Sonntag, 16. November 2014

Die Konstantinische Schenkung III

Teil 1: Datierung, Entstehung und mögliche Fälscher der Konstantinischen Schenkung
Teil 2: Rezeptionsgeschichte der Konstantinischen Schenkung im Mittelalter


In diesem dritten und gleichzeitig letzten Teil der Reihe über die Konstantinische Schenkung liegt der Fokus auf dem Nachweis der Fälschung. Die Echtheit der Urkunde und die Schenkung als solche wurden im Mittelalter nur selten – und wenn, dann nur sehr vorsichtig und nicht mit größter Konsequenz – infrage gestellt. Als beispielsweise Kaiser Otto III. (980‑1002, Kaiser ab 996) die Konstantinische Schenkung als Lüge titulierte, tat er das nicht in dem Wissen, dass die Urkunde eine Fälschung sei, sondern aus Unzufriedenheit hinsichtlich der päpstlichen Politik, die immer mehr versuchte, in die weltliche Politik einzugreifen und mit seinem Kaisertum konkurrierte. Für Otto war die Bezeichnung „Lüge“ also vielmehr eine Möglichkeit, den Machtanspruch des Papstes zurückzuweisen.

Der Nachweis der Fälschung muss als Entwicklung, die Ende des 13. Jahrhunderts/Anfang des 14. Jahrhunderts einsetzte, gesehen werden. Zunächst wurde immer wieder der Inhalt kritisiert, während die Urkunde selbst inklusive Schenkung nicht angezweifelt wurde. Der Philosoph und Dichter Dante (1265-1321) sowie Marsilius von Padua (1275/1290-1343), Politiker und Staatstheoretiker, bestritten die Echtheit nicht, kritisierten aber die auf der Schenkung basierende päpstliche kaisergleiche Weltmonarchie, die die Päpste ausführten. Darüber hinaus wurde bereits zu diesem Zeitpunkt historisch argumentier, dass die Schenkung des ganzen lateinischen Westens dem Konzept des Kaisertums entgegenstand – der Kaiser galt als Mehrer des Reichs und sollte das Reich nach Möglichkeit vergrößern. Die Kirche dagegen, die zur Armut verpflichtet sei, so Dante, hätte keine weltlichen Güter empfangen dürfen.
Auch die beiden Philosophen und Theologen Wilhelm von Ockham (1288-1347) und John Wyclif (spätestens 1330-1384) argumentierten vor allem theologisch gegen den Inhalt der Schenkung. Christus habe nie Petrus und dessen Nachfolgern ein weltliches Recht gegeben. Darüber hinaus besagt die christliche Lehre, dass kein Kaiser und keine Schenkung den päpstlichen Primat begründen und stiften können, sondern nur Christus selbst. Die Etablierung des päpstlichen Primats durch einen weltlichen Herrscher habe demnach aus Sicht der christlichen Lehre demnach nie stattgefunden.
Gravierende Zweifel an der Authentizität der Urkunde kamen im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts auf. In seinem Werk Concordantia catholica stellte Nikolaus von Kues (1401-1464), Theologe und Philosoph, die Frage, ob und in welcher Weise der Kaiser dem Papst untergeordnet und ob das Kaisertum göttlichen Ursprungs sei. Eine Betrachtung der Konstantinischen Schenkung zur Beantwortung dieser Fragen war unabdingbar. Er kam aber zu dem Schluss, dass die Schenkung nicht stattgefunden habe, weil keine Quelle eine solche Schenkung bestätigen könne. Auch die zahlreichen Kirchenrechtssammlungen enthielten keinen von der Konstantinischen Urkunde unabhängigen Hinweis auf eine solche Schenkung. Letztlich ging von Kues jedoch nicht den entscheidenden Schritt und entlarvte die Schenkungsurkunde als Fälschung.
Diesen gingen schließlich, wohl unabhängig voneinander, Reginald Pecock (1395‑1460), Bischof von Chichester, und Lorenzo Valla (1405-1457), italienischer Kanoniker. Pecocks Werk The Repressor of over much blaming of the clergy (1449) basierte ebenfalls auf einem historischen Argumentationsstrang: Die Schenkungen gingen eigentlich auf die Karolinger Pippin, Karl den Großen und Mathilde zurück; die wichtigsten kirchenrechtlichen Sammlungen, wie der Liber pontificalis, enthielten keine Erwähnung einer Schenkung Kaiser Konstantins und in dem in der Historia tripartita enthaltenen Testament Konstantins wurde die Aufteilung seines Erbes auf seine drei Söhne festgehalten. Eine solche Schenkung konnte also historisch nicht bewiesen werden.
Den umfassendsten Nachweis lieferte jedoch Lorenzo Valla, der ein komplettes Werk De falso credita et ementia Constantini donatione (1440) für ebendiesen Nachweis verfasste. Vorrangiges Ziel seines Werkes war der Kampf um Wahrheit und Gerechtigkeit gegen die Verfehlungen und Laster der Päpste – vor allem derjenigen Päpste, die sich der Schenkung bedienten. Auch er erkannte eine historische Unwahrscheinlichkeit der Schenkung. Neben den fehlenden Quellen legte er seinen Fokus auf die Aufgaben des kaiserlichen und päpstlichen Amtes. Wie bereits Gelehrte vor ihm, unterstrich Valla das Amt des Kaisers als Mehrer des Reichs: Kaiser seien gewillt, die Herrschaft auszuweiten und nicht auf Teile der Herrschaft freiwillig zu verzichten. Faktisch betrachtet sei die Herrschaft der Kaiser auch nach der Schenkung weiterhin ausgeführt worden. Zudem kritisierte er die Struktur der Urkunde: Wortgebrauch und Grammatik seien unzulänglich, die Ausdrucksweise ungeschickt, die Urkunde schlecht gegliedert und inhaltliche Einzelheiten seien anachronistisch (die in der Schenkung beschriebene Kleidung sei nicht historisch korrekt). Die späteren Schenkungen des Kaisers seien durch die Entlarvung der Fälschung nichtig, weil sie nur aus dem resultierenden Machtverhältnis aus der Konstantinischen Schenkung erklärbar seien. Er schloss sein Werk mit einem Appell an den Papst und seine Nachfolger: Sie sollten sich wieder auf ihr geistliches Amt besinnen und das eigentliche Wesen der Kirche und des Papsttums in den Vordergrund stellen. Neben der rein faktisch geleisteten Arbeit Lorenzo Vallas wird er aufgrund seiner Arbeitsweise als Begründer der modernen Textkritik bezeichnet.

