Seit dem 14. Jahrhundert entstanden in den deutschen Städten die ersten Bordelle, die zeitgenössisch auch euphemistisch als frowenhus (Frauenhaus) bezeichnet wurden. Da auch beispielsweise Frauenklöster als Frauenhäuser bezeichnet wurden, suggeriert die Bezeichnung frowenhus zunächst, dass es sich dabei um Herbergen handelte, in denen alleinstehende Frauen Zuflucht finden konnten. Die in einer Stiftungsurkunde aus dem 14. Jahrhundert für ein Frauenhaus in Wien verwendete Bezeichnung vanchnusse leibs vnd sels macht jedoch ganz deutlich, dass solche Frauenhäuser keine Herbergen, sondern vielmehr Zwangseinrichtungen waren, die von Frauenwirten und Frauenwirtinnen unterhalten wurden und in die die in den Städten lebenden Prostituierten häufig gegen den eigenen Willen und mit Gewalt ‚eingewiesen‘ wurden. Im Mittelpunkt dieses kurz!-Artikels sollen die Frauenhäuser in den mittelalterlichen Städten, die Frauen, die in diesen lebten, sowie die Umstände, unter denen die Frauen leben mussten, stehen.
Joachim Beuckelaer: Bordell (1562) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/6b/Joachim_Beuckelaer_-_Brothel_-_Walters_371784.jpg |
Im 14. Jahrhundert waren Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit Prostitution standen, in den spätmittelalterlichen Städten alltäglich und die Stadträte, die sich in der Verpflichtung sahen, innerhalb der Stadtmauern mithilfe des Stadtrechts den Frieden zu sichern, wurden immer wieder neu mit diesen Konflikten konfrontiert. Die Stadtbewohner erachteten die Prostituierten als sozial und moralisch verachtenswert und immer wieder wurde ihnen mit Gewalt begegnet, obwohl man versuchte, aggressive Übergriffe mit Strafen zu unterbinden. Zudem bedingten die mit der Prostitution verbundenen Auseinandersetzungen, dass der rechtliche Status ‚fahrender Frauen‘ ausgehandelt werden musste, da sie keinen männlichen Rechtsbeistand hatten, der in Streitfällen für sie einstehen konnte. Die Stadträte, die den innerstädtischen Frieden wahren wollten, standen so im Konflikt mit den Stadtbewohnern, deren Verhalten auf die Ausgrenzung der Außenseiterinnen aus der Stadt abzielte. Deswegen wurden die Frauen von den Stadträten zunächst in größeren Städten unter die Obhut städtischer Bediensteter, wie beispielweise dem Scharfrichter oder Gerichtsdienern, gestellt und es wurden für sie spezielle Viertel eingerichtet. In kleineren Städten wurden vom Rat Frauenwirte oder Frauenwirtinnen eingesetzt, in deren eigenem Haus oder gepachtetem Haus sich alle Frauen der Stadt, die allein von der Prostitution lebten, aufzuhalten hatten. So entstanden unter Mithilfe der Stadträte die ersten Etablissements zur Prostitution. Zudem gab es spezielle Kleidungsstücke oder Zeichen, die die Prostituierten tragen mussten, um erkennbar zu sein. Der Schutz der Prostituierten durch den Rat baute somit auf sichtbarer sozialer Ausgrenzung auf. Auch wenn die Stadträte, die die Vorstellung eines moralisch einwandfreien Lebens in der Stadt vertraten, die Prostitution nicht in Einklang mit diesen Moralvorstellungen bringen konnten, so betrachteten sie diese dennoch als notwendiges Übel um, so dokumentiert es die Stiftungsurkunde eines Münchener Frauenhauses 1433, vil ubls an frawen und junckfrawen durch Männer zu verhindern. Aufgrund des strengen Eherechts, das es vielen Männern aus unterschiedlichsten Gründen verwehrte, zu heiraten und wegen der mit außerehelichem Geschlechtsverkehr unverheirateter Paare einhergehenden gesellschaftlichen Ächtung kam es häufig zu Vergewaltigungen. Die männliche Sexualität wurde als Triebkraft angesehen, die von Zeit zu Zeit ein Ventil brauche. In den Anfängen der Frauenhäuser wurde auch verheirateten Männern eine außerhalb der Ehe stattfindende sexuelle Betätigung erlaubt, die hingegen den Frauen verboten war. Ab dem 15. Jahrhundert bemühten sich die Stadträte jedoch darum, die Frauenhäuser nur für unverheiratete Männer zu reservieren; Kleriker und Ehemänner, die diese aufsuchten, wurden systematisch bestraft. Die Frauenhäuser entwickelten sich so im Verlauf des 15. Jahrhunderts zu einem Ersatz für außer- und uneheliche Beziehungen von unverheirateten Männern.
