„Eleonore
von Aquitanien ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie die Geschichte die
Persönlichkeit formt und wie Generationen von Schriftstellern und Historikern
eine Gestalt aus Fleisch und Blut entstehen lassen, hinter der die historisch
bekannten Fakten längst verblaßt sind. Wie ihre Söhne Richard Löwenherz und
Johann Ohneland im allgemeinen Bewußtsein als Helden […] fortleben, […] so ist
auch Eleonore zmu Mythos geworden. Gerade heute, wo die
Frauengeschichtsschreibung nach Identifikationsfiguren sucht, scheint ihr
Schicksal besonders aktuell geworden zu sein.“
(Vones-Liebenstein, Ursula, Eleonore von Aquitanien. Herrscherin zwischen zwei
Reichen, Zürich 2009 (2.Auflage), S. 113)
So
beschreibt Ursula Vones-Liebenstein Eleonore von Aquitanien (1122-1204),
Königin von Frankreich (1137-1152) und England (1154-1189), in ihrem Buch über
deren Leben. In diesem Zitat wird bereits deutlich, dass Eleonores
Persönlichkeit Menschen aller Zeiten fasziniert und gleichsam inspiriert hat,
eine Art Mythos um sie zu formen. Neben ihrer häufig herausgestellten
Selbstbestimmtheit finden auch ihre politische Aktivität und Agilität bis ins
für diese Zeit ungewöhnlich hohe Alter (sie wurde 82 Jahre alt) bis heute noch weit verbreitete
Anerkennung. Vor allem, wenn es um ihre Söhne ging, entwickelte Eleonore eine
ungeheure Antriebskraft, um deren Interessen voranzubringen. Und genau darum
soll es in unserem heutigen Artikel gehen, mit dem wir unseren Themenmonat „Herrscherinnen“
beginnen.
(Sarkophag Eleonores in der Abtei-Kirche von Fontevrault,
https://de.wikipedia.org/wiki/Eleonore_von_Aquitanien#/media/File:Gisant_alienor_d_aquitaine_et_henri2.jpg)
Das
Bild zeigt den Sarkophag Eleonores von Aquitanien in der Abtei-Kirche von
Fontevraud, wo sie an der Seite ihres zweiten Ehemannes Heinrich II. von
England (1133-1189) und ihres Sohnes Richard Löwenherz (1157-1199) begraben
liegt. Geboren wurde sie 1122 als Tochter des aquitanischen Herzogenpaares
Wilhelm und Aenòr in Poitiers. Über ihre Kindheit und Jugend ist nur wenig
bekannt, doch kann davon ausgegangen werden, dass sie wie zu dieser Zeit üblich
von einer Amme und später möglicherweise an einer Klosterschule erzogen wurde.
Nach dem frühen Tod ihres Vaters an Ostern 1137 wurde Eleonore gemäß dem
väterlichen Wunsch rasch mit dem französischen König Ludwig VII. (1120-1180) verheiratet.
Noch im selben Jahr wurden die beiden sowohl zu König und Königin von
Frankreich als auch zu Herzog und Herzogin von Aquitanien gekrönt. Als ihr
Gatte 1146 zum Kreuzzug aufbrach, begleitete Eleonore ihn auf dieser
beschwerlichen Reise. In dieser Zeit traten erste Unstimmigkeiten zwischen dem
Königspaar zutage. Belastend für die Ehe dürfte gewesen sein, dass Eleonore ihrem
Mann in fast zehn Jahren keinen Sohn geschenkt hatte sondern nur eine Tochter.
Auf der Heimreise aus dem Heiligen Land zog das Paar über Rom. Denkbar ist,
dass die beiden sich zu diesem Zeitpunkt bereits beim Papst um eine Auflösung
der Ehe wegen zu naher Verwandtschaft bemühten. Zunächst verhinderte jedoch
eine weitere Schwangerschaft der Königin die Scheidung. Wieder war das Kind
eine Tochter. Zudem wandte Ludwig sich zunehmend der Religion und Frömmigkeit
zu. So soll Eleonore sich einst beklagt haben, keinen Mann, sondern einen Mönch
zum Mann zu haben. Im März 1152 wurde die Ehe schließlich wegen Verwandtschaft
in unzulässigem Grad für ungültig erklärt. Doch anstatt sich als alleinstehende
Herzogin nach Aquitanien zurückzuziehen, ging die inzwischen 30-jährige
Eleonore eine neuen Ehe ein: Heinrich Plantagenet (1133-1189), Graf von Anjou
und Herzog der Normandie.