Man sollte annehmen, dass die Enttarnung der Konstantinischen Schenkung als Fälschung ein Meilenstein im Verhältnis zwischen Kaiser- und Papsttum gewesen sei. Doch obwohl sich die Kenntnis der Fälschung schnell verbreitete und die Fälschung des Urkundetextes ab dem 17. Jahrhundert auch von der päpstlichen Kurie eingestanden wurde, beharrte die Kurie noch bis in das 19. Jahrhundert auf die Schenkung als historisches stattgefundenes Ereignis. Selbst im 20. und 21. Jahrhundert führten die Päpste, unter anderem Papst Johannes Paul I. und II., die Tiara in ihrem päpstlichen Wappen. Die Tiara symbolisiert mitunter die weltliche Macht. Erst unter Papst Benedikt XVI. wurde die Tiara durch eine einfache Mitra im Wappen ersetzt.



Papstwappen von Johannes Paul II. (1978–2005) Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/54/John_paul_2_coa.svg
Papstwappen von Johannes Paul II. (1978–2005) Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/54/John_paul_2_coa.svg

Papstwappen von Benedikt XVI. (2005-2013) Quelle: http://www.erzbistum-muenchen.de/media/media22981301.JPG


Literatur:
Johannes FRIED, Donation of Constantine and Constitutum Constantini. The Misinterpretation of a Fiction and its Original Meaning. With a contribution by Wolfram Brandes: „The Satraps of Constantine“ (Millennium-Studien 3), Berlin/New York 2007.

Lorenzo VALLA, De falso credita et ementita Constantini donatione, hrsg. von Wolfram Setz, Weimar 1976, Nachdruck 1986 (MGH. Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters 10), Weimar 1976.

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