Sonntag, 10. August 2014

Ecclesia und Synagoga – Die Geschichte zweier Königinnen


In der bildenden Kunst des Mittelalters tauchen immer wieder zwei Frauenfiguren auf - Ecclesia und Synagoga/e -, deren Geschichte in diesem Artikel näher vorgestellt werden soll.

Das sogenannte Ecclesia-Synagoga-Motiv entwickelte sich wohl um 850, das heißt unter der Herrschaft der Karolinger. Dabei standen Ecclesia und Synagoga beinahe immer allegorisch, das heißt bildlich und stellvertretend, für die beiden Religionen Christentum und Judentum. Sie tauchten gemeinsam oder einzeln auf Fresken, als Statuen, in und an Kirchenbauten sowie in Büchern auf. In der Frühzeit des Christentums galten sie dabei zunächst als gleichberechtigte Bräute Christi, was sich auch in ihrer Darstellung widerspiegelte. Beide wurden als starke, erhabene und gekrönte Frauen präsentiert, die sich häufig nur dadurch unterschieden, dass die Ecclesia in einer betenden Haltung gezeigt wurde, während die Kleidung der Synagoga häufig antike Züge aufwies und so auf die längere Existenz des Judentums gegenüber dem Christentum hindeutete.

Im Zuge des zunehmenden Konkurrenzkampfes zwischen Christentum und Judentum veränderte sich ihre Bedeutung dann in der Hinsicht, dass Ecclesia von nun an als neu erwählte und einzige Braut Christi angesehen und Synagoga folglich diese Rolle abgesprochen wurde. Eine weitere mittelalterliche Auslegung sah in Ecclesia die Verkörperung des Neuen Testaments, des Neuen Bundes mit Jesu und des Neuen im Allgemeinen, während es galt, Synagoga in ihrer Rolle als Vertreterin des Alten Testaments und des Alten Bundes abzulösen. Dieser angedeutete Sieg des Christentums über das Judentum und die damit gewonnene neue Überheblichkeit der Ecclesia ging einher mit einer bis hin zur Polemik reichenden Erniedrigung der Synagoga auf bildlicher Ebene.

Während Ecclesia auch weiterhin als stolze Königin dargestellt und vermehrt mit einem Kreuz und einem Kelch abgebildet wurde, um auf ihre Verbindung mit Christi hinzuweisen, erschien Synagoga mehr und mehr als geschlagene Frau im Angesicht der triumphierenden Ecclesia. Häufig scheint ihre Krone vom Kopf zu rutschen oder diese liegt bereits am Boden. Ihr Stab oder ihre Lanze ist zerbrochen, die Torarolle gleitet ihr aus den Händen, ihr Blick ist abgewandt und ihre Körperhaltung gebückt. Auch gibt es Darstellungen, in welchen Synagoga eine Binde oder einen Schleier über den Augen trägt. Ihre vermeintliche Blindheit bezieht sich dabei darauf, dass sie in Jesus nicht den Messias erkennt, sondern weiter auf dessen Eintreffen warte. Allerdings besteht hier noch die Möglichkeit einer Bekehrung, da ihre Blindheit keine endgültige ist. Schließlich finden sich in einigen Abbildungen auch Anspielungen auf den Teufel, mit welchem Synagoga angeblich in einem Bund stehe.

Es war die Darstellung der Synagoga, die sich über die Jahrhunderte drastisch und ausschließlich zum Negativen veränderte, ähnlich und parallel zum Verhältnis der Christen zur jüdischen Minderheit. Gleichzeitig gewann die Figur der Ecclesia, wenn überhaupt, an Schönheit und Macht. Auch auf literarischer Ebene wurde der Gegensatz der beiden Allegorien verarbeitet. Ecclesia wurde hierbei unter anderem mit Schönheit, Keuschheit, Erkenntnis und Herrschaft assoziiert, während für Synagoga nur Hässlichkeit, Verdorbenheit, Verblendung und der Verlust von Herrschaft übrig blieben.

In Einzeldarstellungen, das heißt, in Darstellungen in welchen Ecclesia und Synagoga einander nicht gegenüber gestellt wurden, tauchte Synagoga zudem auch als Mörderin Christis auf, ausgestattet mit den Werkzeugen der Passion und einer Dornenkrone. Ihren Höhepunkt erreichten die diffamierenden Bilder schließlich im 15. und 16. Jahrhundert, als die Synagoga jetzt von Christus getötet und so für alle Zeiten besiegt wurde.

Abbildungen von Ecclesia und Synagoga, die für alle sichtbar zu betrachten sind, finden sich noch heute. Besonders bekannt sind dabei jene am Bamberger Dom und am Straßburger Münster, sowie die Darstellung, die sich an Notre-Dame in Paris findet und die wir zur Veranschaulichung für diesen Artikel ausgewählt haben. 

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