Dass
Herrschende in der Frühen Neuzeit Mätressen hatten und diese teilweise über
immensen politischen Einfluss verfügten, war keine Seltenheit. Madame de
Pompadour, Mätresse des französischen Königs Ludwig XV., ist hierfür wohl das
bekannteste Beispiel. Dabei waren jene Frauen aber auch stets der Gefahr
ausgesetzt, den gerade gewonnenen Einfluss genauso schnell wieder zu verlieren.
In unserem heutigen Artikel beschäftigten wir uns mit Wilhelmine von Grävenitz
(1685-1744), die als Mätresse des Württembergischen Herzogs Eberhard Ludwig (1676-1733)
einen enormen gesellschaftlichen und politischen Aufstieg erlebte, bevor sie
durch einen plötzlichen Todesfall in der Familie des Herzogs ihrer Stellung und
ihres Ansehens beraubt wurde.
Geboren
wurde Christina Wilhelmine Friederike, die dem mecklenburgischen Adelsgeschlecht
derer von Grävenitz (oder Graevenitz) entstammte, am 4. Februar 1685 in
Schilde, einem kleinen Ort im heutigen Brandenburg. Ihre Kindheit verbrachte
sie in Güstrow und erst 1706 kam sie an den württembergischen Hof nach
Stuttgart. Zu diesem Zeitpunkt stand ihr Bruder Friedrich Wilhelm von Grävenitz
(1679-1754) bereits als Kammerjunker in Diensten des dort regierenden Herzogs
von Württemberg und Reichsgeneralfeldmarschalls Eberhard Ludwig. Gemeinsam mit
dem Hofmarschall Johann Friedrich von Staffhorst schmiedete dieser den Plan,
seine mittlerweile 20-jährige Schwester an den Stuttgarter Hof zu bringen, um sie
mit dem Herzog bekannt zu machen. Diesen Überlegungen lag die Hoffnung zugrunde,
mithilfe von Wilhelmine den Einfluss auf die Politik und die Regierung Eberhard
Ludwigs vergrößern zu können. Das politische Kalkül der beiden schien zunächst
aufzugehen, als Wilhelmine tatsächlich die Mätresse des neun Jahre älteren Herzogs
wurde. In der Folge entwickelte sich dann aber eine Liebesbeziehung zwischen
den beiden, die darin resultierte, dass Eberhard Ludwig und Wilhelmine im Juli
1707 heimlich heirateten. Bei der geschlossenen Ehe handelte es sich vermutlich
um eine sogenannte morganatische Ehe oder Ehe zur linken Hand, bei der aufgrund
des Standesunterschiedes zwischen Braut und Bräutigam nicht alle üblichen
Rechtsfolgen einer Ehe, insbesondere in Bezug auf Erbe und Nachkommen, eintraten.
In Folge der Eheschließung wurde Wilhelmine zur Gräfin von Urach sowie sie und
ihr Bruder in den Reichsgrafenstand erhoben. Die Vermählung des Herzogs und
seiner ehemaligen Mätresse wurde schließlich im November 1707 auch offiziell
bekannt gegeben.
Angebliche Portraitminiatur der Wilhelmine von Grävenitz, 1721. https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/30/Wilhelmine_von_Gr%C3%A4venitz.jpg |
Probleme
ergaben sich nun jedoch aus der Tatsache, dass Eberhard Ludwig bereits seit 1697
mit Johanna Elisabeth von Baden-Durlach (1680-1757) verheiratet war und diese
keiner Scheidung zugestimmt hatte. Johanna Elisabeth protestierte gegen die
zweite Eheschließung, bezichtigte ihren Ehemann der Bigamie, fand Unterstützung
bei anderen Fürstinnen des Reiches und nahm sogar Kontakt zum Kaiserhof auf.
