Sonntag, 2. November 2014

Der 'Schwarze Tod'

In der Mitte des 14. Jahrhunderts – genauer gesagt zwischen den Jahren 1347 bis 1350 – kam es in Europa zu einem Massensterben von bis dahin unbekanntem Ausmaß. Während die Menschen jener Zeit diese verheerende Katastrophe als 'großes Sterben' oder 'Pest' charakterisierten, waren es Chronisten des 16. Jahrhunderts aus Skandinavien, die die tödliche Katastrophe jener Zeit als 'Schwarzen Tod' bezeichneten. Diese Begrifflichkeit entstand nicht nur, weil damit das Furchtbare und Schreckliche, was symbolisch mit der Farbe Schwarz verbunden war, zum Ausdruck gebracht werden konnte, sondern auch, weil mit der Farbe ein spezifisches Symptom der Krankheit – gemeint sind die nekrotisierenden Entzündungen der Lymphknoten bei der Beulenpest – verbunden war. Die Bezeichnung 'Pest', mit welcher Zeitgenossen die Pandemie bezeichneten, bezog sich dabei weniger auf direkte Symptome des Massensterbens. Abgleitet vom Lateinischen pestis (Seuche) war der Begriff 'Pest' nämlich kollektiv für viele Krankheiten benutzt worden, die sich seuchenartig ausbreiteten.
In diesem Artikel soll dargestellt werden, wie der 'Schwarze Tod' nach Europa kam, wie die Zeitgenossen im 14. Jahrhundert die Seuche wahrnahmen und mit welchen Möglichkeiten und Strategien versucht wurde, sich vor der Pest zu schützen.

Der Ursprung des 'Schwarzen Todes' kann in Asien in der Region des Balchaschsees angenommen werden. Von dort aus verbreitete sich die Pest über die Seidenstraße und gelangte ostwärts schnell nach Indien und China, westwärts 1346 in die Region des Kaspischen und Schwarzen Meeres. Einen sehr verheerenden Ausbruch hatte die Pest 1347 in der für den Handel im Schwarzmeerraum wichtigen Hafenstadt Caffa (heute Feodossija). Diese Stadt wurde von den Tataren, eine Sammelbezeichnung für verschiedene muslimische Turkvölker, belagert, als unter ihnen ein großes Massensterben ausbrach. Während der Belagerung der Stadt schossen dann Kriegsmaschinen der Tataren die Leichen der Seuchenopfer in die Hafenstadt, wodurch der Seuchentod sich auch in Caffa ausbreitete. Mithilfe von Handelsschiffen gelangte die Pest dann von dort nach Italien und verbreitete sich über den gesamten europäischen Raum, sodass die Seuche 1348 auch die deutschsprachigen Gebiete heimsuchte und im Sommer 1349 die Region am Oberrhein erreichte.
Die Wahrnehmung der Pest im 14. Jahrhundert und die Suche nach dem Auslöser des Massensterbens gestalteten sich vielfältig. Ganz der antiken Medizin verpflichtet, griffen einige mittelalterliche Ärzte auf die antike Säftelehre zurück. Der Grundgedanke dieser Lehre war es, dass ein Ungleichgewicht der vier Säfte des Menschen (Blut, gelbe Galle, schwarze Galle und Schleim) zu Krankheiten führe. Bei der Pest nahmen die zeitgenössischen Ärzte nun an, dass ein Übermaß an Blut die inneren Organe befalle und somit die Pest auslöse. Daneben existierte auch die sogenannte Miasmentheorie, die auch bis zu den Entdeckungen im 19. Jahrhundert existierte. Hierbei wurde vermutet, dass die mit der Pest verbundene Fäulnis durch ganz bestimmte Luft in den Körper des Menschen gelange. So würden der Dunst von verendeten Tieren und fauligem Obst oder die Ausdünstungen von Leichen die Luft mit Krankheitserregern verunreinigen. Durch die Atmung, so wurde geschlussfolgert, komme die krankheitserregende Luft in den Körper des Menschen und führe so zur Auslösung der Pest. Eine dritte Theorie, die sich an der Miasmentheorie orientierte, stellte der italienische Arzt Gentile da Foligno (1280/90-1348) auf. Gentile da Foligno ging ebenso von einer verunreinigten Luft aus. Diese steige zum Himmel empor und schlage sich bei einer bestimmten, ungünstigen Gestirnskonstellation auf die Erde nieder. Wieder auf der Erde würden die Menschen dann die giftige Luft einatmen, welche sich dann im menschlichen Körper zu einer giftigen Masse entwickle, die die inneren Organe befalle. Der Mensch könne dann selbst über seinen Atem die Krankheit weitergeben.
Mit unterschiedlichsten Mitteln und Ratschlägen versuchte man sich im 14. Jahrhundert vor der Pest zu schützen. Ärzte riefen vor allem gesunde Menschen dazu auf, verseuchte Gebiete schnellstens zu verlassen und in diese auch erst nach sehr langer Zeit zurückzukehren. Ferner wurde den Menschen geraten, die Fenster der Häuser nur in Richtung Nordwind zu öffnen, da der Wind aus Norden für gesund gehalten wurde. Daneben gab es Anweisungen von Ärzten, dass in den Häusern durch das Verbrennen gutriechender Substanzen die Luft verbessert werden sollte, um sich so prophylaktisch vor der 'krankheitserregenden Luft' zu schützen. Zudem kursierten zahlreiche Rezepte für verschiedene Mittel, die vorbeugend eingenommen werden sollten, um eine Infektion mit der Pest zu verhindern. So versuchten Ärzte auch die Pest mit dem 'Allheilmittel' Theriak zu bekämpfen. Aufgrund der Annahme eines Säfteungleichgewichtes durch ein Übermaß an Blut, war es vor allem der Aderlass, mit dem die mittelalterlichen Ärzte nach einer Infektion versuchten, Infizierte zu heilen.
Bei der Suche nach dem Auslöser wurden gerade im Reichsgebiet die Juden für den Ausbruch der Pest verantwortlich gemacht. Diese hätten Brunnen und das Trinkwasser vergiftet und seien schuld am Massensterben der Bevölkerung. Nicht selten wurden Morde an der jüdischen Bevölkerung begangen, schon bevor die Pest überhaupt die Städte erreicht hatte. In vielen Städten des deutschsprachigen und nordfranzösischen Raums kam es zu Judenpogromen, die Papst Clemens VI. (1290-1352) im Juni und September 1348 zu zwei päpstlichen Bullen veranlassten. Diese stellten die Juden unter den päpstlichen Schutz und drohten Verfolgern mit der Exkommunikation.


