Sonntag, 4. September 2016

Friedrich I. und die Päpste: Teil III – Der Hoftag von Besançon

In den letzten beiden Artikeln dieser kurz!-Reihe ging es um die Vorbereitungen die Durchfürgung der Kaiserkrönung Friedrich I. Barbarossas in Rom durch Papst Hadrian IV. im Jahre 1155. Bereits beim ersten Zusammentreffen zwischen dem römisch-deutschen König und dem Papst waren Spannungen offen zutage getreten, die sich im Laufe des Italienzuges Barbarossas noch ausweiteten. Der frisch gekrönte Kaiser hatte Italien auf Druck seiner Großen und aufgrund von Krankheiten und Hitze, die seinem Heer zu schaffen machten, wieder verlassen müssen, ohne die von ihm im Konstanzer Vertrag (1153) gemachten Zusagen einhalten zu können. Daraufhin hatte der Papst sich den mit dem römisch-deutschen Reich verfeindeten Normannen auf Sizilien zugewandt und mit ihnen den sogenannten Vertrag von Benevent (1156) geschlossen (mehr über darüber erfahrt ihr in Teil I und Teil II unserer Reihe).

Bald nach dem Vertragsschluss von Benevent erreichte der Konflikt zwischen Friedrich I. Barbarossa und Hadrian IV. eine neue Eskalationsstufe. Der Kaiser hielt im Oktober 1157 einen Hoftag in der ostfranzösischen Stadt Besançon ab, zu dem auch Gesandte des Papstes erschienen waren. Einer der Gesandten war der päpstliche Kanzler Roland von San Marco, der später zu einer führenden Figur im Schisma werden sollte. Zunächst wurde die Gesandtschaft durch den Kaiser ehrenvoll empfangen. Auffällig sei laut Rahewin (gestorben vor 1177), einem zeitgenössischen Biografen Barbarossas, bei dieser Begegnung bereits die Begrüßung der Kardinäle gewesen: Sie hätten den Kaiser unüblicherweise als ihren „Bruder“ bezeichnet, was bei diesem offenbar auf Befremden gestoßen sei.  Anschließend übergaben die Gesandten dem Kaiser einen Brief, der unter anderem einen Satz darüber enthielt, dass der Papst dem Kaiser beneficia verliehen habe. Als Barbarossas Kanzler Rainald von Dassel den Brief übersetzt hatte, waren die Anwesenden aufgebracht. Zum einen war der Brief sehr scharf formuliert, zum anderen sorgte die genannte Passage für Verärgerung, weil Rainald von Dassel als Übersetzung des Wortes beneficium das Wort „Lehen“ gewählt hatte. Die Entrüstung unter den Fürsten wurde noch dadurch verstärkt, dass man in Rom behauptete, der Kaiser habe das Königtum über Italien als Schenkung des Papstes erhalten.
Diese Silberbüste zeigt Rainald von Dassel, Kanzler Friedrich I. Barbarossas und Erzbischöf von Köln, Kölner Dom, https://www.britannica.com/biography/Rainald-of-Dassel
Obwohl die Anwesenden bereits über das Verlesene aufgebracht gewesen waren, soll einer der Legaten zusätzlich gesagt haben: A quo ergo habet, si a domno papa non habet imperium? (Von wem aber soll er sie [die Macht] haben, wenn er die Macht nicht vom Herrn Papst hat?) , was die ohnehin aufgeheizte Situation noch verschärfte. Friedrich I. Barbarossa gelang es zwar, die Stimmung zu beruhigen und zu verhindern, dass einer der Großen, Otto von Wittelsbach (um 1117-1183), vor Wut Hand gegen einen der Legaten erhob, doch wurden diese trotzdem unverzüglich und ohne die üblichen Ehrerbietungen nach Hause geschickt.
Daraufhin veröffentlichte der Kaiser die Geschehnisse in einem Brief, in dem er den beiden Legaten schwere Vorwürfe machte. Er stellte darin außerdem klar, dass er die Kaiserkrone allein durch die Wahl der Fürsten und damit von Gott empfangen habe und lehnte jegliche Behauptungen ab, dass das Kaisertum ein Lehen des Papstes sei. 
