Sonntag, 24. Januar 2016

Kaiserin Theophanu - Das Bild der westlichen Herrscherin im Wandel

„Wohl war sie vom schwachen Geschlecht, doch eigneten ihr Zucht und Festigkeit und ein trefflicher Lebenswandel, was in Griechenland selten ist; so wahrte sie ihres Sohnes Herrschaft mit männlicher Wachsamkeit in ständiger Freundlichkeit gegenüber Rechtschaffenen, in furchtgebietender Überlegenheit gegenüber Aufsässigen.“
                                                           Thietmar von Merseburg, Chronicon, IV, 10. (Übersetzung nach: Gerd Althoff, Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat, Stuttgart ²2005, S. 170.)

Mit diesen Worten schließt der Merseburger Bischof und Geschichtsschreiber Thietmar sein Urteil über die ottonische Kaiserin Theophanu ab, die nach dem Tod Ottos II. die Vormundschaft über ihren unmündigen Sohn Otto III. übernahm. Im Vergleich zu weiteren Quellen fällt dieses Urteil recht positiv aus, wobei selbst dieses Lob von Vorurteilen gegenüber Frauen und Fremden gekennzeichnet ist. Daneben sind in weiteren Quellen die Vorbehalte deutlich kritischer gefasst: Häufiger ist von einem ungewöhnlichen Auftreten, einer Verführung der westlichen Frauen zum Luxus und einer zu großen Einmischung in die von Männern beherrschte Politik die Rede. Unabhängig von diesen Urteilen stehen Theophanu und ihr Wirken in der Geschichte für einen Wandel des Bildes der westlichen Herrscherin. 

Otto und Theophanu, auf gleicher Höhe, werden von Christus gekrönt / Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ac/Otton_II_et_Th%C3%A9ophano.JPG


Als Tochter des byzantinischen Feldherrn Theophanus Skleros (930-991) und der Sophia Phokaina (geb. 936) entstammte Theophanu dem byzantinischen Hochadel und genoss als Nichte des Kaisers Johannes I. Tzimiskes (Kaiser von 969 bis 976) eine ausgezeichnete Bildung und Erziehung. Kaiser Johannes hielt sie für prädestiniert, als Kaiser Otto I. (Kaiser von 962 bis 973) bei ihm um eine Braut für seinen Sohn Otto II. warb. Otto I. erhoffte sich dagegen eine byzantinische Prinzessin, geboren im Purpurpalast des Kaisersaals in Konstantinopel, um eine prinzipielle Gleichstellung mit dem Basileus (Bezeichnung für den byzantinischen Kaiser) in Konstantinopel und dem oströmischen Kaiserreich zu erhalten. Schließlich gab er sich dennoch mit dieser Lösung zufrieden, auch um die Streitigkeiten im Süden Italiens schnellstmöglich beilegen zu können, wo Otto I. als Kaiser nominell der Herrscher war, die Byzantiner aber seit 870 eine Provinz hielten und militärische Auseinandersetzungen bevorstanden. Dieser Kompromiss stieß an Ottos Hof auf wenig Gegenliebe. Es gab vermehrt Stimmen, die Theophanu wieder zurückschicken wollten, weil sie nicht die virgo desiderata, die erhoffte Jungfrau, und die gewünschte Prinzessin gewesen sei. Die Hochzeit von Theophanu und Otto II., der bereits 967 zum Mitkaiser gekrönt worden war, fand am 14. April in Rom durch Papst Johannes XIII. statt. Zum Zeitpunkt der Hochzeit war sie wohl zwischen 12 und 14 Jahren, Otto II. 18 Jahre alt. Während dieser Feierlichkeiten wurde Theophanu ebenfalls zur Kaiserin gekrönt und infolgedessen in den Urkunden als consors regni (Teilhaberin an der Herrschaft) und coimperatrix (Mitkaiserin) tituliert.
Die Hochzeit und die Ankunft Theophanus im ostfränkischen Reich führten einen seit den 950er Jahren andauernden Trend verstärkt fort: das Interesse an der byzantinischen Kultur. Handschriften wurden prächtiger ausgestattet und die Buchmalerei erhielt einige byzantinische Aspekte. Das beste Beispiel für diesen Trend ist die Dotationsurkunde, die Theophanu nach ihrer Hochzeit erhielt. Sie ist ein Zeugnis ottonischer Kunst unter dem Einfluss byzantinisch kultureller Aspekte: Auf einem 1,5 m langen, purpurfarbenen Pergament mit einem Muster aus Medaillons, auf denen Löwen und Greife Lämmer und Rinder erlegen, steht die Ausstattung Theophanus in goldenen Buchstaben. Sie erhielt neben Gebieten im Rhein-Main-Gebiet auch Istrien und die italienische Grafschaft Pescara.

