In
der Geschichte waren es häufig Zufälle oder unübliche Vorgehensweisen in
Krisen- und Notsituationen, die Entdeckungen und Fortschritte im Bereich der
Medizin nach sich zogen. In unserem heutigen Artikel soll es um den
französischen Chirurgen Ambroise Paré (um 1510-1590) gehen, der – auf den
Schlachtfeldern seiner Zeit tätig – zahlreiche medizinische Methoden
revolutionierte, neue chirurgische Instrumente erfand und durch sein Können und
seine Einfälle schließlich zum Hofchirurgen mehrerer Könige aufstieg.
Ambroise Paré, Porträt aus Deux livres de chirurgie (1573)
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c7/Ambroise_Par%C3%A9_1573.jpg
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Ambroise
Paré wurde um 1510 im kleinen Ort Bourg-Hersent geboren, der heute zur
westfranzösischen Stadt Laval im Département Mayenne gehört. Hier arbeitete er
zunächst als Küchenjunge, dann als Gehilfe des ortsansässigen Barbiers, später
wiederum als Gehilfe bei einem Barbier in Angers und schließlich in Vitré bei
seinem Bruder, der dort bereits als barbier-chirurgien
tätig war. Im Jahr 1533 ging Paré schließlich nach Paris, um dort bis 1536 im
Hôtel de Dieu, dem ältesten und einzigen Hospital Paris’, eine Ausbildung zum barbier-chirurgien-Gesellen zu machen und seine anatomischen
Kenntnisse zu erweitern. Der im
deutschen Sprachgebrauch nicht verwendete Begriff barbier-chirurgien bezeichnete vermutlich eine Erweiterung des Barbier-
oder Bader-Berufes. Zu deren Aufgaben zählte die medizinische Versorgung armer
und kranker Leute oder die Unterstützung akademisch gebildeter Ärzte. Neben der
Körperpflege widmeten sich die Bader und Barbiere in Ansätzen der Chirurgie,
der Zahnmedizin sowie der Augenheilkunde. Auch behandelten sie offene Wunden
und führten den Aderlass durch. Ihre Tätigkeit wurde dabei wissenschaftlich
nicht anerkannt, weshalb sie in manchen Städten zu den unehrlichen Berufen
gezählt wurden und Bader beispielsweise keine Zunft gründen durften.
Nach
dem Abschluss seiner Ausbildung wurde Paré von Baron und Generalleutnant der
Infanterie René de Montjean in Dienst genommen, der ihn mit nach Italien nahm,
wo 1537 der achte Italienkrieg zwischen Frankreich und Italien tobte. In diesem
Zusammenhang besuchte Paré erstmals Schlachtfelder, beobachtete die Arten der
Verletzungen und half selbst, Verwundete zu behandeln.
Kriegsverletzungen,
festgehalten in seinen Opera Chirurgica (1594)
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/3b/Wounds_Man.jpg
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Dabei
konnte er durchsetzen, dass Schussverletzungen nicht mehr äußerst schmerzhaft
mit siedendem Öl oder einem glühenden Eisen kauterisiert, das heißt durch Hitze
oder Chemikalien zerstört oder verätzt wurden, da er bewies, dass die
eingetretene Kugel und Reste von Schießpulver den Verletzten nicht – wie zuvor
angenommen – von innen vergifteten. Stattdessen entwickelte er ein Gemisch aus
Terpentin, Rosenöl und Eigelb zum Spülen der Wunde, welches außerdem den
Heilungsprozess förderte. Als de Montjean 1537 starb, ging Paré nach Paris
zurück, wo er um 1540 die Meisterprüfung zum maître barbier-chirurgien ablegte und sich 1541 vermählte.
Die
folgenden Jahre verbrachte Paré dann in wechselnden Dienstverhältnissen bei
hochrangigen Persönlichkeiten, wie dem Vicomte René de Rohan, an verschiedenen
europäischen Kriegsschauplätzen, beispielsweise in Spanien, in der Bretagne und
in Metz, wo er sich vor allem um die medizinische Versorgung im Kampf
verletzter Soldaten kümmerte und neue Techniken erproben konnte. Im Gefolge der
französischen Armee erlebte er aber auch Belagerungen und geriet 1553 sogar
einmal kurz in Gefangenschaft. Zu seinen medizinischen Erkenntnissen der Zeit
zählte unter anderem die Feststellung, dass sich eine Kugel leichter aus dem
menschlichen Körper entfernen lasse, wenn man diesen zurück in die Position
bringe, in der er sich befunden hatte, als die Kugel eintrat. Weiterhin wurde
er mit vielen Kriegsverletzungen konfrontiert, die eine Amputation notwendig
machten, um das Überleben der Verletzten zu sichern. Paré verhalf der Methode
der Ligatur zum Durchbruch, die zwar schon Jahrhunderte zuvor beschrieben und
wohl auch durchgeführt worden war, sich gegenüber der Kauterisation aber nicht
hatte durchsetzen können. Nun jedoch wurden bei Gefäßverletzungen und nötigen Amputationen
die Arterien zumeist mit einem Faden verschlossen und so das Verbluten des
Verletzten verhindert. Darüber hinaus entwickelte Paré zuvor nie dagewesene –
zum Teil auch bewegliche – Prothesen, die ein ihm bekannter Schmied nach seinen
Zeichnungen anfertigte. In seinen Entwürfen finden sich zum Beispiel
Überlegungen für künstliche Nasen aus Metall, Ersatzzähne aus Elfenbein, Korsetts
zur Behandlung von Rückgratverkrümmungen sowie künstliche Hände und Beine.
