Der
erste Teil der kurz!-Reihe über Jeanne d’Arc, auch bekannt als
„Jungfrau von Orléans“, beschäftigte sich mit Jeannes Herkunft, ihrem Aufstieg
und ihrer Gefangennahme durch burgundische Truppen in Compiègne am 23. Mai
1430. Weder von Seiten des französischen Hofes, dem Jeanne doch in der
Vergangenheit gute Dienste erwiesen hatte, noch von der Stadt Compiègne, der
sie zu Hilfe geeilt war, sind Bemühungen überliefert, die Jungfrau aus der
Gefangenschaft zu befreien oder freizukaufen. Dies lässt sich unter anderem dadurch
erklären, dass es wohl bereits vor ihrer Gefangennahme einige Vorbehalte und
Zweifel an ihrem göttlichen Auftrag bei Hof, im Adel und der Bevölkerung gegeben
hatte, die nun offen zu Tage traten.
Neben
Burgunds Verbündetem England bemühte sich auch die Pariser Universität, die für
Inquisitionsprozesse zuständig war, eine Auslieferung der Jungfrau zu erwirken,
um sie wegen Ketzerei vor Gericht stellen zu können. Während ihrer
Gefangenschaft unternahm Jeanne d’Arc mehrere Fluchtversuche, wobei sie sich
bei einem Sprung aus dem Turm, in dem sie festgehalten wurde, schwer verletzte.
Nach monatelangen Verhandlungen mit England und den Inquisitionsbehörden in
Paris, bei denen sich vor allem der Bischof von Beauvais, Pierre Cauchon,
hervortat, wurde Jeanne schließlich gegen Zahlung von 10.000 Francs und unter
der Bedingung, dass sie im Falle eines Freispruchs an den englischen König
überstellt werden sollte, der Universität von Paris für einen Ketzereiprozess
überlassen. Im Dezember 1430 brachte man sie also nach Rouen, wo die
Vorbereitungen für den Prozess begannen. Die Leitung desselben übernahm Pierre
Cauchon.
Ab
Februar 1431 musste die Jungfrau von Orléans sich alleine und ohne rechtlichen
Beistand vor einem Inquisitionsgericht verantworten, das teilweise bis zu 60
Personen umfasste. Dabei trat sie, wie die Prozessakten erkennen lassen, mutig
und selbstbewusst auf, was sich beispielsweise darin äußerte, dass sie Aussagen, vor allem bei Fragen zu den Stimmen
von Heiligen, die sie hörte, verweigerte oder aber Einspruch gegen ihre
Haftbedingungen erhob. Selbst unter Androhung von Folter rückte sie zunächst nicht
von ihren Standpunkten ab. Über drei Monate hinweg wurde Jeanne zu
unterschiedlichen Themen befragt, angefangen bei ihrer Jugend, über
möglicherweise heidnische Bräuche in ihrem Heimatdorf Domrémy, bis hin zu ihrem
Sprung aus dem Burgturm, der als Selbstmordversuch ausgelegt wurde. Auch das
Tragen von Männerkleidung war Gegenstand der Verhandlung, da dies für eine Frau
als Sünde galt. Am Ende der Befragungen wurden zunächst 70 Artikel verfasst,
die Jeanne vorgetragen wurden, und zu denen sie je kurz Stellung nehmen sollte.
In ihnen wird deutlich, dass es das Ziel der Anklage war, Jeanne der Zauberei
zu überführen. Unter anderem warf man ihr vor, in ihrer Heimat Domrémy nachts
regelmäßig einen bestimmten Baum aufgesucht zu haben, „wobei sie vorher und
nachher gewisse Lieder sang und Zauberformeln sprach […]“ (zitiert nach: Krumeich, Jeanne d'Arc, S. 96). Nachdem die Angeklagte sich zu den Vorwürfen
geäußert hatte, wurden die 70 Artikel auf zwölf Anklagepunkte reduziert, die
anschließend der Pariser Universität zur Überprüfung vorgelegt wurden. Im
gesamten Prozess zeigte die Jungfrau, wie aus den Akten hervorgeht, ein für ein
lothringisches Bauernmädchen ungewöhnliches Maß an Eloquenz, Überzeugungskraft
und Klugheit sowie ihre starke Überzeugung, einem göttlichen Auftrag gefolgt zu
sein. Auch zweifelte sie immer wieder die Autorität des Gerichtes an.
Beispielsweise antwortete sie auf die Frage, ob es nicht unrecht gewesen sei,
Paris an einem hohen Feiertag anzugreifen: „Wenn ich eine Todsünde begangen habe,
so ist es an Gott, darüber zu befinden, und an mir, mich Gott und einem
Priester in der Beichte anzuvertrauen.“ (zitiert nach Krumeich, Gerd,
Verdammung und Rehabilitierung von Jeanne d’Arc (1431/1456), S. 152).
