Das hier abgebildete Bild aus der Basilika Santi Quattro Coronati in Rom ist ein Fresko aus dem Jahre 1246. Dieses Fresko erzählt uns die Geschichte von einem vermeintlichen Übereinkommen zwischen Papst Silvester I. (314-335), sitzend auf der linken Seite, und Konstantin dem Großen (306-337), das Knie leicht beugend, der dem Papst das Phrygium (kegelförmige Haube und Vorgänger der Tiara), den Baldachin und den Papstpalast übergibt – eine Handlung die bereits um 315 stattgefunden haben soll. Das Fresko basiert auf dem Constitutum Constantini (auch Donatio Constantini ad Silvestrem genannt), einer Urkunde von Konstantin an Papst Silvester. In der deutschen Mediävistik hat sich der Begriff „Konstantinischen Schenkung“ etabliert. Doch eine weitere Bezeichnung des Constitutum Constantini ist vielleicht sogar noch bekannter und enttarnt die Geschichte der Konstantinischen Schenkung: die Konstantinische Fälschung.
Die Thematik der Konstantinischen Fälschung ist höchst interessant, jedoch auch sehr komplex, sodass der Artikel in drei Teile aufgeteilt wird: Der erste beschäftigt sich mit den Problemen der Datierung, des Entstehungsortes und den möglichen Fälschern der Urkunde sowie dem Inhalt des Constitutum Constantini. Der zweite Teil analysiert die Rezeptionsgeschichte im Mittelalter und die Frage, wie und ob die Päpste diese Fälschung tatsächlich benutzt haben. Ein letzter Teil betrachtet den Nachweis der Fälschung im 15. Jahrhundert und bereits zuvor geäußerte Zweifel verschiedener Gelehrter.
Das Constitutum Constantini besteht aus zwei Teilen: Nach einem Glaubensbekenntnis folgt die Urkunde von Kaiser Konstantin an Papst Silvester I. Der Inhalt bietet einige brisante Schenkungen von Konstantin an Papst Silvester und alle seine Nachfolger als Dank für seine Heilung (Konstantin erkrankte an Aussatz/Lepra und wurde von Silvester geheilt) und anschließende Taufe. Die Dankbarkeit Konstantins wäre bei Echtheit der Urkunde, basierend auf seinen Schenkungen, sehr groß gewesen. Denn alle seine vermeintlichen Schenkungen zielten darauf ab, die Stellung des Papstes im lateinischen Westen zu sichern und diese Stellung sogar über seine eigene kaiserliche Amtsgewalt zu erhöhen. Dazu erhielt der Bischof Roms, also der Papst, den Primat (den Vorsitz) über alle anderen Kirchen (Konstantinopel, Antiochia, Alexandria und Jerusalem), ihm wurden die kaiserlichen Insignien übergeben (Krone, Phrygium, Gürtel und Schulterkleid des Kaisers) sowie mehrere Ehrenrechte verliehen (z.B. der Statordienst, ein Unterwerfungsritual bei dem die rangniedere Person die Zügel des Pferdes der ranghöheren Person nimmt und eine gewisse Strecke das Pferd samt Reiter (hier der Papst) mit sich führt). Zusätzlich schenkte Konstantin dem Papst und allen seinen Nachfolgern Besitztitel auf alle Zeit: Italien und den ganzen Westen. Laut Schenkung in der Urkunde hätte der Papst damit die Herrschaft im kompletten lateinischen Westen übernehmen sollen. Konstantin selbst kündigte an nach Byzanz (später dann Konstantinopel) zu gehen, denn weder er selbst noch alle seine Nachfolger dürften weiterhin dort Gewalt ausüben, wo der Prinzipat der Priester und das Haupt des Christentums säßen.
Zusammenfassend erhielten Papst Silvester und alle seine Nachfolger damit eine kaiserähnliche Machtfülle und einen kaiserähnlichen Rang von Kaiser Konstantin verliehen. Zusätzlich erhielt die römische Kirche mehrere bedeutende Besitzungen. Der Inhalt des Constitutum Constantini war damit seit seiner Entstehung ein potentiell unglaublich signifikantes Machtinstrument für alle Päpste, besonders dann, wenn es zu Auseinandersetzungen mit Kaisern und Königen kam.
Der Inhalt und die Deutung des Constitutum Constantini sind relativ eindeutig. Schwieriger wird es bei der Datierung, dem Entstehungsort und den Fälschern. Diese Aspekte beschäftigen Historiker und Gelehrte schon seit sehr langer Zeit (mehr dazu im dritten Teil: Der Nachweis der Fälschung), sodass es immer wieder neue Deutungen gab. So auch 2007, als Johannes Fried die Datierung und den Entstehungsort neu interpretierte, mit seiner Argumentationskette eine neue Deutung der Geschehnisse lieferte und diese somit der Interpretation der älteren Forschung entgegenstellte. Obwohl beide Deutungen sehr unterschiedlich voneinander sind, erscheinen sie beide durchaus glaubwürdig. Der folgende Abschnitt bezieht sich hauptsächlich auf die Interpretation von Johannes Fried und stellt ihr die konträre Meinung der älteren Forschung kurz gegenüber.
