In
einem früheren Artikel haben wir uns bereits mit dem Großen Brand Londons beschäftigt, der 1666 einen Großteil der Hauptstadt zerstörte. 1665 und
1666 wurde die Stadt an der Themse jedoch von einer zusätzlichen Katastrophe
heimgesucht, um die es im heutigen Artikel gehen soll. Die Rede ist von der „Großen
Pest von London“, die, anders, als der Name es vielleicht vermuten lässt, nicht
nur in London wütete, sondern sich auch in weiteren Gegenden des Landes
ausbreitete. Deshalb soll neben den Ereignissen in London exemplarisch auch ein
Blick auf das besondere Schicksal des Dorfes Eyam geworfen werden, welches sich
selbst unter Quarantäne stellte, um eine weitere Ausbreitung der häufig todbringenden
Krankheit zu verhindern.
Anonymer Künstler, The Great Plague of London in 1665.
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Great_plague_of_london-1665.jpg
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Ende
des Jahres 1664 machten erste Gerüchte die Runde, dass die Pest nach London
zurückgekehrt sein könnte und bereits erste Opfer gefordert habe. Denn in der
Vergangenheit, vor allem während der großen Pandemie im
Winter 1348/49 und im Jahr 1499, war die Stadt bereits mit der hochansteckenden
Krankheit in Kontakt gekommen. Die schrecklichen Erzählungen über die Pest
hatten die Jahrhunderte überdauert und waren den Bewohnern noch bekannt. Doch
erst im April 1665 sollte sich die Krankheit dann tatsächlich rasend schnell im
Stadtgebiet ausbreiten, was vor allem durch die warmen Temperaturen begünstigt
wurde. Aber auch die dichte Besiedelung der Stadt, wachsende Armut und mangelhafte
hygienische Verhältnisse taten ihr Übriges.
Ihren
Ausgangspunkt nahm die Krankheit dabei im Osten der Stadt, im damaligen Vorort
St. Giles, anschließend erreichte die Epidemie Whitechapel und Stepney, bevor
sie sich schließlich in kürzester Zeit im Zentrum Londons ausbreitete. Heute
vermutet man, dass die die Pest auslösenden Bakterien auf einem aus den
Niederlanden kommenden Schiff nach England gelangt waren, da es dort bereits im
Verlauf des Jahres 1664 vermehrt zu Ausbrüchen der Infektion gekommen war.
Im Juli des Jahres 1665 vermerkte der berühmte
Augenzeuge und Chronist seiner Zeit Samuel Pepys (1633-1703) in seinem
Tagebuch: „[T]he sad news of the death of
so many in the parish of the plague, forty last night, the bell always going…either
for deaths or burials.” Während im Juli bereits wöchentlich
rund 1000 Menschen an den Folgen der Krankheit starben, erreichte die Ausbreitung
der Beulenpest ihren Höhepunkt im September desselben Jahres. Aus den damals
angefertigten Aufzeichnungen über die Sterbefälle geht hervor, dass nun wöchentlich
zwischen 7.000 und 8.000 Bewohner den Tod fanden. Dabei wurden längst nicht
alle Todesfälle registriert, vor allem in den Armenvierteln der Stadt sind die
Register lückenhaft. Im Rückblick gilt Margaret Porteous, die am 12. April 1665
verstarb, als offiziell erste Pesttote. Sie stammte aus St. Giles.
In
der Stadt war zu diesem Zeitpunkt längst das Chaos ausgebrochen und das
alltägliche Leben nahezu zusammengebrochen: Wer konnte, verließ London, wie
beispielsweise König Karl II. (1630-1685) sowie sein Hofstaat, der nach Oxford
floh. Aber auch zahlreiche wohlhabende Bürger kehrten der Stadt den Rücken, Händler
und Handwerker schlossen ihre Geschäfte und auch Ärzte und Apotheker versuchten
der Krankheit zu entkommen. Dabei bedeutete der Weggang allerdings nicht
unbedingt Sicherheit, da die Pest sich auch über die Grenzen Londons hinaus
ausbreitete. Zudem waren die Fliehenden längst nicht überall willkommen, fürchtete
man doch, dass sie die Pest im Gepäck hätten.
In
diesem Zusammenhang stellt die Geschichte des Dorfes Eyam in der in den East
Midlands gelegenen Grafschaft Derbyshire ein trauriges Beispiel dar. Ein Paket
mit Stoffballen wurde von London nach Eyam zum dortigen Stoffhändler George
Viccars geschickt und dieses löste die Pest im August 1665 in dem kleinen Dorf
aus. Viccars war das erste Pestopfer im Ort und verstarb am 7. September 1665.
Nachdem noch einige weitere Personen gestorben waren, verhängten die Einwohner
über sich selbst den Quarantänezustand und brachen alle Kontakte zu umliegenden
Dörfern ab, wodurch sie eine weitere Ausbreitung der Infektion verhinderten.
