Marie de Guise erblickte als älteste Tochter Claudes de Lorraine und seiner Frau Antoinette de Bourbon am 20. November 1515 im lothringischen Bar-le-Duc das Licht der Welt. Da ihr Vater 1528 vom französischen König Franz I. (1494-1547) zum ersten Herzog von Guise ernannt wurde, gehörte Marie somit dem mächtigen französischen Adelsgeschlecht Guise an. Als Tochter eines französischen Adeligen sahen ihre Eltern für sie eine klösterliche Erziehung vor, weswegen Marie mit nur vier Jahren zu ihrer Großmutter, Philippa von Geldern, in das Klarissenkloster Pont-á-Mousson geschickt wurde.
1529 besuchte ihr Onkel Herzog Anton II. von Lothringen die Familie und auch die mittlerweile 14-jährige Marie im Kloster. Anton II. war der Ansicht, dass ein Kloster der falsche Aufenthaltsort für seine Nichte sei, führte sie deshalb zunächst an seinen Hof nach Nancy, um sie danach am französischen Königshof vorzustellen. So war Marie 1531 bei der Krönung Eleonores von Kastilien, der zweiten Ehefrau Franz I. (1494-1547) zugegen, wurde noch während der Hochzeitsfeierlichkeiten dem König und der Königin vorgestellt und nahm daraufhin an der feierlichen Prozession teil, die die gerade gekrönte Königin bei ihrem Einzug in Paris begleitete.
Im Alter von 18 Jahren verlobte sich Marie mit dem französischen Großkammerherrn Louis II. d'Orléans-Longueville (1510-1537). Die Heirat fand im August desselben Jahres im Pariser Louvre statt. Zu Beginn des neuen Jahres wurde Marie schwanger und im Oktober 1535 kam ihr erster Sohn Franz, benannt nach dem französischen König, im Schloss von Amiens zur Welt. Diese Familienidylle sollte jedoch schon bald erschüttert werden: Noch während ihrer zweiten Schwangerschaft starb ihr Ehemann Louis am 9. Juni 1537 und hinterließ die mittlerweile 21 Jahre alte Marie sowie seinen Sohn Franz. Nur wenige Wochen nach dem Tod ihres Mannes brachte Marie am 4. August ihren zweiten Sohn zur Welt, den sie nach seinem Vater Louis nannte.
Noch im September des gleichen Jahres erhielt Marie einen Brief von König Franz I., in dem er sie aufforderte, den ebenfalls verwitweten schottischen König Jakob I. (1512-1542) zu ehelichen, der sich nach seiner ersten Frau Madeleine, der ältesten Tochter Franz I., erneut eine französische Braut an seiner Seite wünschte. Neben Jakob V. war auch sein Onkel, der englische König Heinrich VIII. (1491-1547), an Marie interessiert, um durch eine Ehe seinerseits die französisch-schottische Allianz zu brechen. Wohl deshalb erreichte Marie im Dezember 1537 ein weiterer Brief des französischen Königs, in dem sie nachhaltig dazu angehalten wurde, die Hochzeit mit Jakob V. voranzutreiben. Die Tatsache jedoch, dass nur wenige Tage zuvor ihr Sohn Louis verstorben war, ließ diese Heiratspläne bei Marie in den Hintergrund treten.
Dennoch wurde ein Ehevertrag verhandelt: Die Aussteuer für Marie de Guise wurde auf 150.000 Livres ausgesetzt, deren Großteil sowohl aus den Hinterlassenschaften ihres Ehemannes Louis als auch aus dem Erbe ihres Sohnes Franz finanziert werden sollte. Erschüttert von diesen Bestimmungen kämpfte Marie sowohl für die Besitzungen ihres verstorbenen Mannes als auch für das Erbe ihres Sohnes. Ende März 1538 wurde daraufhin in Lyon ein überarbeiteter Vertrag aufgesetzt und unterzeichnet: Die Mitgift übernahmen nun Maries Vater Claude und der französische König.
König Jakob V. reiste nicht selbst nach Frankreich, um Marie dort zu empfangen und nach Schottland zu bringen, sondern schickte den Großadmiral Robert, 5. Lord von Maxwell. Die 'vertragliche' Hochzeit fand somit am 9. Mai 1538 in Abwesenheit Jakobs V. im Schloss Châteaudun statt. Nur wenige Wochen später stand die Abreise nach Schottland bevor, auf welcher sie von Familienangehörigen begleitet wurde. Ihren Sohn Franz musste Marie jedoch in Frankreich zurücklassen, da sein Erbe von dort aus verwaltet werden musste. Die schottischen Schiffe verließen am 10. Juni Le Havre und erreichten am 16. Juni 1538 schottisches Festland. Zwei Tage später wurde die Hochzeit zwischen Marie und Jakob V. feierlich in der Kathedrale von St. Andrews zelebriert.