Die Frauenwirte/Frauenwirtinnen waren innerhalb der Frauenhäuser für ein friedliches Beisammensein verantwortlich und traten gleichsam als Garanten obrigkeitlicher Ordnung auf. Der Kölner Ratsherr Hermann von Weinsberg hält beispielsweise 1594 retrospektiv fest, dass viele gewalttaten und toitsclege geschahn auch uff dem frauwenhaus, die es dann zu schlichten galt. Andererseits bedeuteten diese enormen Machtbefugnisse auch, dass die Frauen der Gewalt der Frauenwirte und Frauenwirtinnen ausgesetzt waren. Auch wenn es Regelungen und Visitationen durch die Räte in den Frauenhäusern gab, die willkürliche Gewalt unterbinden sollten, die Frauenhäuser hielten gegen die Stadträte zusammen. Denn insgesamt galten beispielsweise körperliche Züchtigungen als durchaus gerechtfertigte Strafen, es sei denn, die bestraften Frauen kamen infolgedessen zu Tode. Häufig wurden die Frauenwirtinnen unter Mithilfe des Rates auch durch Männer ersetzt, weil man sich von ihnen gegenüber den Prostituierten eine größere Durchsetzungskraft erhoffte. Die Gewalt des Frauenwirts galt gleichsam als Gepflogenheit, weil sie seine Autorität unterstrich. Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden immer mehr Frauenhausordnungen, mit denen die Stadträte versuchen, die Frauen vor Willkür und Abhängigkeit zu schützen. Der Rat sah in den Prostituierten zwar Sünderinnen, ihnen sollte jedoch der Weg zurück ins ehrbare Leben offenstehen, ohne eine vom Frauenwirt/von der Frauenwirtin ausgehende Gefahr befürchten zu müssen.
Daneben war es die Aufgabe derjenigen, die die Frauenhäuser leiteten, darauf zu achten, dass die kirchlichen Sexualnormen eingehalten werden: Ehebruch sowie die Prostitution am Vorabend kirchlicher Feiertage galt es unter allen Umständen zu unterbinden. Die Frauenwirte und Frauenwirtinnen bemühten sich fortdauernd selbst um die Beschaffung von Prostituierten, wodurch sich die Frauenhäuser selbst zu Zentren des Frauenhandels entwickelten. Gerade weil die Leiter/Leiterinnen an der Entlohnung jeder Prostituierten beteiligt waren, hatten sie ein großes Interesse daran, möglichst viele Frauen im Haus zu haben. Frauen wurden trotz zahlreicher Verbote und Verordnungen verkauft, vermietet, gehandelt und von den Frauenwirten/Frauenwirtinnen mit oder ohne Gewalt in die Bordelle verschleppt. Familienväter hatten gerade in Notzeiten, so überliefert es etwa eine Bestimmung im Schwabenspiegel, die Erlaubnis, die Ehefrau und die Töchter zu verkaufen. Auch wenn der Verkauf an Frauenhäuser offiziell verboten war, war dies dennoch ein gängiger Handel, den Frauenwirte/Frauenwirtinnen annahmen. Der weibliche Körper stellte in der Gesellschaft ein Kapital dar, auf das im Notfall zurückgegriffen wurde. Anscheinend war auch die Verschleppung von Frauen aus anderen Ländern zum Zwecke der Prostitution Usus. Eine Straßburger Verordnung aus dem Jahr 1500 beklagt etwa, dass häufig frowen und döchtere us andern landen ufgeweget und har in die frowenhüser versetzt und