"Bei uns ist Johannes Corputius ein
Niederländer. […] Er ist ein Mann, der offenbar mit einem sehr reichen
Verstande ausgestattet ist. Äußerst erfahren in der griechischen, lateinischen,
französischen und deutschen Sprache, sowie in vielen Disziplinen, ist er ebenso
ein hervorragender Mathematiker, ein beachtlicher Dichter und ein vorzüglicher
Musiker. Neben diesen Fertigkeiten hat er eine nicht geringe Erfahrung im
Stechen, sowie die Übung, in Kupfer zu gravieren oder zu zeichnen, und zwar so,
daß er es versteht, Landschaften, Städte, Festungen und Burgen aufs genaueste
zu kartieren und kunstgerecht durch Zeichnen oder Stechen wiederzugeben."
1570 listete der Rechtsgelehrte und
Professor für Rhetorik an der Straßburger Universität, Hugo Blotius, eine Reihe
von Eigenschaften und Fertigkeiten des Corputius auf, der sich zu diesem
Zeitpunkt als Student in Straßburg immatrikulierte. Demnach spreche der
Niederländer eine große Anzahl an Sprachen und beherrsche die Kunst der
Kartographie und der Vermessungstechnik. Wer ist dieser junge Mann namens
Johannes Corputius und wo erlernte er seine vielen Kenntnisse, die an die
Fähigkeiten eines Universalgelehrten erinnern? Was waren wichtige Stationen in
seinem Leben und wie vollzog sich seine Entwicklung von einem wissbegierigen
Studenten hin zum Hauptmann niederländischer Truppen im Unabhängigkeitskrieg
gegen die Weltmacht Spanien im 16. Jahrhundert?
Portrait des Johannes Corputius auf dem Duisburger Stadtplan von 1566 / Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/77/JohannesCorputius.png |
Im April 1542 wurde Johann van de
Corput als fünftes Kind in der kleinen Stadt Breda in der niederländischen Provinz
Nordbrabant geboren. Der genaue Geburtstag ist nahezu unmöglich zu datieren, da
die Taufbücher von Breda erst 1582 beginnen. Sein Vater, der ebenfalls Johann
hieß, war als Gerichtsschreiber und Sekretär der Stadt tätig, bis er 1560 sogar
für ein Jahr lang das Amt des Bürgermeisters innehatte. Der finanzielle
Wohlstand der Familie ermöglichte es dem jungen Corput, sich 1558 für ein Studium
in Löwen einzuschreiben, wo er seinen Namen zeitgemäß in Johannes Corputius
latinisierte. Nach seinem vierjährigen Studium in der Universitätsstadt zog es
ihn nach Westen, in die Herrschaft des Herzogs Wilhelm V. von
Kleve-Jülich-Berg. In Duisburg wollte der niederländische Student sein Wissen
erweitern, denn seit 1559 existierte in der Stadt nahe dem Rhein ein
Akademisches Gymnasium. Dort dozierten namhafte Professoren und Lehrer im Sinne
einer Artistenfakultät Fächer wie grammatische Sprachstudien, Philosophie oder
Naturwissenschaften. Ein Mann, der am Akademischen Gymnasium lehrte, hatte
Corputius‘ Entscheidung nach Duisburg zu ziehen wahrscheinlich maßgeblich
beeinflusst: Der berühmte Kartograph Gerhard Mercator (1512-1594)
gab persönlich Unterricht am Gymnasium und lehrte die Schüler Mathematik und
Astronomie. 1562 erreichte der Student Duisburg und durfte während seiner
Studienzeit im Haus des Universalgelehrten wohnen. In der mathematischen
Ausbildung verlangte Mercator neben theoretischem Wissen auch praktische
Fertigkeiten. So berichtet Corputius in einem Brief an seine Mutter, dass „Signetten te steken ende ander sons in
coper te graven, behoirt al tot unser kunst van mathematica, dwelck nur een
deel mynder studien is, want wy unse instrumente all self moeten maken.“ („Signetten
zu stechen und anderes Kupfer zu graben, alles zu unserer mathematischen Kunst
gehört, was nur ein Teil meiner Studien ist, denn wir müssen unsere Instrumente
alle selber machen.“) Die Herstellung von Werkzeugen für die Vermessungstechnik,
wie etwa Winkelmessern, war ein grundlegender Teil des Studiums von Corputius,
mit denen er 1566 sein Meisterstück anfertigte: den Duisburger Stadtplan aus
der Vogelperspektive.
