Sonntag, 6. Januar 2019

Die ‚Blutgräfin‘ Elisabeth Báthory

Im Jahr 1836 verfasste der österreichische Schriftsteller Johann Nepomuk Vogl (1802-1866) eine Ballade mit dem Titel „Die Burgfrau zu Cseitha“. In dieser wird von einem „tiefen Keller“ erzählt, in dem „herzzerschneidend Schreien“ zu hören sei. Auch ist die Rede von einem Eisenkessel, der „zur Nacht gefüllet mit warmem Jungfernblut“ werde. Die dritte und letzte Strophe lautet schließlich folgendermaßen: „Drin badet sich die Schlossfrau auf ihres Zwergen Rat, die Jugend fest zu halten, die dem Verblühen naht, dort wäscht die welken Glieder das tigerhafte Weib und taucht ins Blut der Opfer den sündenvollen Leib.“ Mit der genannten Schlossfrau wird auf die sogenannte ungarische ‚Blutgräfin‘ Elisabeth Báthory (1560-1614) angespielt, die über 600 Mädchen gefoltert und umgebracht haben soll, um mit dem Blut ihrer Opfer ihre eigene Jugend zu erhalten. In diesem Artikel geht es um das Leben Elisabeth Báthorys, ihre begangenen Verbrechen, die Legendenbildung um diese und ihre bis heute anhaltende Rezeption.

Elisabeth Báthory im Alter von 25 Jahren, Porträt von 1585, gilt heute als verschollen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_B%C3%A1thory#/media/File:Elizabeth_Bathory_Portrait.jpg

Elisabeth oder Erzsébet Báthory wurde 1560 in Nyírbátor, einer kleinen Stadt im Nordosten Ungarns, in eine alte hochadelige Familie geboren. Ihre Mutter Anna Báthory von Somlyós war die ältere Schwester des seit 1576 regierenden polnischen Königs Stephan Báthory (1533-1586), ihr Vater Georg Báthory von Ecsed war ein hochrangiger Offizier. Elisabeth wuchs gemeinsam mit einem älteren Bruder und zwei jüngeren Schwestern auf und erhielt eine umfassende Bildung. So lernte sie beispielsweise Latein, Griechisch und Deutsch. Im Alter von 14 Jahren im Jahr 1575 wurde sie mit dem 19-jährigen Franz Nádasdy von Fogarasföld (1555-1604) verheiratet. Franz entstammte einem alten ungarischen Adelsgeschlecht und stand zunächst als Soldat und später als Kriegsobrist und Mitglied im Kriegsrat in kaiserlichen Diensten. Er war bekannt für sein militärisches Geschick und seine Grausamkeit gegenüber seinen Feinden insbesondere im Verlauf des Langen Türkenkrieges von 1593 bis 1606, weshalb er den Beinamen ‚Der schwarze Ritter‘ trug. Im Anschluss an die Hochzeit lebte das Paar auf der Burg Čachtice in der heutigen Slowakei. In der oben zitierten Ballade wird der Name der Burg mit Cseitha angegeben, im Deutschen wird sie Burg Schächtitz genannt. Aus der Ehe der beiden gingen fünf Kinder hervor, von denen drei das Erwachsenenalter erreichten. In Zeiten der Abwesenheit ihres Mannes lenkte Elisabeth die wirtschaftlichen und finanziellen Geschicke der Burg. Nachdem ihr Mann 1604 an einer Krankheit gestorben und ihr Bruder im darauffolgenden Jahr kinderlos verstorben war, war Báthory als Erbin zu einer sehr reichen und mächtigen Gräfin mit einer Vielzahl von Lehen und Gütern geworden. Es gelang ihr trotz ihres Geschlechts als neues Familienoberhaupt akzeptiert zu werden und für ihre Kinder strategisch sinnvolle Heiratsverbindungen auszuhandeln.

