln für den Sklaven zielten darauf ab, die Ehre und das Ansehen
des Sklavenhalters nicht durch Zuwiderhandlungen von ebenjenem Sklaven zu
verletzen. Gleichzeitig waren diese Verhaltensregeln aber nicht nur dem
Sklavenhalter und seiner Ehre dienlich, sondern auch dem Sklaven selbst. Durch
die unmittelbare Pflicht, sich an diese Regeln und gültigen gesellschaftlichen
Normen halten zu müssen, konnte eine
gesellschaftliche Wiedereingliederung einsetzen und eine mögliche
Rückkehr in die Gesellschaft wurde dem Sklaven damit erleichtert. Inwiefern der
Gedanke einer unterstützten Wiedereingliederung wirklich eine Rolle spielte,
kann nur schwer beurteilt werden. Da aber Sklavenhalter und Sklave häufig eine
gute Beziehung pflegten – denn ein gutes Verhältnis ermöglichte eine
leistungsgarantierte Arbeitsatmosphäre –, ist eine Hilfestellung zur
Reintegration in die Gesellschaft seitens des Sklavenhalters nicht
unwahrscheinlich. Für den Fall, dass der Sklave die vom Sklavenhalter
formulierten Bedingungen breche, würde das Abkommen zwischen den beiden
Parteien aufgelöst und der Sklave Sayt Sanagi seinen Sklavenstatus beibehalten.
Im
Fortlauf der Urkunde benennt der Sklave Sayt Sanagi noch Personen, die fideiussores, von denen jeder Beliebige im
Fall einer Flucht Sayts für ebenjenen einstehen musste: ein nicht benannter
Freigelassener, ehemaliger Sklave unter dem ehrwürdigen Pere sa Costa, Johannes
Spanyol, Sklave des Händlers Berenguer de Camp, Bernard Ardit, Sklave unter
Franziskus Bofill sowie Michael sa Font, Sklave unter dem Händler Pere sa Font.
Die Sklavenhalter waren alle Bürger der Stadt Barcelona. Bei jedem der vier
genannten fideiussores handelte es
sich um einen ehemaligen Sklaven, nun Freigelassenen. Alle Freigelassenen waren
darüber hinaus wie Sayt auch Sarazenen; im Gegensatz zu diesem waren sie aber
bekehrte Christen. Zusätzlich musste Sayt – was bereits vorher im Vertrag
festgehalten worden war – einen oder mehrere neue fideiussores benennen, falls einer der genannten sterben oder die
Stadt Barcelona verlassen sollte.
Es stellt
sich noch die Frage, warum ein Sklavenhalter seinen Sklaven überhaupt freilassen
sollte? Zum einen wurde immer wieder das Motiv der Frömmigkeit in solchen
Urkunden aufgeführt. Islamische Sklavenhalter hielten sich häufig an den Koran,
der die Befreiung des Sklaven als Akt der Frömmigkeit betitelt. Ebenfalls
wichtig waren die affektiven Bindungen, die zwischen Sklavenhalter und Sklaven
mit der Zeit entstehen konnten. Dies zeigt auch das oben genannte Beispiel des
Sklaven Sayt Sanagi, der ein gutes Verhältnis zu seinem Sklavenhalter pflegte.
Vor allem Haussklaven, die jahrelang für ihren Sklavenhalter gearbeitet hatten,
wurden aus Dankbarkeit und aufgrund der entstandenen Bindung in die Freiheit
entlassen. Haussklaven mussten zum Teil nicht unter unwürdigen Bedingungen
arbeiten und konnten sogar in die Familie des Sklavenhalters integriert werden.
Sklavinnen wurden immer wieder von ihren zukünftigen Männern freigekauft, vor
dem Hintergrund einer nahenden Hochzeit aber auch vom Sklavenhalter
freigelassen. Der Sklavenhalter selbst betrachtete die Freilassung eines
Sklaven, unter welchen Bedingungen auch immer, stets als guten Dienst und
führte häufig humanitäre Gründe, wie Barmherzigkeit, in den Urkunden an.
