“I
knew it! I knew it!” “Are we allowed to speak yet?” said Ron grumpily. Hermione
ignored him. “Nicolas Flamel,” she whispered dramatically, “is the only known
maker of the Philosopher's Stone!” (Joanne K. Rowling, Harry Potter and the Philosopher's Stone, S. 237)
Dieses
Zitat dürfte vielen nur allzu bekannt vorkommen – sei es aus dem 1997
erschienenen ersten Band der Harry-Potter-Reihe Harry Potter und der Stein der Weisen der britischen Autorin Joanne
K. Rowling oder dem 2001 in die Kinos gekommenen gleichnamigen Film. Ausgehend
von der literarischen Verarbeitung des Motivs geht unser heutiger Artikel der
Frage nach, was es mit der realen Person Nicolas Flamel tatsächlich auf sich
hatte, was über sein Leben überliefert ist und in welcher Verbindung er mit dem
sagenumwobenen Stein der Weisen (lat. lapis philosophorum, eng. philosopher's
stone) steht. Handelt es sich bei Flamel wirklich, wie Hermine Ron und Harry
gegenüber erklärte, um den einzigen bekannten Hersteller eines Steines, der
seinem Besitzer Reichtum und Unsterblichkeit gewähren sollte?
Phantasieportrait
Flamels von Balthasar Moncornet aus dem 17. Jahrhundert
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Flamel.jpg
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Mit
einiger Sicherheit steht fest, dass Nicolas Flamel (in manchen Quellen auch
Nicholas oder Nicolai Flamelli) um 1330 im französischen Pointoise,
nordwestlich von Paris, in bescheidenen Verhältnissen geboren wurde. Er war der
Sohn jüdischer Eltern, die vor seiner Geburt zum Katholizismus hatten
konvertieren müssen. Flamels Vater war als Kopist tätig und schrieb als solcher
die Werke anderer ab. Von diesem lernte Flamel zunächst grundlegende
Fähigkeiten dieses Handwerks, bevor er seine Kenntnisse im Zusammensein mit
Benediktinermönchen vertiefen konnte. Nach erfolgter Ausbildung war er zunächst
als Schreiber in Paris angestellt und in seiner Tätigkeit schon bald so
erfolgreich, dass er ein eigenes Geschäft eröffnen könnte. Diesen führte er
zusammen mit seiner Frau Pernelle oder Perenelle (1320/1340-1397), die er 1355
geheiratet hatte. Pernelle war zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits zweimal
verwitwet und brachte ein beträchtliches Vermögen mit in die Ehe. Einige Jahre
später eröffnete Flamel zudem eine Werkstatt in Paris, in der vor allem
kostbare Manuskripte hergestellt wurden. Es wird vermutet, dass er einen Teil
von Pernelles Vermögen zur Erweiterung seines Gewerbes nutzte. Später soll er
zudem mit Handschriften gehandelt und einige Immobilien in seinen Besitz
gebracht haben, die er wiederum gewinnbringend verkaufte.
Darstellung
von Nicolas Flamel und seiner Frau Perenelle, Holzschnitt aus dem 16. oder 17.
Jahrhundert, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Flamel_Perenelle.png
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Seine
Frau und er erwiesen sich bei allem, was sie taten, als außerordentlich erfolgreich
und ihr Wohlstand und Besitz wuchsen kontinuierlich. Nachweisbar ist diese
Entwicklung vor allem dadurch, dass es zahlreiche belegte Stiftungen für
Kirchen und Herbergen der beiden gibt und sie sich mehrfach als Wohltäter
erwiesen, die beispielsweise Armenspeisungen finanzierten. Als Pernelle 1397
starb, soll sie ihrem Ehemann 5300 Livres vermacht haben, eine überaus enorme
Summe. Nicolas Flamel selbst starb entweder 1413 oder 1418 in Paris.
Bezeugt
ist sein Leben durch zahlreiche handschriftliche Dokumente, die sich heute in
der Französischen Nationalbibliothek in Paris befinden, darunter sein Testament.
Keines dieser zeitgenössischen Dokumente erwähnt jedoch so etwas wie den Stein
der Weisen oder bringt Flamel oder seine Frau auch nur in Verbindung mit
alchemistischen Vorgängen. Dennoch werden beide seit dem 16. Jahrhundert als
überaus erfolgreiche Alchemisten erwähnt und gerühmt, ohne dass bislang eine
plausible Erklärung für diese spannende Rezeptionsgeschichte gefunden werden
konnte. Ansatzpunkte für die posthume Legendenbildung gibt es allerdings
einige:
Womöglich
schien es den Zeitgenossen unwahrscheinlich, dass ein erfolgreicher aber
dennoch relativ einfacher Schreiber sich ein solches Vermögen hatte erarbeiten
können, weshalb nach anderen Erklärungsmustern für seinen Reichtum gesucht
wurde. Gerüchte mehrten sich, dass Flamel sich mit Alchemie beschäftigt habe
und ihm und seiner Frau nicht nur die Umwandlung von Quecksilber in Silber,
sondern später auch die Herstellung von Gold gelungen sei. Dem sogenannten
Stein der Weisen wird eben jene Eigenschaft zugeschrieben, die Verwandlung
unedler Metalle in edle Metalle mit Hilfe einer geheimnisvollen Substanz, aus
der er bestehen soll.
