Wer
sich mit Kriminalität in der Frühen Neuzeit beschäftigt, stößt mit großer
Sicherheit auf den scheinbar immer wiederkehrenden Typus der weiblichen
Giftmischerin oder Giftmörderin. Um diesen und dessen Ursprünge soll es in
diesem Artikel gehen. Mit Gesche Gottfried soll zudem ein Beispiel für eine
vermeintlich typische Giftmörderin vorgestellt werden.
Im
Neuen Pitaval, einer äußerst
beliebten Sammlung historischer und zeitgenössischer Kriminalfälle, die
zwischen 1842 in 1890 in einer Vielzahl von Bänden erschien, finden sich allein
50 Fälle von Giftmord, die in der Mehrheit von Frauen begangen wurden. Einen
besonderen Stellenwert nimmt dabei der 1842 veröffentliche zweite Band der
Reihe ein, in welchem insgesamt vier Fälle vorgestellt werden. Dabei handelte
es sich um die Taten der französischen Marquise von Brinvillier (1676) sowie
der deutschen Charlotte Ursinus‘ (1803), Anna Margareta Zwanzigers (1811) und
Gesche Margarethe Gottfrieds (1831). Bereits vor der Veröffentlichung im Neuen Pitaval waren die Fälle teilweise
unabhängig voneinander in Einzelstudien analysiert und untersucht worden, aber
erst durch die Darstellung Wilhelm Härings, dem Editor des zweiten Bandes,
wurden die vier Frauen zum „Viergespann der Giftmischerinnen“ und zu den
„Heroinen des Giftmordes“ stilisiert. Dadurch wurde der Stereotyp der typisch
weiblichen Giftmischerin geschaffen. Außerdem zeichneten sich die vier Beschreibungen
in ihren Grundzügen durch eine große Ähnlichkeit aus und es wurde folgendes
Bild entworfen: Frauen, die mit Gift morden, seien in ihrem Wesen äußerst
lasterhaft. Gefährlich würden sie jedoch vor allem dadurch, dass sie gleichzeitig
in ihrer Erscheinung sehr sinnlich seien und von einer Aura der Unschuld und
der Tugend umgeben werden. Vermeintlich verfügen sie über ein Talent zur
Heuchelei und Listigkeit, wodurch sie sich das Vertrauen ihrer Opfer erschleichen.
Die Motivation für ihre Taten wurde dabei zumeist mit Habsucht, Gier,
Grausamkeit und der Freude am qualvollen Töten benannt. Angebliche Verbindungen
zu Hexerei oder zum Teufel waren auch ein immer wiederkehrendes Muster. Durch alle
diese vermeintlichen Charaktereigenschaften würden sie dazu verleitet, mit Gift
zu morden, da diese Form des Verbrechens zunächst eine unsichtbare ist. Sie
wurde auch deshalb als typisch weiblich beschrieben, da sie keine Körperkraft
erforderte und Frauen durch ihre Aufgaben im Haushalt der Zugang zu giftigen
Substanzen leicht offen stand. Dieses besondere Darstellungsmuster spiegelte zugleich
die männliche Angst wider, einem Giftmord zum Opfer zu fallen und resultierte
in zahlreichen Verdächtigungen, die sich zwar größtenteils als haltlos
erwiesen, die Frauen jedoch Zeit ihres Lebens mit dem Verdacht behafteten.
Im
Folgenden soll nun der äußerst interessante Fall der Gesche Margarethe
Gottfried vorgestellt werden, einer Frau, die zwar aufgrund einer Vielzahl begangener
Morde hingerichtet wurde, in ihrer Umgebung aber dennoch den Ruf eines Engels
genoss.
Gesche Gottfried http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/59/GescheGottfried.jpg |
Gesche
Margarethe Gottfried wurde 1785 in Bremen als Gesche Margarethe Timm in einfache
Verhältnisse geboren. Ihr Vater verdiente sein Geld als Schneider, ihre Mutter
war Näherin. Mit 21 Jahren heiratete sie den wohlhabenden Witwer Johann
Miltenberg, der ihr bessere Lebensverhältnisse ermöglichte. Aus der Ehe gingen
fünf Kinder hervor, von denen zwei unmittelbar nach der Geburt starben. Als ihr
Ehemann 1813 starb, hatte dies wiederum einen sozialen Abstieg für Gesche zur
Folge, da Miltenberg bereits vor seinem Ableben einen Großteil seines Geldes in
Gaststätten und Bordellen ausgegeben hatte. Durch den Tod ihres Mannes bot sich
für Gesche nun die Möglichkeit, mit ihrem früheren Liebhaber Michael Christoph
Gottfried zusammen zu leben, da mittlerweile auch ihre beiden Eltern gestorben
waren und sie nicht zu ihnen zurückkonnte. 1817 kam es zur Heirat zwischen den
beiden und noch im gleichen Jahr verstarb Gottfried und Gesche erbte seinen
Besitz. Zum Zeitpunkt seines Todes war sie zudem schwanger, das Kind kam jedoch
tot zur Welt. Aufgrund ihrer verschwenderischen Lebensführung verarmte sie erneut.