Über die genauen Geschehnisse auf der Burg und ihren weiteren Besitzungen nach dem Tod ihres Mannes ist nur wenig bekannt. Fest steht jedoch, dass Graf Georg Thurzo von Bethlenfalva, beauftragt vom ungarischen König Matthias II. (1557-1619), am 29. Dezember 1610 die Burg Čachtice stürmte, durchsuchte und Gräfin Elisabeth Báthory unter Hausarrest stellte. Womöglich waren die sich immer weiterverbreitenden Gerüchte letztlich der Auslöser für diese Untersuchung. Der Gräfin wurde vorgeworfen, zahlreiche Mädchen und Dienerinnen gefoltert und ermordet zu haben. Graf Thurzo soll bei seiner Durchsuchung der Burg schon nach kurzer Zeit die ersten Mädchenleichen gefunden haben. Ein Jahr später fand der Prozess gegen Báthory vor einem 14-köpfigen Adelsgericht statt, in dessen Verlauf sie selbst nicht zu den gegen sie vorgebrachten Anklagepunkten aussagen durfte. Befragt wurden hingegen zahlreiche Zeuginnen und Zeugen sowie ihre vier Mitangeklagten, darunter eine Amme, eine Wäscherin, eine Kammerzofe und ihr kleinwüchsiger Page. Aus den noch erhaltenen Prozessunterlagen, die 1817 erstmals veröffentlicht wurden, geht hervor, dass die Mitangeklagten zweimal verhört wurden, wobei das zweite Verhör jeweils unter Folter stattfand. Als heute gesichert gilt, dass Báthory mit Hilfe ihres Personals zahlreiche junge Mädchen, die vor allem aus Bauernfamilien stammten, unter dem Vorwand einer Anstellung auf ihre verschiedenen Burgen lockte. Meistens unmittelbar nach ihrer Ankunft sollen die Mädchen dann nackt zu Tode gefoltert worden sein. Die Prozessakten berichten von zugefügten Schnitt- und Stichverletzungen, von Schlägen und Auspeitschungen, von Verbrennungen mit heißem Eisen und Wasser sowie vom Übergießen der nackten Körper mit Wasser bei Frost. Was die Zahl der Opfer angeht, so schwankten die Zeugenaussagen sehr und bewegten sich zwischen 30 und rund 80 toten Mädchen. Bei der häufig kursierenden Zahl von 650 getöteten Jungfrauen handelt es sich eher um einen Bestandteil der Legende um die ‚Blutgräfin‘ als um eine nachgewiesene Opferzahl. Nachträglichen Vermutungen zufolge wurde sie letztlich deshalb verdächtigt und überführt, da sie später auch Mädchen aus dem Niederadel ermordete, deren Verschwinden mehr Aufmerksamkeit nach sich zog als das von Bauernmädchen.

Burg Čachtice heute
https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_B%C3%A1thory#/media/File:Slovakia_Cachtice_hrad_2.JPG

Am Ende des Prozesses wurde Báthory zu lebenslanger Haft in ihrer Burg verurteilt, nachdem sich Graf Thurzo dem vom Kaiser geforderten Todesurteil gegen die Gräfin auf Grundlage seines lokalen Hoheitsrechtes widersetzt hatte. Kursierende Gerüchte, wonach Báthory schließlich in einem Zimmer eingemauert worden sei, konnten bis heute nicht belegt werden. Ihre Mitangeklagten, die mit Ausnahme der Wäscherin ebenfalls zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, erlitten weitaus härtere Strafen. Während der angeklagte Page geköpft und seine Leiche anschließend auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, wurden die Amme und die Kammerzofe lebendig verbrannt, nachdem man ihnen zuvor die vorderen Fingerglieder abgetrennt hatte.

Elisabeth Báthory starb nach vierjähriger Haft am 21. August 1614 auf der Burg, nachdem sie zuvor noch testamentarisch geregelt hatte, dass ihr immenses Erbe zu gleichen Teilen unter ihren Kindern aufgeteilt werden sollte. Diesen Wunsch gestand man ihr zu und er wurde nach ihrem Tod auch in die Tat umgesetzt. Sie wurde in der Kirche zu Čachtice beigesetzt.

