(Zitiert nach: Scheffel, Helmut, Vom Schlachtfeld
zur Scheiterhaufen. Der Prozess der Jeanne d’Arc, in: Große Prozesse. Recht und
Gerechtigkeit in der Geschichte, hg. v. Uwe Schultz, München 1996, S. 103-113,
S. 105.)
So
berichtete der englische Regent, der Herzog von Bedford, seinem Neffen Heinrich
VI., dem noch unmündigen König von England, im Mai 1429 vom Verlust der Stadt
Orléans an die Franzosen. Am Sieg der französischen Seite war ein gerade
17-jähriges Mädchen aus dem Dorf Domrémy in Lothringen maßgeblich beteiligt,
auf das Bedford in dem Brief als „Schülerin und Anhängerin des Teufels“ Bezug
nahm: Jeanne d’Arc, auch bekannt als die „Jungfrau von Orléans“. Noch heute ist
sie eine der bekanntesten Gestalten des französischen Mittelalters, wenn nicht
sogar eine der bekanntesten historischen Frauengestalten überhaupt. Ihr Leben
wurde in Kunst, Literatur und Film häufig rezipiert, aber auch von Königen und
Politikern bis zum heutigen Tage zu Machtzwecken instrumentalisiert. Sie steht
im Mittelpunkt dieser kurz!-Reihe.
Im
ersten Teil der Reihe liegt der Fokus vor allem auf Jeannes Herkunft und ihrem
militärischen und politischen Wirken von der Eroberung Orléans über die Salbung
des französischen Thronfolgers Charles VII. zum König bis hin zu ihrer
Gefangennahme durch die Burgunder. Der zweite Teil befasst sich dann mit dem
Ketzereiprozess, der mit einer Verurteilung der Jungfrau von Orléans endete und
dem rund 20 Jahre später wieder aufgenommenen Revisionsprozess, in dem sie
vollständig rehabilitiert wurde.
Jeanne
wurde wohl 1412 in Domrémy, einem Dorf in Lothringen an der Grenze zu Burgund,
geboren. Ihre Kindheit und frühe Jugend war von den Erfahrungen des
Hundertjährigen Krieges (1337-1453) zwischen Frankreich und England geprägt,
der auch vor ihrem Heimatdorf nicht halt gemacht hatte. Frankreich war zu
dieser Zeit grob in drei Einflussbereiche geteilt: in Süd- und Mittelfrankreich
herrschte die königliche Familie der Valois, die Normandie gehörte zur
englischen Machtsphäre und das Gebiet zwischen Somme und Loire sowie Paris standen
unter dem Einfluss Burgunds. Bereits in ihrer Jugend begann Jeanne Stimmen von
Heiligen zu hören, wie sie später selbst in ihrem Ketzereiprozess berichtete. Diese
wurden zur entscheidenden Triebkraft ihres Handelns. Zunächst hielten die
Stimmen sie zu einem gottgefälligen Leben an, was sich in einer intensiven persönlichen
Frömmigkeit äußerte; dann jedoch befahlen sie Jeanne, zunächst Orléans aus der
Hand der Engländer zu befreien und dann den Dauphin, den französischen
Thronfolger, Charles VII. (1403-1461) zu seiner Salbung nach Reims zu führen. Im
Mai 1428 machte sie sich also auf nach Vaucouleurs, wo ein königlicher
Hauptmann stationiert war. Dieser stattete sie, wenn auch nicht völlig
überzeugt, mit Waffen und einigen Männern aus und schickte sie an den Hof Charles‘
VII. nach Chinon.
Dort
wurde die junge Frau zunächst mehrere Tage von Klerikern über die Stimmen und
ihren Auftrag befragt, um sicher zu gehen, dass sie nicht vom Teufel besessen
war. Zudem nahmen Frauen aus der königlichen Familie eine Prüfung ihrer
Jungfräulichkeit vor, die zum Ergebnis hatte, dass Jeanne eine virgo intacta (eine unberührte Jungfrau)
war. Schlussendlich wurde verkündet, dass ein Zweifeln an der jungen Frau
bedeute, „sich dem Heiligen Geist zu widersetzen und der Hilfe Gottes unwürdig
zu werden.“ (Zitiert nach: Krumeich, Gerd, Jeanne d’Arc. Die Geschichte der
Jungfrau von Orleans, München 2006, 2. Auflage, S. 36.) Charles VII. stattete
sie mit Waffen und Männern aus und sie machte sich auf, Orléans zu belagern und
so von den Engländern zu befreien. Dennoch misstrauten viele Ritter und hohe
Herren der Jungfrau und waren nicht bereit, sich ihr in militärischen Fragen
bedingungslos zu unterwerfen. Trotzdem gelang es ihr aber, diese, sei es durch
ihren Elan oder aber durch den Rückhalt, den sie in der einfachen Bevölkerung
genoss, zum Nachgeben zu bewegen. Am 8. Mai 1429 war die Belagerung gewonnen
und die englischen Besatzer zogen ab. Damit hatte Jeanne scheinbar bewiesen,
dass Gott auf ihrer Seite stand und war so zu einer Berühmtheit geworden.