Der Duisburger Stadtplan des Johannes Corputius in der Vogelperspektive von 1566 / Quelle: Kultur- und Stadhistorisches Museum Duisburg |
Der Corputiusplan besticht durch seine
sehr genaue Topografie der Stadt Duisburg im 16. Jahrhundert. In der Mitte des gesüdeten
Plans ragt die Salvatorkirche hervor, auf deren Kirchturmspitze Corputius saß,
um von dort Peilmessungen entlang der Stadtmauer zur Grundrissberechnung
anzufertigen. Um die Straßenverläufe darzustellen, schritt der Student die Wege vermutlich mit seinen eigenen Messinstrumenten
ab, was zu einer realitätsnahen Darstellung führte. Die Größe von Duisburg im
Jahr 1566 belief sich wohl auf circa 33ha, weswegen das Stadtgebiet innerhalb
einer halben Stunde durchquert werden konnte. Anhand der farbigen Ausgabe des
Stadtplans ist auch die Detailgenauigkeit bei einzelnen Häusern zu erkennen:
Corputius färbte viele Dächer von Gebäuden in Rot und wenige in Blau. Wegen
einer Verordnung des Stadtrats sollten die Häuser zur Brandbekämpfung mit einem
festen Dach versehen werden. Rote Dächer bestanden dabei aus gebrannten
Ziegeln, eine damals kostengünstige Alternative zur Dachbefestigung. Blaue
Dächer hingegen wiesen auf Schieferdeckungen hin, die sehr aufwendig in der
Herstellung und der Finanzierung waren. In den meisten Fällen besaßen Kirchen,
öffentliche Bauten und Privathäuser reicher Familien Schieferdächer, die
aufgrund des detailgetreuen Stadtplans ermittelt werden können. Im oberen Teil
des Stadtplans befinden sich drei verschiedene Wappen. Links das
herrschaftliche Zeichen des Landesfürsten und Duisburger Stadtherrn Wilhelm V.
von Kleve-Jülich-Berg. In der Mitte sticht das kaiserliche Wappen des Heiligen
Römischen Reiches Deutscher Nation hervor, das zu Zeiten des Corputiusplans
Kaiser Maximilian II. (1527-1576) regierte. Rechts befindet sich das Duisburger
Stadtwappen mit seinem charakteristischen Doppelkopfadler und der abgebildeten
Burg auf rotem Grund. Corputius versah seinen Stadtplan zusätzlich mit einer
ausführlichen Beschreibung, die in der unteren Hälfte der Karte zu sehen ist.
Dort zählte er wichtige Örtlichkeiten in Duisburg wie die Salvatorkirche, das
Kreuzesbrüderkloster oder den Koblenzer Turm auf. Auch auf die lange zurückreichende
Stadtgeschichte ging der Schüler von Mercator ein. So erzählte Corputius von
der Bedeutung Duisburgs als Kaiserpfalz und Tagungsort für Reichsversammlungen
und beschrieb auch die Blütezeit des Handels, bevor sich der Rhein im 13.
Jahrhundert verlagert hatte und die Stadt den Handel hauptsächlich auf dem
Hellweg weiterführen musste. Noch heute wird der Stadtplan bei archäologischen
Ausgrabungen in Duisburg genutzt, da viele Fundamente des 16. Jahrhunderts immer
noch unter der Erde liegen und die Schilderungen des Corputius helfen, die
Bausubstanzen zu erkennen und einzuordnen.
Noch im Jahr der Veröffentlichung des
Stadtplans verließ Johannes Corputius Duisburg und reiste zurück in seine
Heimatstadt Breda. Eine Urkunde vom 13. August 1567 bezeugt, dass sich der
junge Student beim Bürgermeister der Stadt ein Zeugnis ausstellen ließ, das
beweisen sollte, dass er aus einer guten und ehrbaren Familie stammte. Das
Schriftstück diente als Bewerbungsschreiben für ein weiteres Auslandsstudium,
welches Corputius in Griechenland und
Italien absolvieren wollte. Jedoch ist von einem Aufenthalt in diesen Ländern
nichts bekannt, dafür nahm der junge Mann aus Breda bereits im Jahr 1568 aktiv
an einem niederländischen Aufstand gegen die spanisch-katholische Vorherrschaft
teil. Erst 1570 schrieb er sich für ein erneutes Studium an der Straßburger
Universität ein, wobei jedoch seine Motive für die Immatrikulation in den
Quellen nicht deutlich beschrieben werden. Spätestens das Jahr 1580 stellte für
Corputius einen Bruch in seiner studentischen Laufbahn dar, denn von diesem
Zeitpunkt an führte er als Artilleriehauptmann niederländische Söldner im
Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien ins Feld. Die nordöstlich von Amsterdam
gelegene Stadt Steenwijk spielte in seinem Leben gleich zweimal eine bedeutende
Rolle: 1580/81 belagerten Sympathisanten der spanischen Krone Steenwijk und nur
wenige Tage zuvor war der gelehrte Hauptmann für die Garnison der Stadt eingeteilt
und mit der Verteidigung der dortigen Festungsanlage beauftragt worden.