Marie de Guise mit ihrem zweiten Ehemann König Jakob V. von Schottland https://de.wikipedia.org/wiki/Marie_de_Guise#/media/File:James_V_of_Scotland_and_Mary_of_Guise.jpg |
Der Frühling des Jahres 1540 zeigte sich ereignisreich: Im Februar wurde Marie offiziell zur Königin Schottlands gekrönt – rein rechtlich war sie dies schon seit der Hochzeit mit Jakob V. – und im Mai wurde ihr Sohn James geboren. Im April 1541 kam dann ihr Sohn Robert auf die Welt. Schon kurz nach der Geburt Roberts erreichte Marie de Guise jedoch die Nachricht, dass ihr Sohn James schwer erkrankt sei. König Jakob V. reiste daraufhin sofort zu seinem Erstgeborenen, konnte diesen aber nicht mehr vor seinem Tod erreichen. Schon wenige Tage später erkrankte auch Robert schwer. Er starb wie sein Bruder noch im April 1541.
In der Zwischenzeit hatte sich das politische Verhältnis zwischen Schottland und England rapide verschlechtert („Rough Wooing“), da Jakob V. sich vehement geweigert hatte, dem Beispiel seines Onkels Heinrich VIII. zu folgen, und mit der katholischen Kirche zu brechen. Nach der Schlacht von Solway Moss am 24. November 1542, in der das schottische Heer durch die Engländer vernichtend geschlagen wurde, erkrankte Jakob V. schwer. Dass am 8. Dezember des Jahres seine Tochter Maria – die spätere Maria Stuart (1542-1587) – geboren wurde, erfuhr er nur noch auf dem Sterbebett. Nur sechs Tage später verstarb Jakob V. und machte damit seine jüngst geborene Tochter Maria zur Königin von Schottland.
Dem Ehevertrag zufolge hätte Marie nun nach Frankreich zurückkehren können; sie blieb jedoch in Schottland, um dort die Ansprüche ihrer Tochter Maria zu vertreten. Da Marie nicht genügend Unterstützung bei den schottischen Adeligen fand, kam es zu einem erbitterten Machtkampf um die Regentschaft in Schottland. In diesem Machtkampf konnte der pro-englisch orientierte James Hamilton, 2. Earl von Arran (1515-1575), den Kampf um die Regentschaft anstelle der noch minderjährigen Maria für sich entscheiden. Marie selbst schlug sich stets auf die politische Seite, die die Weiterführung der Allianz mit den Franzosen befürwortete, weil sie Angst hatte, dass durch den pro-englischen Kurs Arrans ihre Tochter an König Heinrich VIII. vergeben werden könnte. Immer wieder hatte Heinrich VIII. eine Verheiratung Maria Stuarts mit seinem Sohn Eduard als Möglichkeit betont, um einen Friedensschluss zwischen England und Schottland herbeizuführen.
Am 8. September 1543 wurde die junge Maria Stuart in Stirling offiziell zur Königin Schottlands gekrönt, während Marie nun an der Spitze eines neu gegründeten Regentschaftsrates saß, der sich gegen einen pro-englischen Kurs aussprach und die Allianz mit Frankreich erneuerte. Dies bedeutete weitere schwere Konflikte zwischen England und Frankreich, bei denen Marie de Guise sich immer wieder um Hilfe ihrer französischen Verwandten bemühte. Heinrich VIII. schlug die schottischen Heere vernichtend, brannte zahlreiche schottische Abteien nieder und fügte den Schotten immer wieder schwere Niederlagen zu. Aus Angst vor den Angriffen der Engländer brachte Marie ihre Tochter 1547 im Augustinerkloster Inchmahome in Sicherheit. Selbst traf sie sich derzeit mit dem französischen Botschafter Henri Cleutin (1515-1566), um mit französischer Hilfe schlimmere Konflikte mit England zu vermeiden. Der Vorschlag Cleutins sah vor, dass Marie ihre Tochter mit dem französischen Dauphin, dem späteren König Franz II., verheiraten sollte. Deshalb unterzeichnete sie 1548 den Vertrag von Haddington, willigte damit in die geplante Heirat ein und sicherte Schottland weitere französische Hilfe im Kampf gegen die Engländer zu.