Bei ihrer Rückkehr berichteten die päpstlichen Legaten dem Papst von ihrer Reise und den Vorfällen. Laut Rahewin spaltete sich der römische Klerus in dieser Angelegenheit in zwei Parteien: Eine gab dem Kaiser Recht, eine dem Papst. Auch der Papst reagierte auf die Ereignisse mit einem Brief, den er an die Erzbischöfe und Bischöfe richtete. Darin rief er sie dazu auf, sich auf die Seite der Kirche zu stellen, den König zur Vernunft zu bringen und sich für eine Bestrafung des Kanzlers Rainald von Dassel und Ottos von Wittelsbach einzusetzen. Die Bischöfe des römisch-deutschen Reiches schlugen sich jedoch auf die Seite des Kaisers, sodass der Papst zurückrudern musste und in einem weiteren Schreiben klarstellte, dass mit beneficium keinesfalls das „Lehen“, sondern viel eher die „Wohltat“ gemeint sei.
Im Rahmen der beschriebenen Ereignisse war ein Streitpunkt zwischen Kaiser und Papst ganz offen zutage getreten: die unterschiedlichen Auffassungen der beiden Seiten über den Ursprung der kaiserlichen Gewalt. Während Barbarossa Kaiser und Papst als gleichrangig betrachtete, schien das für Hadrian IV. nicht zu gelten. Wie bereits in Sutri angeklungen war, fürchtete der römisch-deutsche Kaiser untergeordnet zu werden. Dass es diesen Konflikt zwischen den beiden Mächten gab, war nicht neu, allerdings fand die Auseinandersetzung darüber in diesem Zusammenhang erstmals öffentlich statt.
Fraglich ist nun, wo der Ursprung des Eklats zu suchen ist. Handelte es sich erneut, wie in Sutri, um ein Missverständnis durch eine fehlerhafte Übersetzung? Hatte der Papst absichtlich das doppeldeutige Wort beneficium verwendet? Oder lag die Schuld bei Rainald von Dassel, der bewusst die provokanteste Übersetzung gewählt hatte? Dazu stellt sich die Frage, welchen Nutzen die einzelnen Akteure, allen voran der kaiserliche Kanzler und der Papst von einer derartigen Provokation gehabt hätten.
Möglicherweise hatte Hadrian IV. absichtlich einen zweideutigen Begriff gewählt, um Kaiser und Kirchenfürsten auseinanderzubringen oder um die Grenzen des Kaisers und die Loyalität seiner Bischöfe auszuloten. Falls der Papst dies im Sinne hatte, so war er damit gescheitert: Es war ihm nicht gelungen, die deutschen Bischöfe für sich zu gewinnen, weshalb er, wie oben beschrieben, die Formulierung in seinem Brief im Nachhinein entschärfen und erklären musste.
Der zweite wichtige Akteur am Hoftag von Besançon war des Kaisers Kanzler Rainald von Dassel. Diesem wird häufig eine absichtliche Übersetzung von beneficia mit „Lehen“ zugeschrieben. Ein klares Motiv dafür ist jedoch nicht eindeutig auszumachen. Generell ist im Nachhinein nicht mehr zu klären, ob Rainald von Dassel absichtlich die Bedeutung „Lehen“ wählte, oder nicht. Allein die Tatsache, dass die Anwesenden diese Interpretation des Wortes beneficium in einem Schreiben des Papstes für möglich hielten, zeigt aber schon deutlich, dass derartige päpstliche Ansichten über das Kaisertum nicht abwegig erschienen und auch öffentlich bekannt waren.
Das Vertrauen war nach diesen Ereignissen auf beiden Seiten tief erschüttert, die Fronten unter den Kardinälen zwischen einer kaiserfreundlichen und einer kaiserfeindlichen Partei zunehmend verhärtet. Als Barbarossa sich im kommenden Jahr (1158) wieder nach Italien aufmachte, um sich mit den aufständischen norditalienischen Städten zu befassen (mehr dazu gibt es hier) schienen die Differenzen bereits unüberwindbar. Wie diese Situation zum endgültigen Bruch zwischen  Friedrich I. Barbarossa und Hadrian IV. führte, dass erfahrt ihr im nächsten Teil unserer kurz!-Reihe.

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