Sebastiano del Piombo - Vittoria Colonna / Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/91/Vittoria_colonna_from_barcelona.jpg |
Vittoria Colonna, marchesa di Pescara, (1490-1547) gilt
als eine der bedeutendsten italienischen Dichterinnen der ersten Hälfte des 16.
Jahrhunderts, wovon nicht zuletzt die ihr gewidmeten Verse aus Ludovico Ariosts
berühmtem Orlando Furioso („Der
rasende Roland“) zeugen:
e dà tal forza all’alte sue parole,
ch’orna a’ dì nostri il ciel d’un altro sole.
Vittoria è ’l nome; […]
[und sie gibt ihren Worten eine solche Kraft,
dass sie unserer Tage den Himmel mit einer zweiten Sonne
schmückt.
Vittoria ist ihr Name…]
(Ludovico Ariosto, Orlando
Furioso, XXXVII, 15-18.)
Im Laufe ihres Lebens wurde
Vittoria Zeugin der politischen Auseinandersetzungen im kriegsgebeutelten
Italien, das als Schlachtfeld zwischen der französischen und spanischen Krone
Verwüstung und Tod erlebte. Als Mitglied der römischen Adelsfamilie Colonna
erlebte Vittoria die Folgen dieser Auseinandersetzungen aus nächster Nähe: Durch
eine arrangierte Heirat aus politischen Motiven kam sie an den aragonesischen
Hof der Familie d’Avalos auf Ischia. Früh jedoch wurde sie Witwe, weil ihr
Ehemann im Feldzug gegen den französischen König François I. (1494-1547) fiel. Nach
dem Tod ihres Gatten wandte sich Vittoria immer mehr der Spiritualität zu und beteiligte
sich an den religiösen und reformatorischen Bewegungen in Italien. So
verteidigte sie den neu gegründeten Kapuziner-Orden, folgte dem Prediger
Bernardino Ochino (1474-1564), der später vor der Inquisition in die Schweiz
fliehen musste, und beteiligte sich an der sogenannten Ecclesia viterbensis, einer Gruppe von Kardinälen, Theologen und Intellektuellen,
die zu Beginn der 1540er Jahre über eine Reform der Kirche diskutierten.
Heute jedoch ist Vittoria Colonna eher eine Unbekannte, nicht nur für deutschsprachige Leser, sondern trotz großer Bemühungen seitens der italienischen Kulturwissenschaften auch immer noch in Italien. Dem will dieser Beitrag entgegenwirken und Interesse wecken, das Leben und Werk der Vittoria Colonna zu entdecken.
Heute jedoch ist Vittoria Colonna eher eine Unbekannte, nicht nur für deutschsprachige Leser, sondern trotz großer Bemühungen seitens der italienischen Kulturwissenschaften auch immer noch in Italien. Dem will dieser Beitrag entgegenwirken und Interesse wecken, das Leben und Werk der Vittoria Colonna zu entdecken.
Geboren wurde die zukünftige marchesa di Pescara 1490 in Marino,
einer Kleinstadt in der Nähe von Rom und Sitz der mächtigen römischen Adelsfamilie
Colonna, deren allmählichen Verfall Vittoria jedoch im Laufe ihres Lebens
mitansehen musste. Ihr Vater, Fabrizio Colonna (1450-1520), der als Oberhaupt
der Familie an der Eroberung Neapels durch Kaiser Karl V. (1500-1558) teilnahm,
wollte die Verbindung zwischen den Colonnas und der spanischen Krone nun durch
eine Heirat gefestigt wissen, weswegen Vittoria im Alter von nur sieben Jahren
mit Ferrante Francesco d’Avalos (1490-1525) verlobt wurde. Zwölf Jahre später
im Jahre 1509 erfolgten schließlich die Vermählung und der Umzug Vittorias nach
Ischia im Golf von Neapel. Möchte man ihren Versen Glauben schenken, so war die
Beziehung zwischen ihr und Ferrante glücklich, trotz mancher Affäre Ferrantes,
über die sie in ihrer Dichtung allerdings kein Wort verliert. Doch dieses
vermeintliche Glück hielt nicht lange an.
