Königin
Christina von Schweden (1626-1689) war vielleicht die ungewöhnlichste Königin
ihrer Zeit, vor allem aber war sie eine Frau, die im 17. Jahrhundert den Mut
hatte, selbstbestimmt schwerwiegende und unpopuläre Entscheidungen zu treffen
und die daraus resultierenden Konsequenzen zu tragen: So weigerte sie sich Zeit
ihres Lebens zu heiraten, sie entschied sich aus freien Stücken zur Abdankung
und anschließend zur Konversion zum Katholizismus, auch wenn das den Bruch mit
ihrem protestantischen Heimatland Schweden bedeutete. Mit der interessanten
Persönlichkeit Christina von Schweden setzen wir heute unseren Themenmonat
„Herrscherinnen“ fort.
Frühes
Porträt um 1640, Ölgemälde von Hofmaler Jacob Henry Elbfas, Nationalmuseum
Stockholm. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Queenchristine.jpg
|
Christina
wurde 1626 als zweite Tochter des schwedischen Königs Gustav II. Adolf
(1594-1632) und seiner Frau Maria Eleonora von Brandenburg (1599-1655) geboren.
Zur Zeit ihrer Geburt tobte auf dem europäischen Kontinent bereits der
Dreißigjährige Krieg (1618-1648), in dessen Verlauf ihr Vater 1632 in der
Schlacht bei Lützen zu Tode kam. Dieses Ereignis hatte zur Folge, dass Christina
- als einziges legitimes überlebendes Kind von Gustav II. Adolf und seiner Frau
- im Alter von gerade einmal fünf Jahren
vom Reichsrat zur Nachfolgerin ihres Vaters bestimmt wurde und sich von nun an
auf die Rolle der schwedischen Königin vorzubereiten hatte. Wie von ihrem Vater
noch zu seinen Lebzeiten bestimmt, erhielt Christina eine Erziehung, die auch
ein Kronprinz erhalten hätte: Neben genauen Kenntnissen über die schwedische
Geschichte und die politischen Verhältnisse im In- und Ausland lernte sie reiten,
fechten und jagen. Bei all ihren Studien legte sie dabei einen großen Ehrgeiz
an den Tag. Möglicherweise auch beeinflusst durch die als eindeutig männlich zu
charakterisierende Erziehung, schien Christina stets Schwierigkeiten mit der
Erfüllung ihrer Frauenrolle und den Erwartungen an ihr Geschlecht gehabt zu
haben: „Ich verachtete alles, was zu
meinem Geschlecht gehörte, Sittlichkeit und Schicklichkeit kaum ausgenommen“,
schrieb sie in ihren privaten Aufzeichnungen. Auch eine Präferenz von
Männerkleidung gegenüber Frauenkleidern brachte sie zum Ausdruck. Sie galt Zeit
ihres Lebens als exzentrisch und bezeichnete sich selbst als „jähzornig und hitzig, stolz und ungeduldig,
verachtend und spöttisch“.
1644
im Alter von 18 Jahren übernahm sie schließlich die Regierungsgewalt, ohne
jedoch bislang offiziell gekrönt worden zu sein. In den vorhergegangenen 12
Jahren bis zur Erlangung ihrer Mündigkeit war das Land stellvertretend vom schwedischen
Reichskanzler Axel Oxenstierna (1583-1654) geführt worden. In dieser Zeit hatte
sich jedoch bereits ein gegnerisches Lager gebildet, welches der
Vormundschaftsregierung Oxenstiernas kritisch gegenüber stand und auch
Christina versuchte bald Abstand von diesem zu gewinnen. Zu Hilfe kam ihr bei
diesen Bestrebungen besonders Johann Kasimir von Pfalz-Zweibrücken-Kleeburg
(1589-1652), der mit einer Schwester Gustavs II. Adolf verheiratet war, sowie
dessen Söhne Karl Gustav und Adolf Johann. Die enge Beziehung zwischen Christina
und dieser Familie war dadurch begründet worden, dass Christina nach dem Tod
des Vaters einige Jahre bei ihr aufgewachsen war und sich insbesondere mit Karl
Gustav gut verstand. Immer wieder war die Rede von einer Liebesbeziehung
zwischen den beiden und möglichen Heiratsplänen.