Er
war der Sohn Gottfrieds von Anjou und Mathildes, der Tochter König Heinrichs I.
von England (ca. 1068-1135). Nach Heinrichs I. Tod ohne männlichen Nachfolger war
im Land ein Krieg um die Thronfolge zwischen seiner Tochter und Stephan von
Blois, dem Neffen des verstorbenen Königs, entbrannt. Stephan hatte diesen zwar
zunächst für sich entscheiden können, als sein Erbe jedoch frühzeitig verstarb,
kam man zu der Übereinkunft, dass Mathildes Sohn Heinrich nach Stephans Tod als
Heinrich II. den englischen Thron besteigen sollte. Als dies im Oktober 1154
schließlich eintrat, hatte Eleonore ihrem zweiten Ehemann bereits einen Sohn namens
Wilhelm (1153) geboren. Bei der Krönung der beiden zu König und Königin von
England im Dezember desselben Jahres war sie erneut schwanger, wieder handelte
es sich bei dem Kind um einen Sohn, Heinrich den Jüngeren. In den folgenden
Jahren bekam das Paar sechs weitere Kinder, drei Söhne, Richard (1157, später
unter dem Beinamen „Löwenherz“ bekannt), Gottfried (1158) und Johann (1167, er
erhielt den Beinamen „Ohneland“) sowie drei Töchter. Jedoch verstarb Wilhelm,
der Erstgeborene, bereits 1156 im Alter von drei Jahren. An erster Stelle der
Thronfolge stand nun also Heinrich der Jüngere.
Frankreich im Jahr 1154 (https://de.wikipedia.org/wiki/Eleonore_von_Aquitanien#/media/File:Frankreich_1154-DE.svg)
Seit
der Geburt des jüngsten Sohnes Johann war es zu einer zunehmenden Entfremdung
des Königspaares gekommen und 1167 brach Eleonore nach Aquitanien auf, wo sie
ja immer noch Herzogin war. Heinrich II. machte sich unterdessen daran, das Erbe
für seine Söhne zu bestimmen: Richard sollte mit Aquitanien die Heimat der
Mutter zufallen, Heinrich dem Jüngeren neben der englischen Krone auch Anjou sowie
die Normandie und Gottfried die Bretagne. Der jüngste Spross des Königspaares,
Johann, erhielt zunächst kein Land zugewiesen, daher der oben bereits erwähnte
Beiname „Ohneland“. In den folgenden Jahren bemühte Heinrich II. sich darum,
auch ihn vor allem durch eine vorteilhafte Ehe, aber auch zulasten des Erbes seiner
älteren Söhne auszustatten. Bald kam es deshalb zum Zerwürfnis zwischen den
Brüdern und ihrem Vater. Nun trat Eleonore auf den Plan, die ihre Söhne
unterstützte, indem sie den Adel von Poitiers zum Kampf gegen ihren Gatten
mobilisierte und einen Aufstand provozierte.
Gut
ein Jahr nach dessen Ausbruch gelang es Heinrich II. 1174 seine Frau gefangen
zu nehmen und die Aufständischen mussten auf einen Friedensschluss eingehen.
Über Eleonores Leben in Gefangenschaft ist nur wenig bekannt, doch sollte man
sich nicht in der Vorstellung verlieren, sie sei in einem dunklen Verlies
eingesperrt gewesen. Vielmehr wurde sie mit Sicherheit ihrem Stand entsprechend
unter eine Art Hausarrest gestellt. Zudem war Heinrich II. weiterhin auf die
Hilfe seiner Ehefrau angewiesen, wenn es um aquitanische Angelegenheiten ging.
Als 1183 Heinrich der Jüngere verstarb, weigerte sich Richard, das Herzogtum an
seinen jüngsten Bruder Johann abzutreten. Es kam erneut zu kriegerischen
Auseinandersetzungen zwischen den drei verbliebenen Brüdern. Eleonore beendete
diese, indem sie Partei für Richard ergriff. 1186 verstarb auch Gottfried, als
er bei einem Turnier von einem Pferd zu Tode getrampelt wurde. Von ihren fünf
Söhnen waren nun nur noch zwei am Leben.
Ihre
volle Freiheit erlangte Eleonore erst 1189, nach 15 Jahren in Gefangenschaft,
mit dem Tod ihres Ehemannes wieder. Bis zu Richards Eintreffen in England zu seiner
Krönung tat Eleonore alles, um für ihn die Herrschaft zu sichern. Noch vor der
Krönung legte Richard die Differenzen um Aquitanien mit Johann Ohneland bei und
übertrug ihm, ganz nach den Vorstellungen seiner Mutter, diverse Grafschaften.
Bald sollte es jedoch wieder zu Unstimmigkeiten kommen.