Judenpogrom in der Stadt Strasbourg im Zusammenhang mit dem 'Schwarzen Tod' 1349 (Émile Schweitzer, 1849); Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9b/Pogrom_de_Strasbourg_1349.jpg?uselang=de)

Das öffentliche und gesellschaftliche Leben brach mit der Pest in den verseuchten Gebieten fast vollständig zusammen: Ganze Landstriche wurden entvölkert, Geistliche weigerten sich durch die große Gefahr, die die Krankheit barg, Sterbesakramente abzunehmen und Ärzte verließen die Städte, um sich selbst vor der Pest zu schützen, womit Erkrankte häufig ihrem eigenen Schicksal überlassen wurden. Aufgrund der vielen Todesopfer brach auch der Handel und damit verbunden der wirtschaftliche Verkehr vollständig zusammen.
Nach dem Höhepunkt des 'Schwarzen Todes' wurden zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert verschiedene Städte im Reich immer wieder von der Pest heimgesucht. Während die Pest in Soest noch 37 Mal wüten sollte, wurden Münster und Dortmund noch 36 Mal und etwa Köln noch 27 Mal mit der Seuche befallen. Im 15. Jahrhundert entstanden deshalb regionale Strategien zur Bekämpfung der Pest: Es entstanden so beispielsweise erste Einrichtungen für Seuchenkranke in Münster (1473) und Köln (1494).
Insgesamt kostete der 'Schwarze Tod' einem Drittel (ca. 8 Millionen Menschen) der Bevölkerung Europas das Leben, während weltweit ungefähr 25 Millionen Menschen dem 'Schwarzen Tod' zum Opfer fielen.

Literatur:
Jankrift, Kay Peter: Krankheit und Heilkunde im Mittelalter, Darmstadt 2003.

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