Die Heiratsurkunde Theophanus / Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/cb/Urkunde01.jpg

Ihre Ankunft am kaiserlichen Hof sorgte vor allem bei Kaiserin Adelheid (931-999), der Frau Ottos I. und Mutter Ottos II., für Unbehagen. Laut verschiedener Quellen fühlte sie ihre Stellung am Hof angegriffen; das Ansehen und die Eigenständigkeit ihrer Position wurden durch die Ankunft Theophanus stark beeinträchtigt. Theophanu trat von Beginn an vergleichsweise häufig als Intervenientin (Fürsprecherin) in den Herrscherurkunden auf, war eine ständige Begleiterin ihres Ehemannes und verdrängte damit als erste Fürsprecherin Adelheid. Abt Odilo von Cluny, der spätere Hagiograph Adelheids, führte die zwischenzeitliche Entfremdung von Adelheid und ihrem Sohn Otto sogar auf Theophanu und ihre Rolle am Hof zurück, obgleich der eigentliche Grund dafür vielmehr bei Adelheid selbst lag, die sich in Konflikten auf die Seite Heinrichs des Zänkers (951-995), Herzog von Bayern, und damit gegen ihren eigenen Sohn stellte.
Heinrich der Zänker war es auch, der nach seiner fünfjährigen Haft infolge des Konflikts mit Otto II. und nach dessen Tod 983 als nächster männlicher Verwandter des verstorbenen Kaisers Anspruch auf den Thron erhob und sich den dreijährigen und damit unmündigen Otto III. laut Verwandtschaftsrecht (ius propinquitatis) von Erzbischof Warin von Köln aushändigen ließ. Gegen dieses mittelalterliche Recht konnten Theophanu und auch Adelheid nichts ausrichten, sodass sie sich zunächst nach Italien zurückzogen und auf Vermittlungslösungen hofften. Heinrich warb währenddessen im Reich um Unterstützung bei den Großen, stieß aber abgesehen von den bayerischen Großen und kleinen Teilen der Großen Sachsens kaum auf offene Ohren. Erst zahlreiche Verhandlungen und die gescheiterten Ambitionen Heinrichs führten zu einem Kompromiss: Heinrich der Zänker erhielt das Herzogtum Bayern zurück und übergab Otto III. seiner Mutter und Großmutter, die nun als Bevormundete die Herrschaft Ottos übernahmen, was für diese Zeit sehr ungewöhnlich war. In dieser Situation war es aber nur folgerichtig, denn beide Frauen waren fest im Machtgefüge des ostfränkischen Reiches verankert, hatten den Kaiserrang inne und genossen eine breite Unterstützung der Großen.
Die Leistung, die vor allem Theophanu ab 984 bis zu ihrem Tod 991 erbrachte, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Gemeinsam mit Adelheid handelte sie zunächst im Rahmen ihres Selbstverständnisses und verzichtete auf eine politische Neuorientierung. Die Beiden repräsentierten das ottonische Kaisertum, zeigten im gesamten Reich Präsenz, reagierten auf die Bitten der Großen, verwalteten und bauten vorhandene Bindungen, Strukturen und Netzwerke aus, ehe sich Adelheid wahrscheinlich infolge von Streitigkeiten mit Theophanu nach etwa einem halben Jahr nach Burgund und Italien zurückzog. Durch das erfolgreiche Erreichen eines breiten Konsens, der durch die zahlreichen Nennungen der Intervenienten der Großen in den Urkunden deutlich wird, wurde der Zuspruch über die Entscheidungen der Kaiserin und ihrer Gefolgschaft untermauert. Zudem blieb die Lage im Reich über den gesamten Zeitraum weitgehend ruhig und stabil. An den Grenzen des Reiches kam es lediglich zu zwei größeren Konflikten, die Theophanu und die Großen souverän lösen konnten: Im Osten wurden die Elbslawen 985-987 in Reaktion auf deren Angriffe 983 mehrfach besiegt; im westfränkischen Reich und in Lothringen trafen einige Machtansprüche verschiedener Herrscher aufeinander. In diesem Konflikt traten vermehrt die Frauen der konfliktführenden Männer sowie auch Theophanu als vermittelnde Instanz in den Vordergrund und bemühten sich erfolgreich um eine friedliche Lösung.  
Sie bewies zudem ein glückliches Händchen bei der Wahl der engsten Vertrauten für sich und ihren Sohn. Ihr Beraterkreis wurde von Erzbischof Willigis von Mainz, einem loyalen und politikerfahrenen Anhänger Ottos II., angeführt. Für die Bildung ihres Sohnes gewann sie anerkannte Lehrer: Graf Hoico bildete Otto in der Waffenkunst aus und Bernward, der spätere Bischof von Hildesheim, sorgte sich um die geistige Bildung und Erziehung, sodass Otto eine so umfassende Bildung genoss, wie sie bisher für einen Herrscher unüblich war.
Theophanus Selbstverständnis wurde besonders auf ihrem Italienzug 989, den sie ohne ihren Sohn beging, deutlich. In den Urkunden trug sie den Titel divina gratia imperatrix augusta (von Gottes Gnaden Kaiserin), die Datierung der Urkunden folgte anhand ihrer Herrscherjahre und zum Teil verwendete sie die maskuline Form imperator. Damit demonstrierte sie selbstbewusst ihre Stellung als Kaiserin – für eine Frau bis dahin sehr ungewöhnlich. Ihre außergewöhnliche Stellung und ihr Ansehen spiegelten sich zusätzlich auf dem Hoftag in Quedlingburg 991 wider, als Gesandte aus nahen und fernen Reichen Theophanu ihre Gunst erwiesen.
Als Theophanu 991 in Nimwegen starb, übernahm Ottos III. Großmutter Adelheid bis zu seiner Mündigkeit die alleinige Vormundschaft ohne auf Widerstände oder Ressentiments der Großen zu stoßen. Theophanus Herrschaftszeit hatte dazu geführt, dass die Idee, dass auch eine Frau im ottonisch-salischen Reich für ihren noch unmündigen Sohn oder Enkel als Vormund eintreten konnte, sich durchgesetzt hatte. So war neben Theophanu und Adelheid auch noch Kaiserin Agnes (1025-1077) ab 1056 nach Heinrichs III. Tod Regentin des Reiches.