1822 verlobte sie sich ein weiteres Mal; diesmal mit dem Modewarenhändler Paul
Thomas Zimmermann. Auch dieser Mann starb nur ein Jahr später, berücksichtigte
Gesche allerdings in seinem Testament, wodurch sie wieder zu Besitz kam. 1824
begann sie für das Ehepaar Wilhelmine und Johann Christoph Rumpff als Haushaltshilfe
zu arbeiten, machte jedoch weiterhin Schulden und geriet in Konflikte mit ihren
Gläubigern, von denen bald einer ermordet aufgefunden wurde. Zudem starb kurz
nach ihrem Beschäftigungsbeginn bei der Familie Wilhelmine Rumpff. Noch zu
diesem Zeitpunkt wurde Gesche Gottfried in weiten Teilen der Bremer Bevölkerung
sehr geschätzt. Die Menschen bemitleideten sie für die vielen „Unglücksfälle“
in ihrer Familie und sie bewunderten sie für ihre Stärke und ihre Kraft, da sie
die Sterbenden stets betreut und gepflegt hatte. In Quellen aus dieser Zeit
findet sich der Beiname „Engel von Bremen“ für Gesche Gottfried.
Schließlich
schöpfte jedoch der Mann von Wilhelmine Rumpff aufgrund der Vielzahl von Todesfällen
Verdacht. Zudem fand er in einer Mahlzeit, die Gesche für ihn zubereitet hatte,
weiße Stückchen, die von einem Arzt als Arsenkügelchen identifiziert wurden.
Arsen konnte damals leicht und unauffällig in Apotheken erworben werden und
galt als erfolgreiches Mittel zur Bekämpfung von Ungeziefer. In der Folge wurde
Gesche Gottfried am 6. März 1828 verhaftet und mehrmals verhört. Insgesamt 15
Morde wurden ihr zur Last gelegt, darunter der Mord an ihren Eltern, ihren drei
Kindern, ihrem Bruder, ihrem ersten und zweiten Ehemann, ihrem Verlobten,
Wilhelmine Rumpff, sowie fünf weiteren Personen. Des Weiteren soll sie auch nicht tödliche Dosen Arsen verabreicht haben, um Leute zu quälen. Gerüchten
zufolge soll sie selbst im Gefängnis die Möglichkeit gehabt haben, sich mit
Gift das Leben zu nehmen, schreckte jedoch vor den Qualen, die sie bei ihren
Opfern beobachtet hatte, zurück. Schließlich wurde sie zum Tod durch das
Schwert verurteilt, nachdem Versuche ihres Verteidigers auf Schuldunfähigkeit
zu plädieren gescheitert waren. Sie wurde am 21. April 1831 im Beisein von
angeblich 35.000 Zuschauern hingerichtet. Ihre Hinrichtung war die letzte öffentliche
in Bremen.
Über
die Motive für ihre Taten ist viel gerätselt worden, vor allem, weil Gesche
Gottfried in ihren Verhören selbst keine Erklärungen lieferte. Es wird
vermutet, dass manchen Morden finanzielle oder private Gründe zugrunde lagen,
andere jedoch aus der Lust am Töten begangen wurden und Gottfried den Drang
verspürt haben könnte, Macht über ihre Opfer zu haben. Auch kann die Tatsache,
dass lange Zeit kein Verdacht auf sie fiel und ihr im Gegenteil mit Anerkennung
und Mitleid begegnet wurde, dazu geführt haben, dass sie weiter tötete.
* Empfehlung: Der
ebenso spannende Fall der Marquise von Brinvillier kann in der Version aus dem Alten Pitaval hier nachgelesen werden: http://gutenberg.spiegel.de/buch/geschichten-aus-dem-alten-pitaval-3359/2
Eine sehr interessante Seite zumal bis heute die GIftmorde den Fraun zugeschrieben werden.
AntwortenLöschenDanke für das positive Feedback. Es ist tatsächlich so, dass Giftmord bis heute als eher weibliches Verbrechen gilt. Ich kenne keine Statistiken, die belegen, dass Frauen häufiger mit Gift morden oder in der Vergangenheit gemordet haben als Männer. Jedoch ist es so, dass von Frauen mit Gift begangene Verbrechen stets eine größere Aufmerksamkeit erlangten und breiter rezipiert wurden. Ich denke, dass diese Nachwirkungen noch heute zu spüren sind. Sicherlich war der "Bruch" mit vermeintlich existierenden Rollenbildern hierbei aber auch von großer Bedeutung.
AntwortenLöschenDanke für dein Interesse an unseren Artikeln.