Als der jüdische Kaufmann und Dolmetscher Isaak mit einer kleinen Delegation des abbasidischen Kalifen Hārūn ar-Raschīd (Kalif von 786 bis 809) am 20. Juli 802, zwei Jahre nach der Verleihung der Kaiserwürde an Karl den Großen (747-814, Kaiser ab 800), eines der Tore der Kaiserpfalz Aachen durchquerte, wurde er dabei vom Elefanten Abul Abaz begleitet. Die Einwohner müssen nicht schlecht gestaunt haben, hatten sie ein solch exotisches und außergewöhnliches Wesen bis dahin garantiert noch nie gesehen. In unserem Artikel deuten wir die wenigen Quellenaussagen, erörtern die Hintergründe dieses wertvollen Geschenks und entkräften einige Mythen und Legenden, die sich um den Elefanten ranken.
Kaiser Karl der Große suchte vor der Jahrhundertwende den Kontakt und Austausch zum abbasidischen Kalifat. Bereits sein Vater, König Pippin der Jüngere (714-768), unterhielt lose Kontakte dorthin. Durch ein solches Bündnis sollte schon unter Pippin ein sicherer Zugang und Aufenthalt für christliche Pilger zu den heiligen Stätten garantiert werden; Karl forcierte diese Entwicklung. Deshalb schickte er 797 eine Gesandtschaft, bestehend aus dem bereits erwähnten Isaak und den zwei fränkischen Rittern Lantfried und Sigimund, zum abbasidischen Kalifen Hārūn ar-Raschīd. Diese Gesandtschaft könnte allerdings noch einen weiteren Grund gehabt haben: So wollte Karl das Kalifat als Bündnispartner im Kampf gegen Byzanz und die Kaiserin Irene für sich gewinnen – ein Kampf, der schließlich nicht stattfin-den sollte. Der Kalif jedenfalls beherrschte zu dieser Zeit ein riesiges Gebiet von Nordafrika über den Nahen Osten bis nach Zentralasien und galt als einer der mächtigsten Herrscher sei-ner Zeit. Das Ziel Bagdad erreichte von dieser Gesandtschaft allerdings nur Isaak; seine bei-den Begleiter starben vor der Ankunft.
Harun ar-Raschid auf einer Miniatur aus Tausendundeine Nacht / Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ae/Harun_Al-Rashid_and_the_World_of_the_Thousand_and_One_Nights.jpg |
Der Kalif Hārūn ar-Raschīd war von dem Gedanken an ein Bündnis mit dem Kaiser so ange-tan, dass er die Gesandtschaft Karls mit Geschenken überhäufte, um ihm seine Gunst zu er-weisen. Unter diesen Geschenken befand sich auch der oben bereits erwähnte Elefant Abul Abaz. Seinen Namen erhielt er vom Kalifen selbst. Er ist an den Namen des Begründers der Abbasiden-Dynastie und zugleich einem Onkel des Propheten Mohammed angelehnt: Abu l-Abbas as-Saffah (722-754). Der indische Elefant sollte eineinhalb Jahre brauchen, bis er den Hof Karls erreichte. Denn der Weg dorthin war äußerst beschwerlich und mit über 5000 km sehr lang. Die Gesandtschaft, die Abul Abaz ins Frankenreich bringen sollte, bestand aus dem jüdichen Kaufmann Isaak, einem sarrazenischen Abgesandten vom Kalifen und einem Ver-trauten vom Emir Ifriqiyas, Abraham ibn al-Aghlab. Der Weg führte wohl über die Ägypti-sche Küste durch Ifriqiya und darauf vermutlich von der Hafenstadt Tunis über das Mittel-meer nach La Spezia in Ligurien. Die Logistik für das Übersetzen nach Italien kam dem Notar Erkenbald zu:
„Hierauf schickte er den Notar Erkenbald nach Ligurien, um eine Flotte zu rüsten, auf wel-cher der Elefant und was noch gebracht wurde, befördert werden konnte. […] Im Oktober dieses Jahres kam der Jude Isaak mit dem Elefanten aus Afrika zurück und lief in Porto Venere ein; weil er jedoch des Schnees wegen nicht über die Alpen reisen konnte, blieb er den Winter über in Vercelli […] Am 20. Juli dieses Jahres kam Isaak mit dem Elefanten und den übrigen Geschenken der Perser an und übergab sie in Aachen dem Kaiser. Der Elefant führte den Namen Abul Abaz.“
(Annales Regni Francorum (FSGA 5), S. 77ff.)