Während
ihrer Herrschaft erwies sich Christina als pragmatische Politikerin, die die
Strukturen ihrer Zeit verstand. Schließlich konnte nicht zuletzt dank ihr der
Dreißigjährige Krieg 1648 beendet werden und sie profitierte von den
geschlossenen Friedensverträgen. So konnten ihre Berater beispielsweise die
Gebiete Vorpommern, Bremen-Verden und Rügen für sie erringen. Auf der anderen
Seite wurden die Jahre ihrer Regierung durch eine immense Förderung von Kunst
und Kultur sowie den Versuch geprägt, den schwedischen Hof zu einem intellektuellen
Zentrum auszubauen. Neben weiteren Gelehrten zählte dabei unter anderem der
französische Philosoph René Descartes (1596-1650) zu ihren Briefpartnern, der
sich auch einige Zeit in ihrer Umgebung aufhielt. Des Weiteren sammelte
Christina Münzen und Gemälden, sie kümmerte sich um die prestigeträchtige
Ausstattung der Universität von Uppsala und förderte Theatergruppen und Musiker
am Hof. Auch wenn die schwedischen Truppen gerade gegen Ende des Dreißigjährigen
Krieges zahlreiche Kunstwerke im Namen Christinas schlichtweg erbeuteten, wie
beispielsweise während des sogenannten Prager Kunstraubes 1648, bei dem
zahlreiche Stücke aus der Kunstsammlung Kaiser Rudolfs II. nach Schweden
überführt wurden, stellten die sonstigen Anschaffungen und der Prunk, mit dem
Christina sich gerne umgab, den schwedischen Hof vor enorme finanzielle
Schwierigkeiten.
Um
das Jahr 1650 geriet Christinas Herrschaft zusehends in eine Krise. Zwar wurde
sie im Oktober dieses Jahres noch offiziell zur schwedischen Königin gekrönt, sie
selbst sah sich jedoch den Aufgaben einer Königin nicht mehr gewachsen, fühlte
sich eingeengt und spielte mit dem Gedanken, abzudanken. Dazu kam, dass
Christina bislang keine Heirat eingegangen war und auch nicht gewillt war,
diesen Schritt zu vollziehen. Somit konnte sie auch keine Nachkommen zur
Sicherung und Weiterführung ihrer Herrschaft aufweisen. Sie selbst äußerte sich
in diesem Zusammenhang: „Es ist mir nicht
möglich zu heiraten. So verhält es sich damit. Über meine Gründe schweige ich.
Mir steht nicht der Sinn nach einer Ehe. Ich habe Gott innig gebeten, er möge
meine Gesinnung ändern, aber es ist…nicht gelungen.“ Aussagen wie diese
haben Gerüchte über eine mögliche Homosexualität oder Bisexualität Christinas
aufkommen lassen und ihr wurden verschiedenste Liebesbeziehungen zugeschrieben,
zum Beispiel zu ihrer Hofdame Edda Sparre. Gleichzeitig soll sich jedoch auch
ein Kardinal unter ihren Liebhabern befunden haben.
