Sonntag, 14. Juni 2015

Die Legende des Robin Hood

Zu den am weitesten verbreiteten Legenden des Mittelalters gehört sicher die über Robin Hood, den Gesetzlosen aus dem Sherwood Forest, der den Armen gibt, was er den Reichen abgenommen hat und für seinen geschickten Umgang mit Pfeil und Bogen bekannt ist. Wie bei zahllosen anderen Legenden auch drängt sich die Frage nach dem wahren Kern beinahe auf: Gab es eine historische Persönlichkeit, die als Vorbild für den legendären outlaw diente, und wenn ja, um wen handelte es sich dabei? Zudem durchlief die Geschichte rund um Robin Hood und seine Gefährten, von denen die Bekanntesten wohl Little John und Friar Tuck sind, im Laufe der Zeit eine inhaltliche Veränderung bis hin zu der Version, die heute beinahe jeder kennt und die auch in zahlreichen Filmen und Serien immer wieder neu erzählt wird. Um diese beiden Themenkomplexe soll es in diesem Artikel gehen.



Die Frage nach dem historischen Vorbild Robin Hoods stellen sich Historiker und Historikerinnen bereits seit einigen Jahrhunderten, bislang ist kein überzeugender Beweis für die eine oder andere Persönlichkeit erbracht, auf der die Legende basieren könnte. Ein Aspekt, der die Suche schwierig macht, ist der Name des Gesetzlosen: „Robin“ war seit der normannischen Eroberung 1066 in England weit verbreitet und auch „Hood“, was wohl kein Nachname im engeren Sinn, sondern vielmehr ein Beiname ist, trat nicht gerade selten auf. Auch die Frage nach der Datierung von Robins Leben gestaltet sich schwierig. Während er nach heutigen Versionen der Geschichte ein Zeitgenosse König Richards I. (1157-1199) gewesen sein soll, so wird in früheren Überlieferungen von einem König Edward gesprochen. Diese Angabe lässt jedoch kaum Rückschlüsse auf eine bestimmte Zeit zu, da es beispielsweise zwischen 1272 und 1377 ausschließlich Könige dieses Namens in England gegeben hat. Eine weitere Schwierigkeit ist die dünne Quellenlage zu den einzelnen Personen, die als realer Robin Hood infrage kommen. Zwar tauchen in einigen Quellen Männer dieses Namens auf, doch sind sie kaum eindeutig zu identifizieren, weil schlicht zu wenig über sie bekannt ist. Dennoch gibt es Kandidaten, die immer wieder als Vorbilder für den bekannten Gesetzlosen gehandelt werden. Am interessantesten für die Forschung ist ein Mann, der nicht einmal den Namen „Robin Hood“ trägt, sondern in den Quellen als Willam le Fevere auftaucht, weil er 1261 mit einer Behörde in einen Konflikt geriet. In einer weiteren Quelle aus dem darauffolgenden Jahr wird er dann als „William Robehood“ bezeichnet. Der Beiname „Robehood“ ist im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts für mehrere Personen belegt, die jedoch nicht generell als Kriminelle auffielen. Trotzdem führte dies den Historiker Richard Barrie Dobson zu der These, dass es sich bei „Robinhood“ und ähnlichen Formen nicht unbedingt um den Namen einer tatsächlichen Person handeln müsse, sondern vielmehr um eine im 13. Jahrhundert gängige Bezeichnung für einen Banditen oder Verbrecher. Ähnlich wie heute niemand behaupten würde, dass „Otto Normalverbraucher“ eine reale Person ist, verberge sich also, laut Dobson, auch hinter „Robin Hood“ niemand Bestimmtes. So könnte also dieser Platzhaltername in die frühen Geschichten über den Gesetzlosen, der mit seinen Gefährten im Wald lebt, eingeflossen sein. Offenbar lässt sich also die Frage nach dem realen Robin Hood kaum abschließend beantworten, doch liefert Dobson mit seiner These vom Platzhalternamen eine durchaus plausibel wirkende Erklärung für den Ursprung des Namens.

Typische Motive, die heute wohl jeder mit Robin Hood verbindet, sind Pfeil und Bogen, das Waldleben im Sherwood Forest, Robins wohltätiges Engagement, seine Liebe zur Maid Marian, aber auch seine ständigen Auseinandersetzungen mit dem Sheriff von Nottingham. Doch nicht jedes von ihnen findet sich in den ersten Balladen und Spielen über die Taten des berüchtigten outlaw wieder. Die Erzählungen über ihn haben ihren Ursprung wohl in der Mitte des 14. Jahrhunderts und ab 1426 sind Robin Hood gewidmete Spiele zu Pfingsten in ganz England nachweisbar. Diese beinhalteten nicht nur eine Art Theateraufführung, in der es um dessen Heldentaten ging, sondern auch eine Reihe sportlicher Wettkämpfe, darunter natürlich auch das Bogenschießen. Im Gegensatz zu diesen Spielen, von denen heute kaum Texte bekannt sind, gibt es einige überlieferte Robin Hood-Balladen, die erste Geschichten beinhalten. Die drei ältesten (Robin Hood and the Monk, Robin Hood and the Potter und Robin Hood and Guy of Guisborne) stammen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und liefern bereits einige der oben genannten Motive. Ein entscheidendes fehlt jedoch völlig: In keinem der drei Texte nimmt Robin den Reichen und gibt den Armen, vielmehr bereichert er bloß sich selbst und seine Anhänger. Ebenfalls auffällig ist die Abwesenheit der Maid Marian. Generell spielen Frauen fast keine Rolle in den Balladen, sondern diese zeichnen das Bild einer rein männlichen Gesellschaft, in der Robin Hood lebt. Gemeinsam mit der heute gängigen Form der Geschichte sind ihnen jedoch das Motiv des Waldes, der Bogen als Waffe des Helden und die Gegnerschaft zum Sheriff von Nottingham. 