Denn 1511 gründete Papst Julius II. (1503-1513) ein Bündnis gegen die Franzosen, dem sich auch die neapolitanische Krone und Vittorias Vater Fabrizio anschlossen. Dieser gelangte jedoch zusammen mit Vittorias Ehemann Ferrante in der Schlacht von Ravenna 1512 in Kriegsgefangenschaft. Aus diesem Anlass verfasste Vittoria die ersten uns erhaltenen Verse: In der sogenannten Epistola, einem Brief in Versform an den gefangenen Ehemann, der sehr von klassischen Texten, allen voran Ovids Heroiden-Briefen, beeinflusst ist, beklagt Vittoria die Trennung von ihrem geliebten Gatten.
Denn 1511 gründete Papst Julius II. (1503-1513) ein Bündnis gegen die Franzosen, dem sich auch die neapolitanische Krone und Vittorias Vater Fabrizio anschlossen. Dieser gelangte jedoch zusammen mit Vittorias Ehemann Ferrante in der Schlacht von Ravenna 1512 in Kriegsgefangenschaft. Aus diesem Anlass verfasste Vittoria die ersten uns erhaltenen Verse: In der sogenannten Epistola, einem Brief in Versform an den gefangenen Ehemann, der sehr von klassischen Texten, allen voran Ovids Heroiden-Briefen, beeinflusst ist, beklagt Vittoria die Trennung von ihrem geliebten Gatten.
Seguir si deve il sposo e dentro e fora,
e, s'egli pate affanno, ella patisca,
se lieto, lieta; e se vi more, mora.
[Folgen muss man dem Gatten überall:
und wenn er Angst leidet, so soll auch sie leiden,
ist er glücklich, so soll auch sie es sein; und stirbt,
so soll auch sie sterben.]
Diese Verse zeigen deutlich,
wie sehr Vittoria das zeitgenössische Ideal der treuen Ehefrau anstrebte. Oft wurde
und wird ihr daher von modernen Lesern vorgeworfen, zu konventionell gewesen zu
sein. Festzuhalten ist aber in jedem Fall, dass es Vittorias Verdienst war, im
männlich dominierten Literatur- und Kulturbetrieb ihrer Epoche eine weibliche
Stimme mit großem Erfolg zu Gehör zu bringen. Damit bereitete sie den Weg für
zahlreiche andere Dichterinnen im 16. Jahrhundert, die Vittorias Beispiel
folgten.
Während der langen Abwesenheiten ihres Ehemannes lebte Vittoria auf der Insel Ischia im Golf von Neapel am Hof ihrer Tante Costanza d’Avalos (1460-1541), wo sich zu dieser Zeit die großen Intellektuellen und Künstler Neapels trafen. Dort lernte die junge Vittoria Schriftsteller wie Jacopo Sannazaro oder Cariteo kennen – ein kulturelles Klima, das ihr eigenes Schreiben beeinflusste. Neapel war zu Beginn des 16. Jahrhunderts ein lebendiges kulturelles Zentrum in Italien, in dem auch viele spanische Intellektuelle für einige Zeit Exil suchten, wie u. a. der Reformator Juan de Valdés, der Dichter Garcilaso de la Vega oder der Philosoph Leone Ebreo.
Als ihr Cousin Pompeo Colonna (1479-1532) 1520 in den Kardinalsstand durch Papst Leo X. (1513-1521) erhoben wurde, begab sich Vittoria nach Rom. Bei dieser Gelegenheit lernte sie wohl auch Baldasar Castiglione (1478-1529) und Pietro Bembo (1470-1547) kennen, zwei Schlüsselfiguren der italienischen und europäischen Kultur der Renaissance. Castigliones Il Cortegiano („Der Hofmann“) wurde nach seiner Veröffentlichung 1528 schnell zu einem europäischen Standardwerk in Fragen von Benimm- und Verhaltensregeln, aber auch zu einem Nachschlagewerk philosophischer und moralischer Fragstellungen. Dass Castiglione das Urteil Vittorias zu schätzen wusste, zeigt die Tatsache, dass er ihr bereits 1524, also vier Jahre vor der Veröffentlichung, ein Manuskript seines Hofmanns zukommen ließ.[1]
Während der langen Abwesenheiten ihres Ehemannes lebte Vittoria auf der Insel Ischia im Golf von Neapel am Hof ihrer Tante Costanza d’Avalos (1460-1541), wo sich zu dieser Zeit die großen Intellektuellen und Künstler Neapels trafen. Dort lernte die junge Vittoria Schriftsteller wie Jacopo Sannazaro oder Cariteo kennen – ein kulturelles Klima, das ihr eigenes Schreiben beeinflusste. Neapel war zu Beginn des 16. Jahrhunderts ein lebendiges kulturelles Zentrum in Italien, in dem auch viele spanische Intellektuelle für einige Zeit Exil suchten, wie u. a. der Reformator Juan de Valdés, der Dichter Garcilaso de la Vega oder der Philosoph Leone Ebreo.
