Sonntag, 15. März 2015

Vom Leben der Landsknechte I

Die Entstehung und Organisationsstruktur des Landsknechtwesens

Die Landsknechte, zu Fuß kämpfende deutsche Söldner des 15. und 16. Jahrhunderts, können heute als ein Kriegsvolk angesehen werden, das sich vor allem aufgrund seiner Extravaganz einen Namen in der Weltgeschichte gemacht hat. In Anlehnung an das schweizerische Söldnerwesen der ‚Reisläufer’ entstand in den 1480er Jahren mit den Landsknechten auch in den deutschen Territorien ein spezifisches, aus Fußknechten bestehendes und sich schnell entwickelndes Söldnerwesen. Diese Landsknechte waren es, die in den folgenden 150 Jahren im Kriegsdienst zahlreicher europäischer Fürsten standen und dort sowohl im Kampf gegen Fußtruppen als auch gegen berittene Krieger ihren Einsatz fanden.

In diesem Artikel der kurz!-Reihe soll die Entstehung, Anwerbung und Musterung sowie die Organisationsstruktur der Landsknechte aufgezeigt werden. Ebenso soll kurz berichtet werden, welche Gründe dazu führten, dass das Landsknechtwesen sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts auflöste. In einem zweiten Artikel soll dann spezifischer das Aussehen, die Bewaffnung und die Kleidung der Landsknechte dargestellt werden. Dabei sollen vor allem die Fragen beantwortet werden, welche Waffen für die Landsknechte typisch waren, wie sich die Extravaganz der Landsknechte in ihrer Kleidung äußerte und welchen modischen Veränderungen diese unterworfen war.

Im 15. und 16. Jahrhundert waren sowohl in den Städten als auch auf dem Land immer wieder Hauptmänner in Begleitung eines Feldschreibers als Werber im Auftrag des Kriegsherrn unterwegs, um nach Schweizer Vorbild Männer als Söldner für den Kriegsdienst anzuwerben. Diese durften nicht Leibeigene sein. Der Feldschreiber hatte hierbei die Aufgabe, alle Bewerber mit Tauf- und Zunamen, dem Herkunftsort, dem zugebilligten Sold sowie mit der Ausrüstung, über die der Bewerber verfügte, in eine Liste einzutragen. Die Besonderheit war, dass die Bewerber jedoch nicht über eine eigene Ausrüstung verfügen mussten, da diese auch ausgeliehen werden konnte. Dies ermöglichte es auch Männern aus ärmeren und ländlicheren Gegenden, sich als Landsknechte rekrutieren zu lassen. 

Urs Graf: Anwerbungsszene in einer Schänke, um 1521
(http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Urs_Graf_Werbung.jpg)
Nach der Eintragung wurde dem Bewerber dann ein Laufzettel ausgehändigt, der ihm Informationen zum Ort und zur Zeit der nächsten Musterung gab. Dabei wurden die Geworbenen auf einem Musterplatz versammelt, damit sie vom Schreiber in die unterschiedlichen Fähnlein und Regimenter eingeteilt werden konnten. Mit der Einteilung der Bewerber ging auch die Einstufung einher. Dabei wurden die zukünftigen Landsknechte nach körperlicher Leistungsfähigkeit, Art und Zustand der Bewaffnung und militärischer Erfahrung eingestuft. Meist kamen zu diesen Musterungen mehr Kriegswillige als vom Kriegsherrn gefordert, weswegen die angehenden Knechte häufig in Konkurrenz zueinander standen. Für die Bewerber waren vor allem die materiellen bzw. finanziellen Bedingungen, die an den Landsknechtdienst gebunden waren, von  großer Bedeutung: Im gesamten Reich wurde etwa im 16. Jahrhundert für die gesamte Landsknechtzeit ein Sold von vier Gulden im Monat für Ausrüstung, Bewaffnung, Verpflegung und sonstige Kriegsdienstleistungen gezahlt. Besser ausgerüstete Knechte, die so genannten Doppelsöldner, erhielten entsprechend der eigenen Ausrüstung mehr Sold. Ziel der Musterung war es, für den vom Kriegsherrn ausgesetzten Gesamtsold bestmögliche Landsknechte zu rekrutieren und bestmögliche Regimenter und Fähnlein zu formieren.

Nach der Anwerbung und erfolgreichen Musterung wurden die Landsknechte dann auf die Feldordnung bzw. ab 1520 auf den sogenannten Artikelbrief, eine Sammlung der Rechte und Pflichten der Landsknechte, vereidigt. Eine Besonderheit lag etwa in der Landsknechtverfassung: So hatten die Landsknechte alle ein Mitentscheidungs- und Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen. Etwa hatte der Hauptmann, der einem Fähnlein vorstand, die Aufgabe, vor einer kriegerischen Auseinandersetzung den zu seinem Fähnlein gehörigen Landsknechten seine Pläne offenzulegen und musste um Zustimmung für diese bitten. Auch auf rechtlicher Seite genossen die Landsknechte einen Sonderstatus: Sie waren der allgemeinen Gerichtshoheit enthoben, weil mit dem ‚Schultheißengericht’ eine Sondergerichtsbarkeit für Zivil- und Strafverfahren der Landsknechte geschaffen wurde.