Entwurf einer
künstlichen Hand von Paré (1585)
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4e/Pare_artificial_hand.jpg?uselang=fr
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Entwurf einer
Beinprothese von Paré (1575)
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/32/Views_of_a_prosthetic_leg_in_1575.jpg
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Aufgrund
seiner Erfolge konnte Paré mit der Zeit ein gewisses Renommee für sich
beanspruchen, da viele seiner Patienten überlebten und genasen, obwohl sie im
Vorfeld schwerste Verletzungen erlitten hatten. Deshalb ließen sich nun auch vermehrt
Generäle von ihm behandeln, obwohl er über keine akademische Ausbildung
verfügte. Er selbst handelte dabei stets nach dem bescheidenen Motto „Je le pansay, Dieu le guarist.“ („Ich
verbinde ihn, Gott heilt ihn.“).
Ab
1552 stand er bei Antoine de Bourbon (1518-1562) in Dienst, der als Herzog von
Vendôme und erster Prinz von Geblüt vermutlich auch den Kontakt zum
französischen König Heinrich II. (1519-1559) herstellte. Denn noch im gleichen
Jahr wurde Paré von diesem zum Chirurgen des Königs (chirurgien du roi) ernannt, wodurch er nun auch für die Behandlung
des höchsten Mannes im Staat verantwortlich war. Zwei Jahre später wurde er auf
Betreiben Heinrichs sogar unter dem Titel eines maître en chirurgie in das Collège de Saint Côme et de Saint-Damien
aufgenommen, das seit dem 13. Jahrhundert die erste professionelle Vereinigung
französischer, akademisch geschulter Chirurgen war. Die Aufnahme Parés in
diese elitäre Gemeinschaft stellte folglich einen großen Gunstbeweis des Königs
dar und wurde von den Mitgliedern nur widerwillig akzeptiert. Paré traf es
daher besonders, dass er Heinrich II. 1559 nicht retten konnte, als dieser im
Verlauf eines Turniers von einer Lanze, die durch sein Auge gedrungen war,
tödlich am Gehirn verletzt worden war. Die nachfolgenden Könige Franz II.
(1544-1560), Karl IX. (1550-1574) und Heinrich III. (1551-1589) hielten dennoch
an Paré fest, vertrauten auf sein Wissen und sein Können und machten ihn zu
ihrem ersten Chirurgen am Hofe. Einen höheren Aufstieg hätte es für ihn nicht
geben können. Er versorgte dennoch auch weiterhin die Verwundeten zahlreicher
Schlachten und nahm unter anderem im Rahmen der Hugenottenkriege (1562-1598)
bis mindestens 1570 an mehreren Feldzügen der französischen Armee teil.
Wenn
er nicht unterwegs war, beschäftige er sich mit der Verschriftlichung der von
ihm gemachten Erfahrungen und trug seine Erkenntnisse in zahlreichen Schriften
zusammen, von denen die erste bereits 1545 erschien. Da Paré weder Latein noch
Griechisch beherrschte, verfasste er seine Werke in einfachem Französisch,
weshalb noch heute einige Begriffe in der modernen französischen Chirurgie direkt
auf seine Werke zurückzuführen sind. Unter seinen zahlreichen
Veröffentlichungen finden sich Studien zur Versorgung von Schussverletzungen,
ein Werk zur Behandlung der Pest, Überlegungen zur Konservierung von Leichen
sowie die bereits 1550 erschienene Anatomie
universelle du corps humain, also eine Universalanatomie des menschlichen
Körpers. Seine Publikationen erwiesen sich auch über seinen Tod hinaus als
extrem erfolgreich und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.
Paré starb am 20.
Dezember 1590 in Paris, wo er mit großen Ehren beigesetzt wurde. Noch heute
wird ihm in Frankreich als Vater der Chirurgie gedacht.
Zum Weiterlesen:
Delacomptée, Jean-Michel:
Ambroise Paré. La main savante, Paris 2007.
Dumaître, Paule: Ambroise
Paré, chirurgien de quatre rois de France, Paris 1986.
Eckart, Wolfgang U.: Geschichte der Medizin, 2. Aufl.,
Berlin 1994.
Massard, Joseph Albert: Damvillers, Mansfeld und Sohn.
Ambroise Paré, der Vater der Chirurgie, und Luxemburg, in: Lëtzebuerger Journal
74 (2007), S. 11–12.
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