Nun
sollte der zweite Teil ihres göttlichen Auftrags erfüllt werden: die Salbung
des Dauphin in Reims. Auf dem Weg dorthin wurden weitere Schlachten geschlagen,
aus denen Jeanne und die königliche Partei als Sieger hervorgingen. Dabei stellte
sie sich immer mehr als geschickte Heerführerin heraus. Nachdem im Juli 1429 mit
Troyes eine englisch-burgundische Hochburg genommen war, konnte endlich der Zug
nach Reims folgen. Die Salbung des Königs erfolgte am 17. Juli 1492 in der
Kathedrale der Stadt und Jeanne d’Arc selbst hatte einen Platz direkt am
Hochaltar.
(Jeanne d’Arc bei der Krönung Charles‘ VII. (1429)
in Reims, Historiengemälde von Dominique Ingres (1854), http://de.wikipedia.org/wiki/Jeanne_d%E2%80%99Arc#/media/File:Ingres_coronation_charles_vii.jpg)
Doch
sah Jeanne ihren Auftrag mit der erfolgten Königskrönung wohl keinesfalls als
beendet an. Vielmehr strebte sie die Befreiung ganz Frankreichs von den
Engländern an und traf schon wenige Tage nach der Salbungszeremonie
Vorbereitungen für einen weiteren Feldzug. Die nächste Etappe der
Zurückeroberung sollte Paris sein. Doch es kam zu Unstimmigkeiten zwischen der
Jungfrau und dem König, der Verhandlungen mit Burgund anstelle weiterer Kämpfe
anstrebte. Anstatt nach Paris zu ziehen, entschied dieser sich nun nämlich
dazu, sich nach Compiègne aufzumachen, dessen Bürger ihm den Gehorsam leisten
wollten. Jeanne wollte jedoch nicht länger mit dem Marsch nach Paris warten und
fühlte sich möglicherweise auch von Charles VII. verraten. Deshalb brach sie
auf eigene Faust auf und begann am 8. September, dem Feiertag Mariä Geburt, den
Angriff auf die Stadt, obwohl es ein schweres Vergehen war, an diesem Tag zu
kämpfen. Die Erstürmung von Paris scheiterte, die Jungfrau wurde verletzt und
erlitt ihre erste große Niederlage. Dies war nur der Beginn ihres Abstieges.
Der
Glaube an Jeannes Siegessicherheit begann vor allem unter den Heerführern und
am Hof zu schwinden, es wurde ein Waffenstillstand zwischen Charles VII. und
Burgund vereinbart und es kam zu Verhandlungen an denen auch die Engländer
teilnahmen. Währenddessen sollte die Jungfrau mit einem kleinen Königsheer
einige Städte von den Engländern befreien, was ihr jedoch nicht vollständig
gelang. Dennoch wurden sie und ihre Familie Ende des Jahres 1429 in den
Adelsstand erhoben. Zwar bröckelte der Waffenstillstand zu Beginn des Jahres 1430,
aber dennoch führte die Frage, ob man eine militärische Entscheidung oder einen
Frieden auf dem Verhandlungsweg herbeiführen sollte, zu andauerndem Dissens
zwischen Charles VII. und Jeanne. Wahrscheinlich verließ sie, des Abwartens
überdrüssig, vielleicht auch nach einem Zerwürfnis, den Hof und begab sich
erneut auf einen mehr oder weniger erfolgreichen Eroberungszug. Mitte Mai 1430
zog sie in Compiègne ein, das von Angriffen englischer Truppen bedroht war und
wurde dort bei einem Ausfall aus der Stadt am 23. Mai von der burgundischen
Partei gefangen genommen. Damit endete die militärische Karriere der Jeanne
d’Arc und man begann mit den Vorbereitungen eines Ketzerei-Prozesses gegen sie.
Dieser, Jeannes Tod und ihre spätere Rehabilitierung sollen im zweiten Teil
dieser kurz!-Reihe betrachtet werden.
Literatur:
Krumeich, Gerd, Jeanne d’Arc. Die Geschichte der
Jungfrau von Orleans, München 2006, 2. Auflage.
Krumeich, Gerd, Verdammung und Rehabilitierung von
Jeanne d’Arc (1431/1456). Der Prozeß und seine Wirkungsgeschichte, in: Macht
und Recht. Große Prozesse in der Geschichte, hg. v. Alexander Demandt, München
1990.
Scheffel, Helmut, Vom Schlachtfeld zur
Scheiterhaufen. Der Prozess der Jeanne d’Arc, in: Große Prozesse. Recht und
Gerechtigkeit in der Geschichte, hg. v. Uwe Schultz, München 1996, S. 103-113.
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