Da
Sklaven als ökonomisches Gut betrachtet wurden, war ein Loskauf, wie er bei
Sayt Sanagi dokumentiert ist, häufig an eine beträchtliche Summe geknüpft, die
nur die wenigsten Einzelpersonen oder Familien aufbringen konnten. Selbst eine
Ratenzahlung war häufig nicht möglich. Die Preise zum Loskauf waren meistens
höher als der damalige Sklavenmarktpreis, da der Loskauf ein lohnendes Geschäft
für den Sklavenhalter darstellen sollte. Die Problematik für einen Sklaven bei
einem solchen Loskaufvertrag bestand vor allem in der Beschaffung des Geldes.
Er konnte selbst versuchen, Geld zu verdienen und sich loszukaufen, indem sein Herr
ihm die Zustimmung gab, außerhalb des Hauses arbeiten zu gehen. Außerdem konnte
er mit Hilfe einer Bettellizenz, der sogenannten licencia por acaptar, die beispielsweise von der Krone Aragons für
einen begrenzten Zeitraum ausgestellt wurde, auf der Straße betteln. Weiterhin
bestanden Freilassungsverträge, in denen festgelegt wurde, dass der Sklave
beispielsweise 15 Tage im Monat für den Sklavenhalter arbeitete und dafür
einen Lohn bekam, mit dessen Hilfe er sich schließlich freikaufen konnte. Dies stellte
allerdings eine langwierige Angelegenheit dar, die großen Willen, viel Ausdauer
und Leistungsbereitschaft voraussetzte. Selten wurde das für den Loskauf
benötigte Geld auch von Familienmitgliedern oder Freunden und Bekannten
aufgebracht.
Der
Freikauf versklavter Muslime wurde von Mittelsmännern, die von Herrschern,
Verwandten und Freunden beauftragt worden waren, organisiert und durchgeführt.
Auch Wohltätigkeitseinrichtungen sammelten Geld für den Loskauf von Sklaven und
Gefangenen. Die in Barcelona, Valencia, Sizilien und Lissabon ansässige
Bruderschaft Casa dels Negres sorgte
mit Hilfe von Kollektensammlungen, Spenden und direkten Verhandlungen für den
Freikauf von afrikanischen Sklaven. Darüber hinaus bestand zwischen den
Muslimen untereinander eine starke Solidarität, die in der Aufzählung der fideiussorum innerhalb der Urkunde wiederzufinden ist, die sich aber auch
häufig in gegenseitiger finanzieller Unterstützung widerspiegelt.
Der
zweite Teil dieser Reihe wird weitere Wege in die Freiheit behandeln und dabei
auch den Blick auf den Sklaven Sayt Sanagi behalten, denn dieser sollte den
hier vorgestellten Vertrag brechen.
Zum
Weiterlesen:
Christoph CLUSE, Sklaverei im Mittelalter – der Mittelmeerraum. Eine
kurze Einführung basierend auf Jacques HEERS, Esclaves et domestiques au moyen
âge dans le monde méditerranéen, Paris 1981.
<http://med-slavery.uni-trier.de/minev/MedSlavery/publications/Einfuhrung.pdf>.
Jarbel RODRIGUEZ, Financing
a captive’s ransom in late Medieval Aragon, in: Medieval Encounters. Jewish,
Christian and Muslim culture in confluence and dialogue 9 (2003), S. 164-192.
Alfred HAVERKAMP, Die Erneuerung der Sklaverei im Mittelmeerraum während
des hohen Mittelalters. Fremdheit, Herkunft und Funktion, in: Elisabeth
Herrmann-Otto (Hg.), Unfreie Arbeits- und Lebensverhältnisse von der Antike bis
in die Gegenwart. Eine Einführung, Hildesheim
u.a. 2005, S. 130-166.
Josep HERNANDO, Els Esclaus
Islamics a Barcelona: Blancs, Negres, Llors I Turcs: De l’esclavitud a la
Llibertat (S. XIV), Barcelona 2003.
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