Als ihr Cousin Pompeo Colonna (1479-1532) 1520 in den Kardinalsstand durch Papst Leo X. (1513-1521) erhoben wurde, begab sich Vittoria nach Rom. Bei dieser Gelegenheit lernte sie wohl auch Baldasar Castiglione (1478-1529) und Pietro Bembo (1470-1547) kennen, zwei Schlüsselfiguren der italienischen und europäischen Kultur der Renaissance. Castigliones Il Cortegiano („Der Hofmann“) wurde nach seiner Veröffentlichung 1528 schnell zu einem europäischen Standardwerk in Fragen von Benimm- und Verhaltensregeln, aber auch zu einem Nachschlagewerk philosophischer und moralischer Fragstellungen. Dass Castiglione das Urteil Vittorias zu schätzen wusste, zeigt die Tatsache, dass er ihr bereits 1524, also vier Jahre vor der Veröffentlichung, ein Manuskript seines Hofmanns zukommen ließ.[1]
Mit Pietro Bembo, dem
Gründervater des Petrarkismus, einer literarischen Strömung, die im Anschluss
an den Dichter Francesco Petrarca die Liebe zu einer idealisierten Frau besang,
sollte Vittoria später Sonette austauschen und eine Freundschaft verbinden. Es sollte
auch Vittoria sein, die sich bei Papst Paul III. (1534-1549) für die Ernennung
Bembos zum Kardinal aussprach (1539 schließlich wurde er tatsächlich zum
Kardinal proklamiert), was auch davon zeugt, wie sehr Papst Paul III. das
Urteil Vittorias schätzte.
Tizian Pietro Bembo / Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e9/Pietro_Bembo_-_Titian.jpg |
Im Jahre 1521 wurde Ferrante d’Avalos abermals in den Krieg gerufen. 1525 schließlich
gewannen die kaiserlichen Truppen unter seiner Führung zwar die Schlacht vor
Pavia, er selbst aber zog schwere Verletzungen davon und erkrankte. Vittoria
versuchte noch von Rom aus zu ihrem Mann in Mailand zu gelangen, musste aber in
Viterbo durch einen Boten erfahren, dass Ferrante seinen Verwundungen bereits
erlegen war. Der Tod Ferrantes sollte zum zentralen Ereignis in Vittorias Leben
werden, dessen Schmerz sie in ihren sogenannten Rime amorose zu verarbeiten suchte, eine Sammlung von hauptsächlich
petrarkistischen Sonetten, in denen sie den Verlust ihres geliebten Ehemannes
beklagt.
[1] Dies zeigt ein Brief von
Vittoria an Castiglione vom 20. September 1524 (Carteggio, XVIII, S. 23-26).
*Dieser Artikel stammt von Gastautor Daniel Fliege. Daniel studiert Literaturwissenschaft an der Universität Paris Sorbonne (Paris IV) als Stipendiat der École normale supérieure (Paris Ulm). Er beschäftigt sich mit der romanischen Lyrik des Mittelalters und der Renaissance, insbesondere mit der höfischen Liebe und dem Petrarkismus.
*Dieser Artikel stammt von Gastautor Daniel Fliege. Daniel studiert Literaturwissenschaft an der Universität Paris Sorbonne (Paris IV) als Stipendiat der École normale supérieure (Paris Ulm). Er beschäftigt sich mit der romanischen Lyrik des Mittelalters und der Renaissance, insbesondere mit der höfischen Liebe und dem Petrarkismus.
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