Richard,
nach wie vor unverheiratet und ohne legitimen Nachkommen, war bereits seit
langem mit Alice, der Schwester des französischen Königs Philip II. August,
verlobt, doch gedachte er wohl nicht, sie zur Frau zu nehmen, sondern
schmiedete bereits neue Heiratspläne. Nun setzte er allerdings nicht seinen
jüngeren Bruder Johann, sondern seinen erst dreijährigen Neffen Arthur von der
Bretagne als Nachfolger ein, wodurch Eleonore das Nachfolgerecht ihres jüngsten
Sohnes in Gefahr sah. Deshalb drängte sie Richard dazu, baldmöglich zu heiraten
und einen Erben zu zeugen. Als geeignete Kandidatin erschien den beiden
Berengaria von Navarra und so machte sich die beinahe siebzigjährige Eleonore
auf, die Braut ihres Sohnes eigenhändig zur Hochzeit zu bringen. Richard, der
gerade im Begriff war, zum Kreuzzug nach Jerusalem aufzubrechen, traf auf
Zypern mit Berengaria zusammen und heiratete sie, während Eleonore in die
Normandie zurückkehrte und weiter darauf hinarbeitete, die Nachfolgeregelungen
im Falle von Richards kinderlosem Tod zugunsten Johanns zu verändern.
Richards
Abwesenheit nutzte nun der französische König Philip II. August, der immer noch
erzürnt über die gelöste Verlobung mit seiner Schwester Alice war, um Johann
erneut gegen seinen Bruder aufzubringen. Er bot ihm eine Heirat mit Alice an,
zusammen mit einigen Lehen auf dem Festland. Dies zwang Eleonore erneut dazu,
nach England zurückzukehren, um ihrem jüngsten Sohn ins Gewissen zu reden. Als
Richard selbst von dieser Intrige erfuhr, brach auch er nach England auf,
nachdem er die Verhältnisse im Königreich Jerusalem weitgehend geordnet hatte.
Beim Versuch Österreich zu durchqueren, wurde er vom dortigen Herzog, mit dem
er verfeindet war, gefangengenommen, was Johann wiederum nicht ungelegen kam. In
England solidarisierten sich Adel und Volk jedoch mit Richard und auch Eleonore
leistete Widerstand gegen die Bestrebungen ihres jüngsten Sohnes, sodass sie
sofort mit dem Eintreiben des für Richards Freilassung geforderten Lösegeldes
begann. Auch wandte sie sich in dieser Angelegenheit an den Papst und beklagte
dessen Untätigkeit trotz des päpstlich gewährten Schutzes, unter dem der
englische König als Kreuzfahrer stehen sollte. Als sie schließlich das Lösegeld
vollständig eingetrieben hatte, begab sie sich persönlich ins Römisch-Deutsche
Reich, um ihren Sohn auszulösen. Der französische König und Johann Ohneland
versuchten unterdessen eine Freilassung zu verhindern, indem sie eine ebenso
hohe Summe dafür boten, dass Richard weiter festgehalten würde. Dieser Plan
schlug jedoch fehl und der englische König kam nach Verhandlungen in Mainz,
denen auch seine Mutter Eleonore von Aquitanien beigewohnt hatte, frei.
Wieder
tat sie alles dafür, ihre beiden Söhne miteinander auszusöhnen und diesmal
hatte die Königinmutter dauerhaften Erfolg. In den folgenden Jahren verhielt
Johann sich seinem Bruder gegenüber loyal. Eleonore zog sich in das Kloster
Fontevrault in Anjou zurück. Als Richard 1199 während der Niederschlagung eines
Aufstandes verwundet wurde und an den Folgen schließlich verstarb, wurde sie
erneut aktiv, um die Herrschaft für ihren verbliebenen Sohn Johann zu sichern.
Während dieser zur Krönung in England weilte, tat sie alles dafür, den
Familienbesitz auf dem Festland für ihn zu halten bzw. zurückzugewinnen.
Zum
ersten Mal seit 25 Jahren reiste sie nun, im Alter von 77 Jahren wieder durch
ihr Herzogtum Aquitanien, um sich der Treue der Städte und des Adels zu
versichern, zog sich danach jedoch wieder ins Kloster zurück. In ihren letzten
Lebensjahren musste sie mit ansehen, wie Johann durch ungeschicktes politisches
Handeln den Zerfall seines Reiches einleitete, bevor sie am 1. April 1204 im
Alter von 82 Jahren starb.
Zum Weiterlesen:
Vones-Liebenstein,
Ursula, Eleonore von Aquitanien. Herrscherin zwischen zwei Reichen, Zürich 2009
(2.Auglage).
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