Schließlich
wurde immer wieder vermutet, dass Flamel sich auch als Autor alchemistischer
Werke betätigt habe. So erschein beispielsweise 1561 ein Sammelband, der sich
mit alchemistischen Sachverhalten beschäftigte und in dem Flamel ein Aufsatz
zugeschrieben wurde. Seinen Höhepunkt fand die Rezeption Flamels als Alchemist jedoch
1612, als das Livre des figures
hiéroglypiques erschien, das im Herausgebervorwort Flamel als Verfasser
nennt und die Inhalte auf 1399 datiert. In deutschsprachigen Gebieten erschien
dieses 1681 sogar unter dem Titel Des
berühmten Philosophi Nicolai Flamelli Chymische Werke. Obwohl es bereits im
18. Jahrhundert Zweifel an der Autorschaft Flamels und der Datierung gab, wurde
Flamel weiter als überaus erfolgreicher Alchemist rezipiert. Insbesondere das
Vorwort des genannten Buches trug zur Legendenbildung bei, berichtet es doch
von einem geheimnisvollen Buch, welches Flamel besessen haben soll und welches
nur von ihm entschlüsselt werden könnte. Dieses solle die Herstellung des
Steins der Weisen erklären, welche Flamel dann auch vollzogen habe. Da der
Stein zudem als Mittel zur Erlangung von Unsterblichkeit und zur Verjüngung
angesehen wurde, setzte nun eine Erweiterung der Legende Flamels um das Motiv
des ewigen Lebens ein.
Begünstigt
wurde die Vorstellung Flamels als Erzeuger und Besitzer des Steins der Weisen zudem
durch die Tatsache, dass, wie sich später herausstellte, das Grab, in welchem
er vermeintlich beigesetzt worden war, sich als leer erwies. Plötzlich erschien
es als wahrscheinlich, dass Flamel tatsächlich Unsterblichkeit erlangt und seinen
Tod nur vorgetäuscht haben könnte, um eben jene zu vertuschen. Gestützt wurde
diese Vermutung durch immer neue Sichtungen des eigentlich Toten, die sich
durch die Jahrhunderte zogen. Häufig erschien Flamel in diesen Erzählungen als
ewig jugendlicher Mann. Das bekannteste Beispiel ist wohl der französische
Schriftsteller Victor Hugo (1802-1885), der Flamel oder dessen Geist 1854
während einer Séance, also einer spirituellen Sitzung mit einem Medium,
begegnet sein will.
Warum
gerade Flamel mit der Legende um den Stein der Weisen in Verbindung gebracht
wurde, bleibt wohl weiter im Dunkeln. Die Tatsache, dass ihm bis heute
keinerlei alchemistische Tätigkeiten nachgewiesen und vielmehr zahlreiche
Behauptungen wiederlegt werden konnten, hat der Rezeption jedoch bislang keinen
Abbruch getan. Vielmehr haben sich neben Rowling zahlreiche weitere Autoren und
Werke der Legende bedient. Die Person Nicolas Flamels hat dabei unter anderem
Eingang gefunden in Victor Hugos Der
Glöckner von Notre Dame (1831) und Alexandre Dumas Der Graf von Monte Christo (1845). Auch in Dan Browns The Da Vinci Code (2004) findet er
Erwähnung. Die Stadt Paris würdigte ihre berühmten und geheimnisumwobenen
Bewohner gar mit zwei sich kreuzenden Straßen im 4. Arrondissement, der Rue
Nicolas Flamel und der Rue Pernelle.
Zum
Weiterlesen:
Artikel
über Flamellus, Nicolaus, in: Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges
Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Band 9, Leipzig 1735,
Spalte 1143.
Kahn,
Didier: Art. Nicolas Flamel, in: Claus Priesner / Karin Figala (Hgg.):
Alchemie. Lexikon einer hermetischen Wissenschaft, München 1998, S. 136-138.
Priesner,
Claus: Geschichte der Alchemie, München 2011.
Schütt,
Hans-Werner: Auf der Suche nach dem Stein der Weisen. Die Geschichte der
Alchemie, München 2000.
Varenne, Jean-Michel: Nicolas Flamel. Son histoire, sa personnalité, ses influences, Paris 2001.
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