In der bildenden Kunst
des Mittelalters tauchen immer wieder zwei Frauenfiguren auf - Ecclesia und
Synagoga/e -, deren Geschichte in diesem Artikel näher vorgestellt werden soll.
Das sogenannte
Ecclesia-Synagoga-Motiv entwickelte sich wohl um 850, das heißt unter der
Herrschaft der Karolinger. Dabei standen Ecclesia und Synagoga beinahe immer allegorisch,
das heißt bildlich und stellvertretend, für die beiden Religionen Christentum
und Judentum. Sie tauchten gemeinsam oder einzeln auf Fresken, als Statuen, in
und an Kirchenbauten sowie in Büchern auf. In der Frühzeit des Christentums
galten sie dabei zunächst als gleichberechtigte Bräute Christi, was sich auch
in ihrer Darstellung widerspiegelte. Beide wurden als starke, erhabene und
gekrönte Frauen präsentiert, die sich häufig nur dadurch unterschieden, dass
die Ecclesia in einer betenden Haltung gezeigt wurde, während die Kleidung der
Synagoga häufig antike Züge aufwies und so auf die längere Existenz des
Judentums gegenüber dem Christentum hindeutete.
Im Zuge des zunehmenden
Konkurrenzkampfes zwischen Christentum und Judentum veränderte sich ihre Bedeutung
dann in der Hinsicht, dass Ecclesia von nun an als neu erwählte und einzige
Braut Christi angesehen und Synagoga folglich diese Rolle abgesprochen wurde.
Eine weitere mittelalterliche Auslegung sah in Ecclesia die Verkörperung des
Neuen Testaments, des Neuen Bundes mit Jesu und des Neuen im Allgemeinen,
während es galt, Synagoga in ihrer Rolle als Vertreterin des Alten Testaments
und des Alten Bundes abzulösen. Dieser angedeutete Sieg des Christentums über
das Judentum und die damit gewonnene neue Überheblichkeit der Ecclesia ging einher
mit einer bis hin zur Polemik reichenden Erniedrigung der Synagoga auf
bildlicher Ebene.
Während Ecclesia auch
weiterhin als stolze Königin dargestellt und vermehrt mit einem Kreuz und einem
Kelch abgebildet wurde, um auf ihre Verbindung mit Christi hinzuweisen,
erschien Synagoga mehr und mehr als geschlagene Frau im Angesicht der
triumphierenden Ecclesia. Häufig scheint ihre Krone vom Kopf zu rutschen oder
diese liegt bereits am Boden. Ihr Stab oder ihre Lanze ist zerbrochen, die
Torarolle gleitet ihr aus den Händen, ihr Blick ist abgewandt und ihre
Körperhaltung gebückt. Auch gibt es Darstellungen, in welchen Synagoga eine
Binde oder einen Schleier über den Augen trägt. Ihre vermeintliche Blindheit
bezieht sich dabei darauf, dass sie in Jesus nicht den Messias erkennt, sondern
weiter auf dessen Eintreffen warte. Allerdings besteht hier noch die
Möglichkeit einer Bekehrung, da ihre Blindheit keine endgültige ist.
Schließlich finden sich in einigen Abbildungen auch Anspielungen auf den
Teufel, mit welchem Synagoga angeblich in einem Bund stehe.
Es war die Darstellung
der Synagoga, die sich über die Jahrhunderte drastisch und ausschließlich zum
Negativen veränderte, ähnlich und parallel zum Verhältnis der Christen zur
jüdischen Minderheit. Gleichzeitig gewann die Figur der Ecclesia, wenn überhaupt,
an Schönheit und Macht. Auch auf literarischer Ebene wurde der Gegensatz der
beiden Allegorien verarbeitet. Ecclesia wurde hierbei unter anderem mit
Schönheit, Keuschheit, Erkenntnis und Herrschaft assoziiert, während für
Synagoga nur Hässlichkeit, Verdorbenheit, Verblendung und der Verlust von
Herrschaft übrig blieben.
In Einzeldarstellungen,
das heißt, in Darstellungen in welchen Ecclesia und Synagoga einander nicht
gegenüber gestellt wurden, tauchte Synagoga zudem auch als Mörderin Christis
auf, ausgestattet mit den Werkzeugen der Passion und einer Dornenkrone. Ihren
Höhepunkt erreichten die diffamierenden Bilder schließlich im 15. und 16.
Jahrhundert, als die Synagoga jetzt von Christus getötet und so für alle Zeiten
besiegt wurde.
Abbildungen von
Ecclesia und Synagoga, die für alle sichtbar zu betrachten sind, finden sich noch
heute. Besonders bekannt sind dabei jene am Bamberger Dom und am Straßburger
Münster, sowie die Darstellung, die sich an Notre-Dame in Paris findet und die
wir zur Veranschaulichung für diesen Artikel ausgewählt haben.
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