Frieds Argumentationskette beginnt bei der Überlieferung des Constitutum Constantini. Neben einigen Überlieferungen in kanonistischen Werken sind vor allem zwei Überlieferungen zentral: die sogenannte „fränkische Version“, die gleichzeitig auch der älteste Text ist, und eine Version in den pseudoisidorischen Dekretalen (Dekretale = eine Antwort eines Papstes auf eine Rechtsanfrage, die anschließend in eine Sammlung aufgenommen wurde). Die „fränkische Version“ stammt aus einem Formelbuch des Klosters St. Denis nördlich von Paris und ist auf das Ende des 9. Jahrhunderts datiert, wobei die Texte des Formelbuchs bereits zu Beginn des 9. Jahrhunderts zusammengestellt wurden und damit auch die Urkunde Konstantins aus dieser Zeit stammen muss. Die Version in den pseudoisidorischen Dekretalen, die für sich selbst übrigens auch eine kirchenrechtliche Fälschung sind, geht zurück auf das zweite Viertel des 9. Jahrhunderts und kommt aus dem heutigen Ostfrankreich. Die Fälscher der pseudoisidorischen Dekretalen stimmen aber nicht mit den Fälschern der fränkischen Version des Constitutum Constantini überein, denn dieses wurde als ein bereits vorgefertigtes Dokument in die Dekretalen übernommen. Diese Vorlage ist also älter als die Dekretalen, wird auf die Mitte des 9. Jahrhunderts datiert und stammt vermutlich aus dem Kloster Corbie in Westfrankreich.
Johannes Fried schließt aus dieser Überlieferung die Datierung und auch den möglichen Entstehungsort: Das Constitutum Constantini entstand demnach im Zeitraum um 830 und wurde in einem westfränkischen Kloster, vermutlich Corbie oder St. Denis, gefälscht. Mit dieser Deutung stellt er sich der Meinung der älteren Forschung gegenüber (s. Tabelle).
Fried
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Ältere Forschung
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Datierung
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Zeitraum um 830
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8. Jahrhundert
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Entstehungsort
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Westfränkisches Kloster (Corbie oder St. Denis)
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Die päpstliche Kurie
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Fälscher
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Hilduin von St. Denis, Wala von Corbie und Walahs Nachfolger Paschasius Radbertus
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Mitarbeiter der päpstlichen Kurie
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Gründe der Fälscher
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Strenge Kritiker von Kaiser Ludwig dem Frommen
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Verbesserte Stellung der Päpste gegenüber dem Kaiser
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Damit stehen für Fried auch die möglichen Fälscher fest: Abt Hilduin von St. Denis (814-840), Abt Wala von Corbie (826-831) und dessen Nachfolger Paschasius Radbertus. Die Frage nach dem Grund der Fälschung kann damit auch relativ leicht beantwortet werden, denn alle drei Äbte waren strenge Kritiker von Kaiser Ludwig dem Frommen (813-840), insbesondere von seiner Reichsordnung und seiner Kirchenherrschaft. Zur Rechtfertigung und Legitimation des Inhalts des Constitutum Constantini griffen sie mit Konstantin auf den ersten christlichen Kaiser zurück, um Ludwig den Frommen kirchenrechtlich in seine Schranken zu verweisen. Frieds Argumentationskette ist damit abgeschlossen und in sich sicher schlüssig. Dennoch ist die Quellenlage zu diesem Thema so löchrig, dass Frieds Deutungen keine Beweise liefern und nicht über Wahrscheinlichkeiten hinausgehen können.
Ob Ludwig der Fromme diese Urkunde jemals gesehen hat oder ob er überhaupt der Empfänger der Urkunde war, kann nicht nachgewiesen werden und ist nur eine Vermutung Frieds und Teil seiner Argumentationskette.
Eines sei hier bereits für den zweiten Teil vorweggenommen: Ob in dem Wissen, dass sie eine Fälschung vorliegen hatten oder nicht, benutzten mehrere Päpste den Inhalt des Constitutum Constantini gegen ihre Gegner, vor allem gegen Kaiser, die die Stellung des Papstes angriffen. An mehreren Beispielen wird im zweiten Teil die Rezeptionsgeschichte der Konstantinischen Schenkung im Mittelalter beleuchtet.
Quellen/Literatur und Links:
Das Constitutum Constantini (Konstantinische Schenkung).
Text, hrsg. von Horst Fuhrmann (MGH. Fontes iuris Germanici antiqui in usum
scholarum 10), Hannover 1968.
http://www.dmgh.de/de/fs1/object/display/bsb00000665_meta:titlePage.html
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