Insgesamt war das gesamte auf Gefolgschaft ausgerichtete Landsknechtwesen in Regimenter bzw. Haufen unterteilt, die wiederum aus mehreren Fähnlein bzw. Kompanien bestanden. Jedes Fähnlein hatte dabei eine Stärke von ca. 100 bis 300 Landsknechten. Aufgrund dieser Gliederung entstanden schnell unterschiedliche Regiments- und Fähnleinsämter. So stand ein Obrist dem Regiment bzw. der Haufe vor. Sein Stellvertreter war der Locotenent. Daneben gab es noch die Ämter des Schultheißen, des Profoss als oberste Ordnungsinstanz, des Nach- oder Scharfrichters sowie des Trosswebels. Daneben konnten innerhalb des Fähnleins die Ämter eines Hauptmanns, der dem Fähnlein vorstand, eines Leutingers, dem Stellvertreter des Hauptmanns, eines Fähnrichs, eines Feldwebels, eines Schreibers und eines Trommlers oder Pfeifers bekleidet werden.

Fest verbunden mit dem Landsknechthaufen war ein riesiger Tross aus Wagen, Karren, Tragtieren, Marketendern und Marketenderinnen (Händler, die die Landsknechtgruppe begleiteten, medizinisch versorgten und verpflegten), Bäckern, Metzgern und Schankwirten. Dieser Tross war sowohl für die Verpflegung der Landsknechte zuständig, als auch für die Unterhaltung. So bot der Tross durch Schank, Prostitution und Glücksspiel auch ein reiches Vergnügungsangebot für die Knechte.

An den zahlreichen Ämtern, die es im Haufen oder im Fähnlein gab, wird deutlich, dass das Landsknechtwesen sehr um eine vor allem selbstverwaltende Organisation bemüht war. Ebenso zeigen die Organisationsformen, dass die Gemeinschaft für die Landsknechte einen großen Stellenwert hatte. Jeder Landsknecht sah sich so nicht als Einzelkrieger, sondern als Teil einer kämpfenden Kriegergemeinschaft. Es herrschte die Vorstellung vor, dass ein Sieg nur gemeinsam errungen werden könne und deshalb wurde die Flucht aus der Gemeinschaft nach den Kriegsartikeln auch mit dem Tod bestraft.

Ein großes gesellschaftliches Problem des 16. Jahrhunderts waren jedoch die Landsknechte, die keinen Soldvertrag hatten und somit eben keinem Hauptmann bzw. Kriegsherrn unterstanden, also auf der Suche nach einer neuen Anstellung waren. Diese Landsknechte, die sich selbst als Gartenknechte bezeichneten, zogen häufig bettelnd, stehlend und raubend durch das Land und die Städte und waren den Menschen verhasst. Die Gartenknechte gehörten im 16. Jahrhundert zu den Randgruppen, denen vor allem deshalb mit großer Abneigung begegnet wurde, weil sie sich häufig mit mehreren Gartenknechten zu Gruppen zusammenschlossen und so eigene Subkulturen entstanden.

Der Niedergang des Landsknechtwesens begann um 1600. Zahlreiche Missstände in den Haufen und Fähnlein, die vor allem in der Korruption der Anführer begründet lagen, führten zu einem starken Ansehensverlust der zu Fuß kämpfenden Landsknechte. Zudem setzte eine starke Geldentwertung ein, die das Landsknechtleben nicht mehr lohnenswert machte, während vorher Landsknechte häufig besser bezahlt wurden als Handwerksgesellen. Daneben kam es auch zur Entwicklung von immer strategischeren, taktischeren und waffentechnisch effizienteren Formen von Kriegern. Es entwickelten sich dadurch Spezialkräfte für die Kriegsführung (Pikeniere, Musketiere), denen die Landsknechte kämpferisch unterlegen waren.

Literatur: 
- Baumann, Reinhard: Landsknechte. Ihre Geschichte und Kultur vom späten Mittelalter bis zum Dreißigjährigen Krieg, München 1994.
- Baumann, Reinhard: Art. Landsknechte, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_45077
- Franz, Günther: Vom Ursprung und Brauchtum der Landsknechte (1953), in: Ders. (Hg.): Persönlichkeit und Geschichte. Aufsätze und Vorträge, Zürich, Frankfurt 1977, S. 31-50.
- Möller, Hans-Michael: Das Regiment der Landsknechte. Untersuchungen zu Verfassung, Recht und Selbstverständnis in deutschen Söldnerheeren des 16. Jahrhunderts (Frankfurter Historische Abhandlungen 12), Wiesbaden 1976.

1 Kommentar:

  1. Sehr interessanter Artikel, wobei zu erwähnen sei, dass das Söldnerwesen auch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, speziell im 30-Jährigen Krieg noch eine entscheidente Rolle spielte.

    MfG Christian

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