Bis zu ihrem Tod und auch noch hundert Jahre später galt Báthory zwar als grausame Serienmörderin, nicht jedoch als ‚Blutgräfin‘, die in dem Blut ihrer Opfer badete. Diese nachträglichen Zuschreibungen stammen aus den 1729 veröffentlichten Schriften des Jesuiten László Turóczi. Dieser behauptete, dass die im katholischen Glauben erzogene Gräfin im Zuge ihrer Eheschließung zum Luthertum konvertiert sei und dieser neue und in seinen Augen falsche Glaube bei ihr eine Form von Wahnsinn ausgelöst habe. Bis heute konnten für diese Behauptungen keine Belege gefunden werden. Außerdem erfand er die Geschichte, dass Báthorys Körper bei der Folterung eines Mädchens versehentlich mit Blutspritzern in Kontakt gekommen sei, wodurch sich ihre Haut an dieser Stelle immens und unmittelbar verjüngt habe. Aufgrund dieser Erfahrung soll die Gräfin von nun an von dem Blut junger Mädchen und Jungfrauen besessen gewesen sein und dieses zur Bewahrung ihrer Jugend verwendet haben. Letztlich soll sie ihren ganzen Körper im Blut ihrer Opfer gebadet und sich somit den Namen ‚Blutgräfin‘ verdient haben. Zahlreiche Autoren stützten sich in der Folge auf Turóczis Ausführungen, erfanden eigene grausame Details dazu, beispielsweise, dass sie das Blut ihrer Opfer auch getrunken habe, und bewirkten somit, dass die wahren Begebenheiten mehr und mehr in Vergessenheit gerieten. Die Legendenbildung wurde außerdem dadurch begünstigt, dass im Prozess gegen Báthory kein wirkliches Motiv für ihre Verbrechen zu Tage getragen werden konnte.

Heute gilt die ‚Blutgräfin‘, die ‚Tigerin in Menschengestalt‘, die ‚comtesse sanglante‘ oder die ‚Heroine des Grauens‘ mal als mögliche Inspirationsquelle für Bram Stokers Dracula-Roman (1897), mal als ein bekannter und belegter Fall einer Vampirin. Seit dem frühen 19. Jahrhundert wurde sie vielfach in der Literatur verewigt, beispielsweise 1886 in einer Novelle von Leopold von Sacher-Masoch mit dem Titel „Ewige Jugend“ oder 2004 von Wolfgang Hohlbein in seinem Roman „Die Blutgräfin“. Auch im Medium Film wurde sich bereits mehrfach mit ihr auseinandergesetzt: 2008 erschien Julie Delpys Spielfilm „Die Gräfin“ und 2014 der Dokumentarfilm „400 Jahre Elisabeth Bathory – Das Geheimnis hinter dem Geheimnis“. Ganz aktuell hat sich 2018 die US-amerikanische Mystery-Serie „Lore“ mit dem Fall befasst. Den nahezu willkürlich ausgewählten Beispielen ist gemein, dass sie sich alle zwischen Realität und Fiktion bewegen und es so scheint, als könne Elisabeth Báthory nicht mehr nur als ungarische Gräfin und Mörderin betrachtet werden. Sie ist immer auch die ‚Blutgräfin‘.

Zum Weiterlesen:
Craft, Kimberly: Infamous Lady. The True Story of Countess Erzsébet Báthory, North Charleston 2009.
Farin, Michael: Heroine des Grauens. Wirken und Leben der Elisabeth Báthory in Briefen, Zeugenaussagen und Phantasiespielen, München 1989.
Murakami, Peter u. Julia: Art. Báthory, in: Lexikon der Serienmörder, 10. Auflage, Berlin 2012, S. 30-32.

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