Mitte
Mai traf das Gutachten der Universität Paris schließlich ein, in dem der
Jungfrau vorgeworfen wurde, einen falschen Glauben zu vertreten. Jeanne
forderte nun einen Schiedsspruch des Papstes in ihrer Angelegenheit, was
durchaus rechtens war. Dieser wurde ihr jedoch verweigert, was später im
Revisionsverfahren als wichtiger Verfahrensfehler aufgefasst wurde. Als dann
das Verdammungsurteil verlesen wurde, widerrief Jeanne alles und unterwarf
sich, aus Furcht vor dem Scheiterhaufen, der Kirche, sodass sie lediglich zu
lebenslänglicher Kerkerhaft verurteilt wurde. Diese sollte sie eigentlich in
kirchlicher Obhut verbringen, da sie ja von einem kirchlichen Gericht
verurteilt worden war. Stattdessen brachte man sie jedoch in ein von englischen
Soldaten bewachtes Gefängnis. Dort legte sie nach wenigen Tagen erneut
Männerkleidung an, was den Vorwurf des Rückfalls in die Ketzerei zur Folge
hatte. Heute geht man davon aus, dass Jeanne sich so verhielt, um
Vergewaltigungsversuchen durch englische Wachen zu entgehen oder aber, weil man,
um eine Rückfälligkeit zu provozieren, ihre Frauenkleidung versteckt und ihr
nur Männerkleidung gegeben hatte. Außerdem nahm sie ihren wenige Tage zuvor
geäußerten Widerruf zurück und wurde nun als rückfällige Ketzerin zum Tode
verurteilt. Jeanne selbst gab an, Gott habe ihr durch ihre Stimmen mitteilen
lassen, dass ihr die ewige Verdammnis drohe, sollte sie ihrer bisherigen
Position abschwören, um ihr eigenes Leben zu retten. Zudem sei sie nur aus
Furcht vor dem Feuer, das sie im Falle einer Verurteilung erwarte, von ihren
Aussagen abgerückt. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung am 30. Mai 1431
wurde die Verurteilte auf dem bereits vorbereiteten Scheiterhaufen verbrannt.
Ihre letzten Schreie sollen, wie Augenzeugen später angaben, Gott, Jesus und
den Heiligen gegolten haben. Die meisten Berichte zu Jeannes Verbrennung sind
jedoch derart von Elementen des Mythos um ihre Person durchdrungen, dass heute
nicht mehr eindeutig auszumachen ist, was wahr und was später hinzugefügte
Fiktion ist.
(Jeanne d’Arcs Tod
auf dem Scheiterhaufen, Historiengemälde von Hermann
Stilke, 1843,
http://de.wikipedia.org/wiki/Jeanne_d%E2%80%99Arc#/media/File:Stilke_Hermann_Anton_-_Joan_of_Arc%27s_Death_at_the_Stake.jpg)
Durch
die Verurteilung und Hinrichtung Jeanne d’Arcs wurde jedoch die Legitimität
Charles VII. in Frage gestellt, da dieser seine Krönung nun einer verurteilten
Ketzerin verdankte. Um diesen Makel ein für alle Mal zu beseitigen strebte er
seit 1450 einen Prozess zur Rehabilitierung der Jungfrau von Orléans an. Im
Vorfeld des Revisionsprozesses wurden einige der 20 Jahre zuvor am Prozess
Beteiligten befragt, die beinahe alle versicherten, nur aus Angst vor den
Engländern einer Verurteilung zugestimmt zu haben. Die Aussagen dieser Zeugen
zeichnen das Bild eines einfachen Bauernmädchens, das Stimmen hörte, die ihm
den göttlichen Auftrag gaben, Charles VII. zur Salbung zu verhelfen. So wurde
das Urteil von 1431 nach langer Vorbereitung und vielen Befragungen
unterschiedlicher Zeitgenossen in einem Revisionsprozess 1455/56 für ungültig
erklärt und Jeanne d’Arc rehabilitiert. Der Wahrheitsgehalt der in diesem
Prozess gemachten Aussagen ist schwer zu beurteilen, da sie teils aus
Gefälligkeit, teils aus Furcht gemacht worden und oft von kollektiver
Erinnerung durchdrungen waren.
Mag
uns der Prozess gegen die Jungfrau von Orléans heute ungerecht und
voreingenommen erscheinen, so kann man Jeanne doch einen gewissen Hochmut und
herrisches Auftreten vorwerfen, welche sie bereits vor dem Prozess an den Tag gelegt
hatte. Dies wurde nicht nur auf englischer Seite so empfunden, sondern auch im
Lager Charles‘ VII. wurde Kritik an ihr laut. Sie „habe keinen Rat mehr
annehmen wollen und nur ihrem eigenen Willen gehorcht […]“, zudem sei sie
hochmütig geworden und „habe sich in teure Gewänder gehüllt […] und nur ihrem
eigenen Wille gehorcht“ (zitiert nach: Krumeich, Verdammung und Rehabilitierung von Jeanne d'Arc (1431/1456), S. 164), wie der
Erzbischof von Reims kurz nach ihrer Verhaftung äußerte. So bleibt die Frage
offen, ob im Kontext der Zeit und der Umstände das Vorgehen der Gegner Jeannes
wirklich als so verbrecherisch und ungerecht anzusehen ist, wie die Forschung
und die kollektive Erinnerung es vermitteln.
Jeanne
wurde nicht nur zu Lebzeiten, sondern, wie man am Revisionsprozess sieht, auch
darüber hinaus zu politischen Zwecken instrumentalisiert. Bis heute haben sich
verschiedene Gruppierungen die französische Nationalheldin zu eigen gemacht, um
teilweise entgegengesetzte Ansichten und Ziele zu vertreten. Um diese
Instrumentalisierung Jeanne d’Arcs soll es im dritten Teil der kurz!-Reihe
gehen.
Literatur:
Krumeich,
Gerd, Jeanne d’Arc. Die Geschichte der Jungfrau von Orleans, München 2006, 2.
Auflage.
Krumeich,
Gerd, Verdammung und Rehabilitierung von Jeanne d’Arc (1431/1456). Der Prozeß
und seine Wirkungsgeschichte, in: Macht und Recht. Große Prozesse in der
Geschichte, hg. v. Alexander Demandt, München 1990, S. 148-165.
Scheffel,
Helmut, Vom Schlachtfeld zur Scheiterhaufen. Der Prozess der Jeanne d’Arc, in:
Große Prozesse. Recht und Gerechtigkeit in der Geschichte, hg. v. Uwe Schultz,
München 1996, S. 103-113.
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