Zwar
konnten ihre Berater sie vorerst unter der Bedingung, dass sie sie nicht mehr
zu einer Heirat drängen würden, davon überzeugen, weiter zu regieren, aber im
Mai 1652 machten dann Gerüchte die Runde, Christina wolle zum Katholizismus
konvertieren, wodurch sie an Popularität im Volk verlor. Auch schien es so, als
würde sie ihre Herrschaft vernachlässigen und sich vielmehr auf Festen
amüsieren und ihre Zeit den schönen Künsten widmen. Auch häuften sich die
Vorwürfe, dass ihre Politik und ihr Lebensstil verschwenderisch seien und
früher oder später den Ruin Schwedens nach sich ziehen würden. Zwei Jahre
später kündigte Christina erneut an, dass sie ihre Regentschaft beenden werde,
nicht jedoch ohne vorher über ihre finanzielle Versorgung nach ihrer Zeit als
Königin verhandelt zu haben. Auf dem in Uppsala tagenden Reichstag erfolgte
schließlich am 16. Juni 1654 die Abdankung Christinas. Nach zehnjähriger
Regentschaft bestimmte sie den oben bereits erwähnten Karl Gustav zu ihrem
Nachfolger, der als Karl X. Gustav bis zu seinem Tod 1660 schwedischer König
blieb. Die Staatskasse erklärte sich dazu bereit, die von Christina
verursachten Schulden zu tilgen und sicherte ihr gleichzeitig für die Zukunft die
Einnahmen aus schwedischen Territorien zu.
Kurz
darauf verließ sie aufgrund politischer Konflikte und in den Wirren der
Nordischen Kriege Schweden und reiste über Antwerpen nach Brüssel. Hier
konvertierte sie zunächst heimlich am 24. Dezember 1654 zum Katholizismus,
bevor sie diese Handlung am 3. November 1655 öffentlich in Innsbruck
wiederholte, wodurch besonders die Gegenreformation gestärkt wurde und die
Reaktionen ihrer einstigen schwedischen Untertanen alles andere als positiv
waren. In der Forschungsliteratur konnte sich bislang kein Erklärungsversuch
für die von Christina vollzogene Konversion durchsetzen: Häufig wurde sie dabei
jedoch als Bruch mit ihrer protestantischen Erziehung gedeutet und als Verrat
am Erbe ihres protestantischen Vaters. Im Dezember 1655 ließ sie sich in Rom
nieder, wo sie durch Papst Alexander VII. (1599-1667) gefirmt wurde. Von nun an
trug sie den Namen Maria Alexandra. In den folgenden Jahren versuchte sie
weiterhin Einfluss auf die europäische Politik zu nehmen und sich
beispielsweise in Heiratsverhandlungen und Fragen religiöser Toleranz zu
behaupten, jedoch ohne großen Erfolg: Durch ihre Abdankung hatte sie sich selbst
aller politischen Rechte beraubt. Sie widmete sich nun wiederum vermehrt der
Kunst und gründete beispielsweise 1671 das erste Theater in Rom, in dem auch
Frauen auftreten durften. Erneut sammelte sie einen Kreis von Intellektuellen
um sich. Christina starb am 19. April 1689 in Rom und wurde in den Grotten des
Petersdoms bestattet. Bis heute wird sie immer wieder künstlerisch rezipiert
und porträtiert. So veröffentlichte beispielsweise August Strindberg 1901 sein Drama
„Kristina“ und Greta Garbo übernahm 1933 die Rolle der schwedischen Königin im
US-Spielfilm „Queen Christina“.
Zum
Weiterlesen:
Kristina
von Schweden: Gesammelte Werke. Autobiographie, Aphorismen, historische Schriften.
Mit 130 restaurierten Faksimileseiten der Arckenholtzausgabe von 1751/1752, hg.
v. Annemarie Maeger, Hamburg 1995.
Biermann,
Veronica: Von der Kunst abzudanken. Die Repräsentationsstrategien Königin
Christinas von Schweden, Wien u. a. 2012.
Buckley, Veronica: Christina, Queen of Sweden. The
Restless Life of a European Eccentric, London 2004.
Findeisen,
Jörg-Peter: Christina von Schweden. Legende durch Jahrhunderte, Frankfurt am
Main 1992.
Eine interessante historische Persönlichkeit.
AntwortenLöschen