http://de.wikipedia.org/wiki/Robin_Hood#/media/File:Here_begynneth_a_gest_of_Robyn_Hode.png

Eine erste umfangreichere Darstellung Robin Hoods liefert die im 15. Jahrhundert entstandene Dichtung A Gest of Robyn Hode. In ihr liegt der Grundstein für einen Prozess, der als gentrification bezeichnet wird: Der Protagonist durchlief in den unterschiedlichen Erzählungen eine Entwicklung vom Helden des einfachen Volkes hin zu einem gefallenen Adligen, wodurch er auch für ein gehobenes Publikum interessanter wurde. Dies wird in der Gest unter anderem daran deutlich, dass Robin bei einer Begegnung mit dem König selbst beinahe mit königlichen Verhaltensweisen auftritt und es zudem eine klare Hierarchie zwischen ihm und seinem treuesten Begleiter Little John gibt, die in den Balladen nicht so deutlich vorhanden ist. Erstmals überliefert der Text auch den Tod Robins: Eine mit ihm verwandte Nonne und deren Liebhaber ermorden ihn heimtückisch, indem sie ihn bei einem Aderlass verbluten lassen.
 
In der Frühen Neuzeit entdeckte nun auch ein höfisches Publikum Robin Hood zunehmend für sich. Zu dieser Zeit erschien erstmals die Maid Marian in den Spielen und auch Friar Tuck wurde zum Bestandteil der Geschichte. Zudem begannen nun Historiker, sich mit Robin Hood zu befassen. So nahm ihn beispielsweise John Major in sein 1521 gedrucktes Geschichtswerk Historia Majoris Britanniae auf. Auf ihn geht auch die zeitliche Einordnung Robins in das England Richards I. und seines Bruders Prinz John (1167-1216) zurück, die sich bis heute gehalten hat. Ebenfalls ist er der erste, der das Wohltätigkeitsmotiv in die Geschichte einfließen lässt. So heißt es: „Nie ließ er es zu, dass einer Frau ein Unrecht getan wurde, noch beraubte er die Armen, sondern macht sie reich durch das, was er den Äbten genommen hatte“ (zitiert nach: Johnston, Andrew James, Robin Hood. Geschichte einer Legende, München 2013, S. 78). In London entwickelten sich zu dieser Zeit Theater wie das William Shakespeares (1564-1616), die den Gesetzlosen für sich entdeckten. Damit schritt auch die gentrification des Helden voran. So machte der Dramatiker Anthony Munday (1560-1633) Robin in seinem Stück The Downfall of Robert, Earle of Huntington kurzerhand zum Earl (entspricht einem Grafen), der seinen Titel durch hinterlistige Machenschaften seiner Feinde verloren hatte. Deshalb verfolgt Robin in dem Stück das Ziel, wieder in die Gesellschaft der Adligen zurückkehren zu können. So hatte die Legende etwa bis zum Jahre 1600 ihre Grundstrukturen und die auch heute noch bekannten Elemente ausgebildet.

Also war Robin Hood in rund 250 Jahren seit der Mitte des 13. Jahrhunderts vom einfachen Gesetzlosen zum gefallenen Adligen aufgestiegen. Während zunächst nur einige der heute im Zusammenhang mit ihm stehenden Motive wie beispielsweise der Wald, Pfeil und Bogen oder der Sheriff von Nottingham in der Geschichte auftauchten, wurde die Legende nach und nach durch weitere Aspekte bereichert, die es ermöglichten, sie für ein breiteres Publikum attraktiv zu machen. Durch alle Jahrhunderte seit ihrer Entstehung hinweg wurde sie vielfältig rezipiert und weiterentwickelt und so zählen Robin Hood und seine Gefährten um Little John und Friar Tuck heute wohl, neben Figuren wie König Artus, zu den bekanntesten Gestalten englischer Legenden.

Zum Weiterlesen:

Johnston, Andrew James, Robin Hood. Geschichte einer Legende, München 2013.

2 Kommentare:

  1. Sehr schöner Artikel. Informativ und ein sehr angenehm zu lesender Stil.
    Bitte mehr davon!

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    1. Es freut micht, dass dir der Artikel gefällt! Wir versuchen, jeden Sonntag einen neuen Artikel online zu stellen :-)

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