Eine kaiserliche Kommission versuchte daraufhin, den Herzog zur Auflösung der
Doppelehe zu bewegen – eine Forderung, die er jedoch zunächst nicht erfüllte. Schließlich
gab er dem Druck aber doch nach und ein württembergisches Ehegericht erklärte die
Ehe zwischen Eberhard Ludwig und Wilhelmine am 4. August 1708 für ungültig. Wilhelmine
erhielt eine hohe Abfindung und die Versicherung, nicht weiter juristisch
belangt zu werden. Sie musste Württemberg jedoch verlassen, was unter anderem von
der Gemahlin Kaiser Josephs I., Wilhelmine Amalie von Braunschweig-Lüneburg
(1673-1742) gefordert worden war: „[...] das
mensch, die Grefenitz müse völlig weggeschafft werden […].“ Zwar versöhnte sich das Herzogspaar zunächst wieder,
im Laufe des Jahres 1710 setzte Eberhard Ludwig dann aber ein deutliches Zeichen,
als er Wilhelmine zunächst in die Schweiz folgte und sie schließlich sogar 1711
zurück an seinen Hof holte.
Dieser
Schritt war allerdings nur möglich, weil die beiden eine List anwandten. Zum Schein
wurde Wilhelmine mit dem böhmischen Grafen Johann Franz Ferdinand von Würben
und Freudental verheiratet, der bereits 70 Jahre alt war. Zum Dank erhielt
dieser eine enorme Geldsumme sowie den Titel eines württembergischen
Landhofmeisters, Geheimen Rats und Kriegsratspräsidenten. Im Gegenzug musste er
versichern, sich stets im Ausland aufzuhalten und keinen Vollzug der Ehe zu
fordern. Außerdem wurden alle schriftlichen Zeugnisse, die die Ehe belegen konnten,
vernichtet. Wilhelmine wurde durch diese zweite Ehe selbst zur
Landhofmeisterin, was eine Stärkung ihrer Position am Hof bedeutete.
Eberhard
Ludwig, um 1720.
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Auch
in den folgenden Jahren konnte sie ihren Einfluss ausbauen und ihre
Machtposition aktiv erweitern. So beeinflusste und beteiligte sie sich an den
Regierungsgeschäften des Herzogs und wurde 1717 als einzige Frau ordentliches
Mitglied des Geheimen Kabinetts- und Konferenzministeriums, welches den
Landesherrn in allen Regierungsangelegenheiten beriet. Sie sorgte weiterhin
dafür, dass wichtige Positionen mit ihren Verwandten und Günstlingen besetzt
wurden, was wiederum ihre Einflussnahme erhöhte. 1727 gelang ihr nicht nur der
Erwerb des Dorfes Freudental im heutigen Landkreis Ludwigsburg, sondern sie
regte dort auch die Erweiterung und prunkvollere Gestaltung des Schlosses
Ludwigsburg an. In Freudental selbst ließ sie ein neues Schloss für sich
errichten. Schließlich konnte sie Eberhard Ludwig sogar von der Verlegung seiner
Residenz und des Hofstaats nach Schloss Ludwigsburg überzeugen. Dieser schien
ihr regelrecht verfallen zu sein, wenn er beispielsweise schrieb „auch durch Separation derselben mir nicht
anders wehe geschieht, alß wann mir die Seele vom Leibe reiste.“ Während
Johanna Elisabeth also abgeschieden im Stuttgarter Schloss zurückblieb und
vergeblich um ihre Stellung kämpfte, nahm Wilhelmine den Platz an der Seite des
Herzogs ein und repräsentierte mit diesem gemeinsam das Herzogtum. Ein Besucher
des Württembergischen Hofes berichtete später über ihr Auftreten: „[…] [Sie] fordert aber im Gegentheil ihrer
Seits, daß alles vor Ihr zittern und sich bücken soll, weil sie auch alle Gnade
des Herzogs in Händen hat, so machet ihr jedermann die Aufwartung wie dem Herzog
selbst […].“ Sie selbst nannte sich mittlerweile selbstbewusst 'Christina Wilhelmina, Reichsgräfin
von Würben und Freudental, regierende Gräfin zu Welzheim und Gochsheim, Frau
auf Freudental und Neckar-Boyhingen, geb. Gräfin von Graevenitz'.
Von der Bevölkerung allerdings wurde sie mehr und mehr gehasst, als "Landverderberin"
bezeichnet und für ihre vermeintliche Lasterhaftigkeit kritisiert.
Schloss Ludwigsburg,
Ehrenhof mit Blick auf das Alte Corps de Logis https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Schloss_Ludwigsburg_Hof.jpg |
Noch
stand ihr Eberhard Ludwig bei allen Schwierigkeiten und trotz aller Kritik treu
zur Seite. Im Jahr 1731 jedoch starb sein einziger Sohn Friedrich Ludwig, der
der legitime Erbe des Herzogtums gewesen wäre und selbst keinen männlichen
Nachkommen aufweisen konnte. Wilhelmine und Eberhard Ludwig hatten keine leiblichen
Kinder und weder diese noch Wilhelmines Nichte Wilhelmine Charlotte, die sie
Anfang der 1720er Jahre adoptiert hatte, wären als Erben infrage gekommen.
Aufgrund dieser neuen Ausgangssituation drohte das protestantische Herzogtum
Württemberg an Eberhard Ludwigs Cousin Karl Alexander (1684-1737), der der katholischen
Nebenlinie Württemberg-Winnental entstammte, zu fallen. In dieser für den
Fortbestand der Dynastie gefährlichen Situation und aufgrund des auf ihn ausgeübten
Drucks entschied sich Eberhard Ludwig schließlich dazu, die Beziehung mit
Wilhelmine zu beenden und sich erneut mit seiner ersten Frau zu versöhnen, in
der Hoffnung mit ihr einen weiteren legitimen Nachfolger zeugen zu können.
Wilhelmine,
die sogar für kurze Zeit auf Befehl des Herzogs auf Schloss Urach in Haft
genommen worden war, weigerte sich zunächst, die neu geschaffenen Begebenheiten
zu akzeptieren. Es gelang ihr 1732 sogar einen Vergleich auszuhandeln, der ein
Jahr später vom Kaiser bestätigt wurde und Folgendes vorsah: Wilhelmine
verzichtete auf eine Klage beim Reichshofrat und stimmte der Abtretung ihrer
Güter und Ämter zu. Dafür erhielt sie ihr zuvor eingezogenes Vermögen sowie
ihre Juwelen zurück. Außerdem wurde vereinbart, dass sie Württemberg für eine
Entschädigung in Höhe von 125.000 Gulden verlassen sollte. Trotz der
getroffenen Vereinbarungen hielt sie sich allerdings zunächst noch in
Heidelberg und Mannheim auf. Hier wurde sie 1734 mitsamt ihrer Verwandten
erneut verhaftet. In der Zwischenzeit war nämlich Eberhard Ludwig an einem
Schlaganfall gestorben, ohne für den Fortbestand der Dynastie gesorgt zu haben.
Nach seinem Tod hatte folglich Karl Alexander als Elfter Herzog von Württemberg
die Regierung übernommen und dieser leitete nun die Verhaftung in die Wege.
Wilhelmine konnte Württemberg dann aber verlassen und ging nach Berlin, da der
König von Preußen Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) ihr seinen Beistand
angeboten hatte. Noch einmal konnte sie einen Vergleich aushandeln, der ihr
152.300 Gulden einbrachte, da sie versicherte, von nun an keine Forderungen
mehr an Württemberg zu stellen und auf gerichtliche Auseinandersetzungen zu
verzichten.
Am
21. Oktober 1744 verstarb Wilhelmine in Berlin – hochvermögend,
gesellschaftlich jedoch isoliert und vereinsamt. Sie wurde in der Berliner
Nikolaikirche bestattet.
Zum
Weiterlesen:
Oßwald-Bargende,
Sybille: Eine fürstliche Hausaffäre. Einblicke in das Geschlechterverhältnis
der höfischen Gesellschaft am Beispiel des Ehezerwürfnisses zwischen Johanna
Elisabetha und Eberhard Ludwig von Württemberg, in: Ulrike Weckel u. a. (Hgg.):
Ordnung, Politik und Geselligkeit der Geschlechter im 18. Jahrhundert,
Göttingen 1998, S. 65-88.
Oßwald-Bargende,
Sybile: Die Mätresse, der Fürst und die Macht. Christina Wilhelmina von
Grävenitz und die höfische Gesellschaft, Frankfurt am Main u. New York 2000.
Sauer,
Paul: Musen, Machtspiel und Mätressen. Eberhard Ludwig – württembergischer Herzog
und Gründer Ludwigsburgs, Tübingen 2008.
Sauer,
Paul: Wilhelmine von Grävenitz, die schwäbische Pompadour, Freudental 2009.
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