verkouft werdent, und dann soliche personen durch die frowenwürte und würtin, über und wider iren willen, in süntlichen wesen behalten und verhuotet werden, das sie nit davon kommen mögent. Auch Ehebrecherinnen, die mit einer Züchtigungsstrafe zu rechnen hatten, konnten von den Frauenwirten/Frauenwirtinnen in die Frauenhäuser gebracht werden. Ein Ratserlass aus München erlaubt es 1533, dass Frauen so lange von Frauenwirten/Frauenwirtinnen in die Bordelle eingezogen werden können, bis sie bereit sind, vom sündigen Leben abzulassen. Daneben wurde auch auf offener Straße, häufig mit Gewalt, versucht, Frauen für die Frauenhäuser zu gewinnen. So wird in Konstanz 1449 der Frauenwirt Hanns Schertzinger bestraft, weil er erstens einem jungen Mann nachts seine Ehefrau (!) uff der gassen beschalkat und misshandelt hät und die in dz frowenhus gezogen habe und zweitens eine andere junge Frau mit worten fast darzu gelukert hat, das si iren magtumen (Jungfräulichkeit) in sinem frowenhus verloren hat. Befand sich eine Frau erst einmal im Frauenhaus, wurde mit allen Mitteln der Frauenwirte/Frauenwirtinnen und der dort lebenden Frauen versucht, diese dazu zu bewegen, sich zu prostituieren. In Konstanz ist 1505 ein Fall überliefert, dass eine für ein Frauenhaus engagierte Köchin von den Prostituierten und dem Frauenwirt mit Gewalt zur Prostitution gezwungen wurde: Ain frow von lindow hatt angebracht, es syg der frowenwirt Hanns Metzger gen Bibrach kummen und hab sy gedingt zü ainer kochinen, do hab sy ußgedingt, sy welle nüt arges thuon. Als sy nun herkummen syg, wollt er sy zwingen, das sy thet wie die anderen, das welte sy nit thuon, so schlugen die frowen sy. Selbst vor Kinderprostitution wurde nicht zurückgeschreckt. Deswegen ordnete der Straßburger Rat 1493 an, noch minderjährige Prostituierte erst körperlich zu züchtigen und dann der Stadt zu verweisen. Deutlich wird hier, dass der Rat weniger am Schicksal der jungen Mädchen interessiert war, sondern vielmehr das Ziel verfolgte, die innerstädtische Sittlichkeit zu gewährleisten, gegen die die Kinderprostitution verstieß.
Die Frauen selbst hatten häufig nur wenige bis gar keine Möglichkeiten, sich gegen den Verkauf oder die zeitlich begrenzte Vermietung zu wehren und häufig besiegelte der Eintritt einer Frau ins Frauenhaus ihr weiteres Schicksal. Gab es Widerstand, wurden die Frauen meistens mit Züchtigungen gefügig gemacht und nicht selten endeten diese körperlichen Misshandlungen mit dem Tod. Die Flucht einer Prostituierten bedeutete für den Frauenwirt/die Frauenwirtin enorme finanzielle Einbußen, weswegen in vielen Städten eine Gefängnisstrafe drohte. Die Sympathien der Frauenhausbesucher waren in den Fällen der Flucht häufig auf der Seite der Prostituierten und nicht auf der Seite der Frauenwirte/Frauenwirtinnen. Es sind zahlreiche Fälle überliefert, in denen die Prostituierten Unterstützung von den Frauenhausbesuchern bei ihren Fluchtplänen oder der Durchführung ihrer Flucht bekamen.
Der Druck, der auf den Bewohnerinnen der Frauenhäuser lastete, war groß: Zwar statteten die Frauenwirte/Frauenwirtinnen die Prostituierten mit Essen, Trinken und Kleidung aus, doch mussten die Frauen finanziell selbst dafür aufkommen. Konnten sie die Kosten nicht bezahlen, verschuldeten sie sich und die Frauenwirte/Frauenwirtinnen banden die Prostituierten mit einer Schuldhaft an sich. Durch höhere Kosten für Übernachtungen und Verpflegung konnte die Verschuldung um ein weiteres in die Höhe getrieben werden. Daneben wurde den Bordellbewohnerinnen auch häufig der Kirchgang verboten, weswegen der Straßburger Rat 1500 anordnete, dass dyrnen allezit iren fryen willen und wandel haben zuo gän und zuo stän zuo kyrchen, zuo predigen, messe zu hören und andern gotzdienst war und wohin inen geliept, unverhindert der frowenhürte oder hushältere.
Die bereits genannten Frauenhausordnungen, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden, zielten darauf ab, die in den Frauenhäusern lebenden Prostituierten zur Rückkehr in ein ehrbares Leben zu bekehren. Allerdings war der Rat immer mehr der Überzeugung, dass die Frauen nicht zu bekehren waren, weswegen jetzt vermehrt ein Ausschluss dieser aus dem städtischen Leben vorangetrieben wurde: Prostituierten wurde beispielsweise der Gang in die Wirtschaften verwehrt und auch die Teilnahme an gesellschaftlichen Feierlichkeiten war verboten. Zudem drängten zahlreiche katholische und protestantische Autoritäten die Stadträte dazu, den Schutz der Prostituierten aus sittlichen Gründen aufzugeben und die Frauenhäuser schließen zu lassen. Die Schließung wurde damit begründet, dass die Frauen und Frauenhäuser Unzucht und Unmoral in die Städte bringen würden. Gerade in kleineren Städten wurden deswegen die Frauenhäuser schon ziemlich schnell geschlossen und die Prostituierten nicht selten mit Gewalt aus der Stadt getrieben. Insbesondere nach der Reformation gaben die städtischen Obrigkeiten den Schutz der Prostituierten mehr und mehr auf. Mit Luther war es nun möglich geworden, die Frauen aus der Gesellschaft auszuschließen, weil die Ehe zum einzigen legitimen Ort der Sexualität erklärt wurde. Die Schließung der Frauenhäuser bedeutete jedoch nicht das Ende der Prostitution, denn insbesondere in den Unterschichtenvierteln und Vorstädten gab es nach wie vor Orte, an denen Prostitution betrieben wurde.
Zum Weiterlesen
- Schranck, Josef: Die Prostitution in Wien in historischer, administrativer und hygienischer Beziehung. Band 1, Wien 1886.
- Schuster, Beate: Wer gehört ins Frauenhaus? Rügebräuche und städtische Sittlichkeitspolitik im 15. und 16. Jahrhundert, in: Reinhard Blänker und Bernhard Jussen (Hgg.): Institution und Ereignis. Über historische Praktiken und Vorstellungen gesellschaftlichen Ordnens (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 138), Göttingen 1998, S. 185-252.
- Schuster, Beate: Frauenhandel und Frauenhäuser im 15. und 16. Jahrhundert, in: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 78,2 (1991), S. 172-189.
- Schuster, Peter: Das Frauenhaus. Städtische Bordelle in Deutschland 1350-1600, Paderborn 1992.
- Schuster, Beate: Art. Frauenhaus, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online http://dx.doi.org/10.1163/2352-0248_edn_a1148000[zuletzt abgerufen: 10. März 2019]
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