Dieser kurze Bericht über die Reise und Ankunft des Elefanten ist zugleicht die vorerst letzte Nennung des Tieres in den fränkischen Reichsannalen. Die Vita Karoli Magni, die Lebensbe-schreibung Karls der Großen, liefert zudem nur in einem Nebensatz die Information, dass sich unter den Geschenken des Kalifen eben auch ein Elefant befand. Nichtsdestotrotz lässt sich über den Aufenthalt des Elefanten im Frankenreich wohl einiges erschließen. Wie die Medici-Giraffe, die sich im Besitz Lorenzos de' Medici (1449-1492) befand, galt auch der Elefant als außergewöhnliches, exotisches Tier von alles überragender Größe. Als absolute Ausnahmeer-scheinung muss er den Menschen, die ihn sahen, wohl fast als mystisches Wesen vorgekom-men sein, dass sie vor Abul Abaz einen anderen Elefanten gesehen haben, kann in den meisten Fällen ausgeschlossen werden. Genau deshalb nahm Karl der Große seinen Elefanten Abul Abaz häufig mit auf Reisen. In einigen Werken werden verschiedene Pfalzen und Städte wie Speyer, Straßburg, Verdun, Augsburg und Paderborn als Aufenthaltsorte Karls und seines Elefanten genannt. Als Repräsentationsfigur seines Kaisertums war er prädestiniert; als Zei-chen der eigenen Macht stellte Karl ihn symbolisch zur Schau. Auch bei Besuchen anderer Herrschaftsträger, gerade auch außerhalb des fränkischen Reiches, wird Abul Abaz diese Rol-le eingenommen haben und stolz präsentiert worden sein. So kann der Elefant als lebende Insignie der kaiserlichen Macht angesehen werden.
Abul Abaz ist der erste namentlich und urkundlich belegte Elefant nördlich der Alpen. Doch die Quellen geben, wie bereits gezeigt, nicht viel von seinem Leben im Frankenreich Karls des Großen preis, obwohl seine Erscheinung einzigartig war. In den abbasidischen Quellen wird er gar nicht erwähnt. Und wohl gerade deswegen ranken sich Mythen und Legenden um ihn. So wird er auch heute noch als weißer Elefant tituliert, wofür es allerdings keine Anhaltspunkte gibt.
In der letzten Erwähnung Abul Abaz’ wird nur kurz sein Tod genannt: „Während er (Karl) hier etliche Tage verweilte, starb plötzlich jener Elefant, den ihm der Sarrazenenkönig Harun geschickt hatte.“ (FSGA, S. 95.) Abul Abaz starb 810 plötzlich bei einer geplanten Rhein-überquerung eines Heeres von Karl. Ob er bei der Rheinüberquerung ertrank oder plötzlich an einer Lungenentzündung verstarb, wie immer wieder in einigen Arbeiten behauptet wird, kann auf Basis der Quellen nicht bestimmt werden.
Sein wenig ausführlich beschriebener Tod bietet somit auch die Grundlage für eine weitere Spekulation: So soll Karl Abul Abaz als Kriegselefanten im Kampf gegen seine Gegner, wie zum Beispiel in der genannten Quelle gegen Godofrid, den König von Dänemark, und dessen Flotte, eingesetzt haben. Diese Möglichkeit bestünde durchaus alleine schon aufgrund der imponierenden Größe und körperlichen Überlegenheit des Elefanten. Allerdings ist es doch eher unwahrscheinlich, denn Karl wird seinen Elefanten, den er als Ausdruck seiner Macht und Würde überaus wertschätzte, nicht freiwillig in eine solche tödliche Gefahr gebracht ha-ben. Dafür war der Elefant zu wertvoll, zu außergewöhnlich.
Dass der Mythos Abul Abaz auch Jahrhunderte nach seinem Tod die Menschen immer noch interessiert und begeistert, zeigt nicht nur die 2011 erschienene „Biographie“ des Elefanten, sondern vor allem auch ein Bericht aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Der Duisburger Intel-ligenz-Zettel Nr. XXVII. vom 7. Juli 1750 berichtet über den Fund von Elefantenknochen auf einem Feld nahe der Lippe-Mündung. Die dürftigen Quellen des Mittelalters schließen die Möglichkeit, dass es sich bei diesen Knochen tatsächlich um Abul Abaz‘ Überreste handeln könnte, nicht aus. Die Begründung liegt zunächst auf der Hand: Es gab kaum Elefanten nörd-lich der Alpen. Allerdings wird in diese Überlegung nicht einbezogen, dass in der prähistori-schen Zeit in Mitteleuropa einige Elefantenarten lebten. Die Knochen verschwanden zudem kurz nach dem Fund, sodass auch nachträglich nicht geklärt werden kann, ob es sich nicht vielleicht doch um die Überreste Abul Abaz‘ handelt.
Zum Weiterlesen:
Annales Regni Francorum, in: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, 1. Teil, ed. Reinhold Rau (Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters. FSGA 5), Darmstadt 1955, S. 9-156.
Einhardi, Vita Karoli Magni, in: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, 1. Teil, ed. Reinhold Rau (Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters. FSGA 5), Darmstadt 1955, S. 163-212.
http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/periodical/pageview/458522
Richard Fletcher, Ein Elefant für Karl den Großen - Christen und Muslime im Mittelalter, Darmstadt 2005.
Achim Thomas Hack, Abul Abaz. Zur Biographie eines Elefanten, Badenweiler 2011.
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