Maria Stuart und König Franz II. von Frankreich kurz nach der Krönung des Königs 1559 https://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Stuart#/media/File:Francois_Second_Mary_Stuart.jpg |
Am 7. August wurde ihre Tochter Maria um der Hochzeit willen nach Frankreich gebracht; ihre Mutter folgte ihr im Auftrag des französischen Königs Heinrich II. (1519-1559) nur zwei Jahre später im August 1550. Ihre Brüder eskortierten sie nach Paris, wo sie nach mehreren Jahre erstmals wieder auf ihre Kinder traf. Maria Stuart war mittlerweile bereits sieben Jahre alt und ihren nunmehr 14-jährigen Sohn Franz hatte Marie seit 12 Jahren nicht gesehen. Es waren aber vor allem politische Angelegenheiten, die Marie nach Frankreich geführt hatten. So wollte Frankreich nach der Hochzeit Maria Stuarts mit dem Dauphin einen französischen Adeligen nach Schottland entsenden, der in ihrem Namen in Schottland regieren sollte. Allerdings wollte Marie de Guise selbst die Regentschaft für ihre noch minderjährige Tochter Maria in Schottland übernehmen. Im Verlauf des Winters bemühte sie sich vehement darum, den König dazu zu bewegen, ihren Plan, Regentin von Schottland zu werden, zu unterstützen.
Die Vorbereitungen zur Abreise Maries nach Schottland begannen erst im September 1551. Da während dieser Zeit ihr ältester Sohn Franz starb, verzögerte sich diese aufgrund der Trauerfeier auf Mitte Oktober 1551. Trotz ihres gestiegenen Einflusses konnte Marie die alleinige Regentschaft in Schottland nach der Rückkehr nicht sofort erreichen. Erst im Februar 1553 kapitulierte Arran. Symbolisch wurden Marie de Guise deshalb am 12. April 1554 Krone, Schwert und Zepter Schottlands und damit die Regierungsgeschäfte übertragen. Marie entließ sofort die Anhänger Arrans und besetzte die vakant gewordenen politischen Positionen neu. Immer wieder erfuhr sie dabei Ablehnung, weil sie nicht nur als Französin selbst 'fremd' in Schottland war, sondern auch wichtige politische Ämter mit französischen Edelherren besetzte. Zudem stand sie in der Kritik, weil ihre Tochter noch immer nicht mit dem französischen Dauphin verheiratet war, die militärische Unterstützung Frankreichs also auch auf sich warten ließ. Auch wenn Marie de Guise selbst an einer schnellen Heirat ihrer Tochter interessiert war, fand diese erst am 24. April 1558 statt. Der damit geschlossene Heiratsvertrag sicherte nicht nur Schottland die Unabhängigkeit, sondern Marie auch die Regentschaft während der Abwesenheit ihrer Tochter zu.
Auch während der schottischen Reformation spielte Marie de Guise eine wichtige Rolle. Vor allem als im November 1558 mit Elisabeth I. (1533-1603) eine Protestantin den englischen Thron bestieg, sah Marie de Guise Schottland sowohl innerlich als auch äußerlich vom Protestantismus bedroht. So unternahm sie alles, um diesen zu unterdrücken, musste aber aufgrund der Überlegenheit der Protestanten auch in militärischer Hinsicht immer wieder Niederlagen einstecken. In diesen Auseinandersetzungen erkrankte Marie de Guise. Als die Lage für sie immer bedrohlicher wurde, brachte sie sich in Dunbar Castle, einer der mächtigsten Festungen Schottlands, an der schottischen Ostküste in Sicherheit. Dort musste sie machtlos zusehen, wie die protestantischen Adeligen im Oktober 1559 erneut Edinburgh besetzten – Edinburgh war im Sommer des Jahres schon einmal besetzt, nach einem Vertrag aber von den Protestanten wieder verlassen worden. Am 21. Oktober 1559 entzogen die protestantischen Adeligen Marie de Guise die Regentschaft und setzten einen Regentschaftsrat unter der Führung Arrans ein.
Maries Gesundheitszustand verschlechterte sich nach einer kurzen Phase gesundheitlicher Besserung rapide. Sie starb am 11. Juni 1560 in Edinburgh. Erst im März 1561 wurde ihr Sarg mit den sterblichen Überresten nach Frankreich überführt und im Juli in Reims im Konvent von St. Pierre, in dem eine ihrer Schwestern Äbtissin war, beigesetzt. Die Trauerfeier, an der auch ihre Tochter Maria Stuart teilnahm, wurde in Notre Dame in Paris zelebriert.
Als am 6. Juli 1560 der Vertrag von Edinburgh von Franzosen, Schotten und Engländern unterzeichnet wurde, scheiterte der Plan, den Marie de Guise in ihren letzten Lebensjahren immer verfolgt hatte und Schottland wurde der protestantische Gegner Englands.
Zum Weiterlesen:
- Harrison, John: Ladies and Waiting. Marie de Guise at Stirling in the 1540s, Edinburgh 2010.
- Marshall, Rosalind K.: Mary of Guise, in: Oxford Dictionary of National Biography 36 (2004), S. 71-77.
- Wood, Marguerite (Hg.): Foreign Correspondence with Marie de Lorraine Queen of Scotland. From the Originals in the Balcarres Papers 1537-1548 (Publications of the Scottish History Society 3,4), Edinburgh 1923.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen