Testamente, Gerichtsurkunden, Versicherungen, Freikaufverträge und Heiratsverträge geben zahlreiche Hinweise auf die Beziehungen zwischen Sklavenhaltern und ihren Sklaven im Mittelmeerraum während des Mittelalters. Sie zeigen jedoch auch deutlich ihre Machtlosigkeit gegenüber und die Fremdbestimmtheit durch diese.
Neben den in den ersten beiden Teilen der kurz!-Reihe aufgezeigten unterschiedlichen Möglichkeiten der Sklaverei auf legalem oder illegalem Wege zu entfliehen sowie den sehr heterogenen und meist vom Sklavenhalter abhängigen Lebensbedingungen, bis hin zu den Verdienstmöglichkeiten und individuellen Lebensgeschichten, zeichnet sich das Leben der Sklaven naturgemäß durch starke Einschränkungen, Unterdrückung und ein fremdbestimmtes Leben in Gefangenschaft aus. Dies heißt nicht, dass das Leben in Sklaverei menschliche Emotionen, Beziehungen und Sexualität ausschloss. Doch was passierte, wenn Sklavinnen und Sklaven sich verliebten oder körperliche Beziehungen eingehen wollten? Wenn Sklavinnen letztlich sogar schwanger wurden oder heiraten wollten?
In diesem kurz!-Artikel soll ein Überblick über die Lebenswelt und Lebenswirklichkeit der Sklavinnen im Mittelmeerraum mit dem Fokus auf Sexualität, Kinder und Ehe gegeben werden. Dahingehend sollen zunächst die allgemeinen Lebensumstände und Rechte von Sklavinnen im Vergleich zu Dienstmädchen betrachtet werden, um daran anschließend die Sexualität der Sklavinnen, die Möglichkeiten einer Eheschließung und die Konsequenzen des Kinderkriegens zu thematisieren. Schließlich soll ein kurzer Vergleich zwischen dem nördlichen Mittelmeerraum und dem Orient die unterschiedlichen Regelungen im Umgang mit diesen Situationen verdeutlichen.
Der Anteil der Sklavinnen in den Städten lag im Spätmittelalter zwischen 71% und 97%. Abhängig von der jeweiligen Region wurden mehr Männer für die Landarbeit oder aber bedeutend mehr Frauen für den Dienst auf dem Hof, im Haus oder als Amme benötigt. Wie auch männlichen Sklaven wurden sie höchst unterschiedlich behandelt. Quellen, die von häuslicher Gewalt, sexueller Ausbeutung und Vergewaltigungen berichten, sind nicht selten. Von Quellen, die etwas über die Täter und deren juristischer Verfolgung aussagen, ist dagegen kaum etwas bekannt.
Bei der Betrachtung der Situation der Sklavinnen muss aber eine Unterscheidung zwischen wirklichen Sklavinnen und Dienstmädchen erfolgen: Der Aufgabenbereich war meist sehr ähnlich, wobei der Unterschied vor allem finanzieller Natur war. Der Kauf einer Sklavin war teurer, geschah aber auf Lebenszeit, wohingegen die Einstellung eines Dienstmädchens zeitlich zunächst begrenzt war, sodass der teurere, dafür aber längerfristige Kauf einer Sklavin eher angestrebt wurde. Außerdem konnte der Besitzer seine Sklavinnen weitervermieten und damit auf diesem Wege Geld einnehmen. Auch war der Freikauf eine Möglichkeit, das investierte Geld zu vermehren, denn ein Freikauf einer Sklavin wurde in der Regel höher angesetzt als der Kaufpreis. Ein weiterer Unterschied zwischen Sklavinnen und Dienstmädchen war der soziale Status. In Verträgen zur Beschäftigung eines Dienstmädchens wurde von ihrer Familie häufig Wert darauf gelegt, dass das Mädchen oder die Frau ausschließlich ehrbare Aufgaben übernehmen dürfe, was sie vor sexueller Ausbeutung bewahren und ihren Status als freie Person sichern sollte. Dies entsprach gleichzeitig einer rechtlichen Absicherung vor Auseinandersetzungen mit dem Hausherrn, denn Familienmitglieder durften als Unterstützer des Dienstmädchens agieren und eingreifen und führte im Zweifelsfall dazu, dass Angehörige gegen den Hausherrn klagen konnten, wenn das Dienstmädchen unehrenhafte Aufgaben übernehmen musste. Sklavinnen erhielten einen solchen Schutz dagegen nicht automatisch. Es sind aber Fälle bekannt, in denen sich Personen gegen die schlechte Behandlung einzelner Sklavinnen aussprachen und auch angehört wurden.
Die als unehrenhafte geltende Prostitution war damit als „Aufgabe“ für Dienstmädchen ausgeschlossen, Sklavinnen aber wurden nicht selten zur Prostitution gezwungen, da sich für den Sklavenhalter daraus durchaus sehr lukrative Geschäfte ergaben. Vor allem dunkelhäutige Sklavinnen galten in europäischen Regionen als exotisch und waren deshalb besonders begeht. In allen Reichen und Regionen, in denen Sklaverei geduldet wurde, fand auch Prostitution statt. Doch es gab auch Ausnahmeregelungen. Das Königreich Valencia, nach der reconquista wieder unter christlicher Herrschaft, trat der Prostitution entgegen, indem es Sklavenhaltern aus religiösen Gründen verbot, zumindest ihre muslimischen Sklavinnen zur Prostitution freizugeben. Zudem wurden die Rechte der Sklavinnen gestärkt, indem sie Beschwerden gegen ihre Halter äußern durften und diese Beschwerden zum Teil vor Gericht verhandelt wurden. Zwangsprostitution führte in einigen nachgewiesenen Fällen zur Verurteilung der Sklavenhalter und zur sofortigen Freilassung der jeweiligen Sklavin. Trotz dieser Unterstützung wurde Prostitution auch im Königreich Valencia ausgiebig praktiziert.
Sklavenhalter missbrauchten ihre Position regelmäßig, indem sie ihre Sklavinnen vergewaltigten. Dies hatte sowohl mit der Machthierarchie als auch der ausbleibenden strafrechtlichen Verfolgung zu tun. Jedoch waren auch auf Gegenseitigkeit beruhende körperliche Beziehungen keine Ausnahme. Gingen aus Vergewaltigungen, körperlichen Beziehungen oder dem körperlichen Verkauf von Sklavinnen Kinder hervor, bestimmte jeweils ausschließlich der Besitzer über Freiheit oder Unfreiheit der Kinder. Das Kind wurden dann selbst versklavt und konnte später unabhängig von der Mutter und ohne ihre Zustimmung weiterverkauft werden. Dennoch verblieb das Kind, solange es im gleichen Haushalt lebte, in der Obhut der Mutter, die aber keine weiteren Ansprüche äußern konnte. Erreichte die Mutter die Freiheit, hieß das nicht, dass auch ihr Kind freikam. Diese Entscheidung oblag wieder alleine dem Sklavenhalter. Kam der Vater aber von außerhalb des Haushaltes, konnte dieser versuchen, sowohl die Mutter als auch das Kind freizukaufen. Demnach gab es Möglichkeiten und zahlreiche Bemühungen, die Kinder aus der Sklaverei zu befreien. Diese Bemühungen scheiterten jedoch häufig an den übertriebenen Forderungen der Besitzer, die Kapital aus diesem Umstand generieren wollten. Doch auch hier gab es regionale Unterschiede. Als Beispiel sei der Umgang mit Kindern in der Provence und Oberitalien genannt. Hier hatten Kinder von Sklavinnen nicht selten freie Väter. Dies führte zu einem unklaren und undefinierten Status der Kinder, die dann nicht selten automatisch als frei galten. Außerdem besaßen die Väter die Möglichkeit, ihre Kinder zu adoptieren, und ihnen dadurch die Freiheit zu schenken.
Darüber hinaus sind Fälle überliefert, in denen das Schwängern von Sklavinnen forciert wurde, um sie gemeinsam mit dem ungeborenen Kind zu einem höheren Preis zu verkaufen. Auch die durch die Schwangerschaft entstehende Möglichkeit zu stillen wurde ausgenutzt, indem die Mütter zum Fremdstillen gezwungen wurden und dadurch ebenfalls Geld eingenommen werden konnte.
Verliebten sich andere Sklaven oder freie Männer in Sklavinnen, war in beiden Fällen eine Ehe grundsätzlich möglich. Ersteres führte nicht automatisch zur Freiheit beider Sklaven, konnte unter Umständen, z.B. durch einen Freikauf unter erleichterten Bedingungen, aber dennoch erreicht werden. Die Lebensverhältnisse von versklavten Ehepaaren sind allerdings undurchsichtig: Ob sie in einem Haushalt oder weiterhin in verschiedenen Haushalten lebten, ist nicht belegt. Eine gegenseitige finanzielle Unterstützung zur frühzeitigen Erlangung der Freiheit ist dagegen in Verträgen aus dem 15. Jahrhundert zwischen Besitzern und Sklaven, in denen der Preis oder die noch ausstehende Beschäftigungsdauer festgehalten wurde, überliefert.
Wurde eine Ehe zwischen einer Sklavin und einem freien Mann mit der Zustimmung des Sklavenhalters geschlossen, wurde meist auch ein Auslösevertrag ausgehandelt, in welchem der Preis für die Freiheit der Frau festgehalten wurde. Der Ehemann musste also dem Sklavenhalter einen gewissen Betrag für seine zukünftige Ehefrau zahlen. Für freigewordene Frauen war die Ehe somit auch ein Weg der Integration in die Gesellschaft und führte häufig zu einer respektierten gesellschaftlichen Stellung. Für die freien Ehemänner konnte die Heirat mit einer Sklavin aber durchaus zu einem Statusverlust führen, da der Mann eine unfreie Frau heiratete. Auf den ersten Blick ungewöhnlich gilt die in einigen Fällen überlieferte Mitgift, die der Besitzer der Sklavin an den Ehemann übergab, um der ehemaligen Sklavin einen guten Ehemann zu sichern und den Eintritt in die Freiheit erleichtern zu können. Diese Mitgift wurde dann gegeben, wenn das Verhältnis der Sklavin zum Besitzer außerordentlich gut war. Nachweise für eine solche Mitgift finden sich vor allem in den Testamenten verstorbener Besitzer aus dem 13. bis 15. Jahrhundert, die ihren Sklavinnen für den Fall der Hochzeit die Mitgift hinterließen.
Der Umgang mit Sklaven war, wie bereits oben beschrieben, regional unterschiedlich und häufig auch abhängig von der dominierenden Religion. Im Orient wurde mit Sklavinnen und Sklaven anders umgegangen. Hier bedeutete Sklaverei den Besitz des Körpers der Person. Ob weiblich oder männlich, Sklaven wurden wie Gebrauchsgegenstände behandelt, hatten dementsprechend sehr wenige Rechte und durften sich beispielsweise auch nicht beschweren. Sie durften ohne Mitsprache verliehen, verpfändet, vererbt oder verschenkt werden. Neben dem Anspruch auf Essen und Kleidung besaßen sie das Recht auf gute Behandlung. Während Klagen gegen die schlechte Behandlung im nördlichen Mittelmeerraum bekannt sind, gilt das für den orientalischen Raum aber nicht.
Im Orient herrschte beinahe ein Selbstverständnis für die Aufgaben der Sklavinnen – sexuelle Dienste mit inbegriffen. Sexuelle Übergriffe vom Besitzer waren normal, legitim und wurden strafrechtlich nicht verfolgt. Männliche Sklaven jedoch waren von diesen Diensten ausgeschlossen und wurden fast ausschließlich für körperliche Arbeiten benutzt.
Sexuelle Beziehungen waren vor allem religiös reguliert: Ein Muslim durfte Sex mit seiner Sklavin haben, eine Muslimin mit ihrem Sklaven jedoch nicht. Klar definiert war auch der Status der Kinder von Sklavinnen. Der Sklavenhalter durfte alleine entscheiden, was mit ihnen geschehen sollte, wenn er gleichzeitig der Vater war. Er besaß sogar die Möglichkeit, das Kind alleine zu adoptieren und zu seinem Erben zu ernennen. War der Hausherr nicht der Vater, gelangte das Kind in dessen Besitz, wurde wie die Mutter versklavt und einzig nach seiner Vorstellung erzogen. Die Mutter hatte dahingehend keine Rechte.
Weniger Freiheiten besaßen Sklavinnen und Sklaven ebenfalls, wenn sie heiraten wollten. Im Orient durften sie eine Ehe mit einem freien Mann nur dann eingehen, wenn ihr Besitzer dieser Ehe ausdrücklich zustimmte, da die Sklavin nicht als Person mit Rechten angesehen wurde und nicht für sich selbst bestimmen durfte. Sie musste zudem Muslimin sein. Ehen zwischen Besitzern und Sklaven waren allgemein verboten, konnten aber dadurch ermöglicht werden, dass der Besitzer seine Sklavin kurzfristig frei ließ.
Sklaven besaßen demnach, abhängig von der jeweiligen Region, wenn überhaupt nur äußerst limitierte Rechte zur Selbstbestimmung und Selbstentfaltung. Die Fremdbestimmung umfasste alle Lebensbereiche, gerade auch die intimsten. Auch wenn regionale Unterschiede dazu führten, dass Sklavinnen besser behandelt wurden und mehr Rechte besaßen, führte dies nicht automatisch zu einer besseren Behandlung dieser. Dies zeigt besonders die sexuelle Ausbeutung sowie die Machtlosigkeit in Bezug auf das Leben ihrer Kinder.
Zum Weiterlesen:
Christoph CLUSE, Sklaverei im Mittelalter – der Mittelmeerraum. Eine kurze Einführung basierend auf Jacques HEERS, Esclaves et domestiques au moyen âge dans le monde méditerranéen, Paris 1981.
Alfred HAVERKAMP, Die Erneuerung der Sklaverei im Mittelmeerraum während des hohen Mittelalters. Fremdheit, Herkunft und Funktion, in: Elisabeth Herrmann-Otto (Hg.), Unfreie Arbeits- und Lebensverhältnisse von der Antike bis in die Gegenwart. Eine Einführung, Hildesheim u.a. 2005, S. 130-166.
Sally MCKEE, The Implications of Slave Women's Sexual Service in Late Medieval Italy, in: Erdem Kabadayi, Tobias Reichardt (Hg.), Unfreie Arbeit. Ökonomische und kulturgeschichtliche Perspektiven, Hildesheim u.a. 2007, S. 101–114.
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