Aufgrund ihrer erfolgreichen und sehr souveränen Politik sowie ihres selbstbewussten Selbstverständnis in einem patriarchalischen Gesellschaftssystem gewann sie die Großen des Reiches für sich und konnte infolgedessen die Lage im Reich stabilisieren. Als Vorreiterin ebnete sie den Weg für Adelheid und Agnes, die ohne Widerstände im ottonisch-salischen Reich die Vormundschaft eines minderjährigen Jungen übernehmen konnten. Trotz der in den Quellen dargestellten Vorurteile und Ressentiments gegenüber Theophanu, der fremden Frau, der „Griechin“, wie sie durchaus abwertend bezeichnet wurde, muss ihre beispiellose Regentschaft als ein großer Erfolg gewertet werden.

4 Kommentare:

  1. Wolfgang Illmer, Chronist24. Januar 2016 um 15:14

    Der Aufstand der Slawen war damals nicht der einzige Konflikt. Die größten Gefahren waren die Raubzüge der Nordvölker, die plündernd durch das Reich zogen und nur verbrannte Dörfer und Städte hinterließen. Die Lage war aussichtslos und Bischof Erpo von Verden bat um eine dringende Audienz bei der Kaiserin Theophanu, die im Kloster Corvey 983 stattfand.Der Grenzverlauf zwischen dem Bistum Hildesheim und Minden wurde festgelegt. Kaiserin Theophanu genehmigte die Pläne für den Bau einer befestigten Anlage. Aber die Mudzborgh, die als Verteidigungs- und Fluchtburg gegen die Angriffe der Nordvölker gebaut worden war, wurde geheim gehalten, daher war die Festung in keiner herkömmlichen Landkarte eingetragen. Doch sie wachte über die Einhaltung der festgelegten Grenzen gegen das Mindener Stift. Nach dem Bau der Mudzborgh sind noch mehrere Verteidigungsanlagen entstanden. (siehe Chronik Misburg Ursprung bis Gegenwart und 1000 Jahre Mudzborgh).

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    1. Sehr schöne Ergänzung, vielen Dank.

      In der Kürze, in der wir unsere Artikel halten wollen, findet nicht jeder Konflikt, nicht jede Person und nicht jeder Ort seinen Platz, den er vielleicht verdient und wir müssen irgendwo die Grenzen ziehen.

      Trotzdem sind wir über solche Daten und Geschehnisse, die von unseren Lesern ergänzt werden, vor allem wenn sie nicht so bekannt sind wie die Mudzborgh, sehr dankbar. :)

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    2. Um die Mudzborgh zu Bauen(Baubeginn 994)musste die alte Siedlung Mudisa, weichen. Mudisa der sitz des "Althig"( Stammes Versammlung der Sachsen),wurde im Jahr 250 von den Thüringer gegründet. m
      Mudisa musste weichen für ein Geostrategisches Proyekt in Zeitalter der Ottonen.Die Mudzborgh, wurde im Jahr 1013 durch Bernward Bischof von Hildesheim, gebaut. ( Siehe Chronik Misburg 2012 ,das Jubiläumsausgabe "1000 Jahre Mudzborgh und Burgen aus iedersacse von Braun)

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  2. Am 25.Dezember 983,traf sich Kaiserin Theophnu mit Bernward und Bischof Erpo von Verden,um eine neue Verteidigungslinie im Norddeutschland gegen die Angriffe der Nordvölker(Wikinger)und die Revolten der Slaven zu Beraten.Bei diesen treffen wurde den Bau der Mudzborgh,bei der Siedlung Mudisa(Misburg), Beschlossen. Mudisa(Misburg), wurde im Jahr 250 durch den Stamm der Thüringer, gegründet, eine der älteste Siedlungen in Norddeutschland,musste für einen Geoextrategischen Projekt Ausweichen.

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