Zudem war nun jede Familie für die Bestattung möglicher Toter selbst
verantwortlich und Gottesdienste fanden nur noch im Freien statt, um eine große
Ansammlung von Menschen auf engem Raum zu verhindern. Im Dorf selbst fiel dennoch
die Hälfte der Einwohner der Pest zum Opfer, die dort erst nach 14 Monaten
ausgerottet werden konnte. Das Überleben Einzelner hat dabei zu Gerüchten und
Mutmaßungen über magische Kräfte und verbotene Praktiken geführt, erschien es doch
sehr zufällig und ungewöhnlich und konnte zudem bis heute nicht
wissenschaftlich erklärt werden. Denn in Eyam überlebten sowohl der
Totengräber, der doch häufig in Kontakt mit infizierten Körpern gekommen war,
sowie eine Frau namens Elizabeth Hannock, deren Ehemann sowie ihre sechs Kinder
innerhalb von acht Tagen an der Pest starben, ohne dass sie selbst je erkrankte.
Noch heute ist Eyam als Pest-Dorf bekannt und ein Museum widmet sich den
Ereignissen des Jahres 1665. Auch die Gräber einiger Pestopfer sind erhalten
geblieben. Jeden August findet zudem eine Feier zum Gedenken an die Toten des
Dorfes statt.
Die erhalten gebliebenen Gräber der Familie Hannock in
Eyam
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In
London hatte sich durch den Weggang von Ärzten zum selben Zeitpunkt die
medizinische Versorgung derart verschlechtert, dass Kranke von den
verbliebenen Medizinern nur noch unzureichend behandelt werden konnten. Auch
fehlten Medikamente und Heilmittel und zuvor notdürftig eingerichtete Quarantänemaßnahmen
konnten nun nicht mehr aufrecht erhalten werden. Mit der Krankheit Infizierte
wurden praktisch sich selbst überlassen, da die Angst vor Ansteckung
allgegenwärtig geworden war. Häuser, in denen Pestkranke wohnten, sollten für
alle sichtbar mit einem roten Kreuz über der Tür markiert werden. Darüber
hinaus konnten längst nicht alle Opfer der Krankheit zügig bestattet werden, obwohl
Tag und Nacht beerdigt wurde. Dies begünstigte wiederum die Ausbreitung der
Krankheit und ließ die Ansteckungsraten steigen. Der vorgesehene Platz für
Bestattungen reichte bald nicht mehr aus, weshalb neue Orte möglichst weit
außerhalb des Zentrums gefunden werden mussten. Teilweise wurden die Toten
einfach in sogenannten Pestgruben bestattet, die bis zu sechs Meter tief waren.
Die verliebenden Bewohner wurden dazu aufgefordert, stets Feuer brennen zu
lassen, da man davon ausging, dass durch den Rauch die Luft gereinigt würde und
eine Ansteckung verhindert werden könnte. Über die tatsächlichen Auslöser der
Krankheit, ihren Übertragungsweg und effektive Behandlungsmöglichkeiten wusste
man damals sehr wenig. Als Gelehrte vermuteten, dass Hunde und Katzen die
Seuche übertragen würden, tötete man diese in Massen und damit die natürlichen
Feinde der Ratten, welche wiederum die Wirtstiere der Flöhe waren, die die Pest
tatsächlich übertrugen.
Erst
gegen Ende des Jahres begann sich die Situation langsam zu beruhigen und die
Zahl der Neuinfizierten zu sinken. Der König kehrte mit seiner Familie schließlich
im Februar 1666 nach London zurück. Besiegt war die Seuche allerdings noch immer
nicht und es gab auch weiterhin vereinzelte Berichte über Todesfälle und
Neuansteckungen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die „Große Pest“ nach offiziellen
Angaben 68.596 Tote allein in London gefordert, was ungefähr ein Fünftel der
Gesamtbevölkerung der Hauptstadt ausmachte. Im restlichen Teil des Landes waren
noch einmal rund 30.000 Tote zu beklagen.
Erst
mit dem Ausbruch des Feuers im September 1666 wurde die Pest in London endgültig
besiegt, da alle infizierten Tiere dem Brand zum Opfer fielen. Es war das
letzte Mal, dass die Pest die Stadt an der Themse heimgesucht hat. Zu diesem
Zeitpunkt trieb sie jedoch bereits in Frankreich ihr Unwesen.
Zum
Weiterlesen:
Samuel
Pepys: Die Tagebücher 1660-1669, aus dem Englischen von Georg Deggerich u. a.,
nach der Latham-&-Matthews-Edition eingerichtet, mit Anmerkungen und
Karten, Frankfurt am Main 2011.
Ackroyd,
Peter: London – Die Biographie, übersetzt v. Holger Fliessbach, dt.
Erstausgabe, München 2006.
Moote, A. Lloyd / Moote, Dorothy C.: The Great Plague:
The Story of London’s Most Deadly Year, Baltimore 2004.
Münch, Paul: Pest und Feuer. Die Londoner
Doppelkatastrophe 1665/66 in: Historische Zeitschrift 288 (2009), S. 93-122.
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