Aufgrund seiner Fertigkeiten als Anführer und des Durchhaltewillens der
Belagerten gelang es Corputius, Steenwijk zu halten und die spanische Übermacht
sogar zurückzudrängen. Doch bereits 1582 eroberten die Spanier die Festung zurück.
Wo sich allerdings der zuvor siegreiche Kommandant zu diesem Zeitpunkt
aufhielt, darüber schweigen die Quellen. Erst 1592 ergab sich die Gelegenheit,
den Kampf um die Stadt erneut auszutragen. Nun befehligte Hauptmann Corputius
die Truppen zur Belagerung der Festung, wobei ihm seine kartographischen
Kenntnisse aus dem Studium und insbesondere die praktische Ausbildung bei
Gerhard Mercator sehr von Nutzen waren. Während der Belagerung fertigte er eine
Übersichtskarte von Steenwijk an, die nicht nur die Festungsanlage detailliert
wiedergab, sondern auch kriegswichtige Handlungen und Ereignisse beinhaltete.
Sein Wissen um Belagerungsmaschinen war entscheidend für die letztendliche
Rückeroberung der Stadt, denn Corputius entwarf eigene Skizzen zu
demontierbaren Belagerungstürmen, welche konkret im Kampf eingesetzt wurden.
Als Johannes Corputius am 17. September
1611 unverheiratet als Hauptmann von Groningen verstarb, war er bis zu seinem
69. Lebensjahr dem Militär verpflichtet gewesen. Sein Werdegang erscheint aus
heutiger Sicht abenteuerlich, sein anfängliches und erfolgreiches Studium in
Löwen und Duisburg mündete in eine militärische Laufbahn, in der ihm seine
Kenntnisse als Gelehrter eine ehrenvolle Karriere als Belagerungstechniker und Kriegskartograph
ermöglichten. In den Niederlanden gedenkt man „Oberst van de Kornput“ heute als
wichtige Figur im Unabhängigkeitskrieg gegen die spanische Fremdherrschaft.
2003 schuf der Künstler Hans Kuyper ein Denkmal für den Hauptmann aus Breda,
welches am Oosterpoort in Steenwijk steht. In Duisburg wird Johannes Corputius
aufgrund seiner Fähigkeiten als Gelehrter und seiner „Topographia Dvisbvrgi“
stets ein Teil der Stadtgeschichte bleiben.
Denkmal von Hauptmann Corputius in Steenwijk (2003) / Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/39/Johan_van_den_Kornput.JPG |
Literatur
zum Weiterlesen:
- Frosien-Leinz, Heike: Der Corputius-Plan: Kommunales Selbstbewusstsein und Werbemittel. Stadtbilder in Mittelalter und früher Neuzeit, in: Kultur- und Stadthistorisches Museum (Hg.): Von Flandern zum Niederrhein. Wirtschaft und Kultur überwinden Grenzen, Duisburg 2000, S. 87-100.
- Mercator-Gesellschaft e.V. (Hg.): Corputius. Der Duisburg-Plan des Johannes Corputius von 1566, Duisburg 2002.
- Milz, Joseph: Geschichte der Stadt Duisburg. Von den Anfängen bis zum Ende des Alten Reiches, Duisburg 2013.
- Postema, Jan P. J.: Johannes Corputius (1542-1611). Kriegsmann, Kartenzeichner, Festungsbauer, in: Duisburger Forschungen (35) 1987, S. 26-50.
* Dieser Artikel stammt von Gastautor Jonas Krüning. Jonas
studiert Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und arbeitet
nebenberuflich als Wissenschaftliche Hilfskraft im Kultur- und Stadthistorischen
Museum Duisburg. Dort beschäftigt er sich insbesondere mit Themen des 16.
Jahrhunderts wie beispielsweise der damaligen Kleidung, Musik und Ernährung.
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