Sonntag, 7. Januar 2018

Die Weihnachtsfeier von Greccio 1223

Vor genau 14 Tagen wurde an Heiligabend der Geburt Jesu gedacht und in den Heiligen Messen, die zu diesem Anlass in den Kirchen gefeiert wurden, ist vor allem das Krippenspiel heute ein fester Bestandteil. In szenischen Darstellungen wird dabei meist von Kindern die Weihnachtsgeschichte nachgespielt oder besungen. Diese Krippenspiele sind jedoch keine Erfindung der Neuzeit, sondern schon für das frühe Mittelalter belegt. Bereits im 10./11. Jahrhundert gab es diese Darstellungen des Weihnachtsgeschehens um Maria, Josef und das Jesuskind mit lebenden Personen, die dabei nicht nur auf die Kirche beschränkt waren, sondern auch vermehrt in die Familien gelangten. Ein besonderes Krippenspiel ereignete sich im Jahr 1223 in der kleinen, 90 Kilometer nördlich von Rom gelegenen Gemeinde Greccio: Franz von Assisi, der 1181/2 in der umbrochen Stadt Assisi geboren wurde und sich um 1204/5 als Ritter von seinem weltlichen Herrn lossagte, um sich, nachdem ihm Gott im Traum erschienen sein soll, in den Dienst Gottes zu stellen, ließ dort das Weihnachtsevangelium in Form einer lebenden Krippe darstellen. Dieses Krippenspiel soll im Mittelpunkt dieses neuen kurz!-Artikels stehen.

Fresko des Heiligen Franziskus im Sacro Speco in Subiaco. Das Fresko ist das älteste, vermutlich noch zu seinen Lebzeiten entstandene Bild des Heiligen.
(https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_von_Assisi#/media/File:StFrancis_part.jpg)


Der von Papst Gregor IX. beauftragte Thomas von Celano (1190-1260) ist der erste Chronist, der in seinen Aufzeichnungen zum Leben des heiligen Franziskus auch die Weihnachtsfeier von Greccio berücksichtigt. Er dokumentiert, dass Franz von Assisi etwa 14 Tage vor dem Geburtsfest Jesu in der italienischen Gemeinde Greccio einen Mann namens Johannes, der einen guten Lebenswandel gehabt haben soll, habe zu sich rufen lassen, um diesen mit den Vorbereitungen eines Krippenspiels zu beauftragen. Franziskus habe den Wunsch gehabt, das Gedächtnis an jenes Kind [...], das in Bethlehem geboren wurde, und [...] die bittere Not, die es schon als kleines Kind zu leiden hatte, wie es in eine Krippe gelegt, an der Ochs und Esel standen, und wie es auf Heu gebettet wurde, so greifbar als möglich darstellen zu lassen. Auch der Philosoph, Theologe und Franziskaner Bonaventura (1221-1274) erwähnt in seiner umfangreichen Legenda maior die franziskanische Weihnachtsfeier. Dort heißt es, dass Franz von Assisi 1223 beschlossen habe bei dem Flecken Greccio das Fest der Geburt des Jesuskindes mit aller Feierlichkeit zu begehen und zu diesem Zweck eine Krippe herrichten, Heu herbeibringen und Ochs und Esel dorthin führen ließ. Beide Quellentexte belegen außerdem, dass Franziskus, je näher der Tag des Geburtsfestes Jesu kam, nicht nur Johannes mit den weiteren Vorbereitungen betraut haben soll, sondern auch die Mönche aus den umliegenden Franziskanerklöstern herbeigerufen wurden, um am Krippenspiel mitzuwirken. Ebenso habe Franziskus Männer und Frauen der Gegend um Greccio gebeten, das Krippenspiel mitzufeiern. Thomas von Celano berichtet, dass zahlreiche Männer und Frauen jener Gegend [...], so gut sie konnten, freudigen Herzens Kerzen und Fackeln [anzündeten], um damit jene Nacht zu erleuchten, die mit funkelnden Sternen alle Tage und Jahre erhellt hatte und dass aus der italienischen Gemeinde mehr und mehr ein neues Bethlehem wurde.

Am Heiligen Abend machte sich dann auch Franziskus selbst zu der Stelle auf, wo die Krippe errichtet worden war. Daneben sollen mit ihm auch zahlreiche weitere Leute herbeigeströmt sein, die dafür sorgten, dass der Wald [...] von den Stimmen [erschallte], und die Felsen [...] von dem Jubel [widerhallten]. Besonders deutlich wird, dass Franziskus nicht nur das Weihnachtsgeschehen um Maria, Josef und das Jesuskind veranschaulichen wollte, sondern dass es vielmehr sein Anliegen war, möglichst viele Menschen in die Vorbereitungen und die eigentliche Feier miteinzubeziehen, um die Menschen so zu einem tieferen Glauben zu führen. Bonaventura berichtet, dass er vom Anblick der vielen Menschen und der hergerichteten Krippe zu Tränen gerührt und selig vor Freude gewesen sein soll und auch Thomas von Celano schreibt, dass er von heiliger Andacht durchschauert und von wunderbarer Freude überströmt war. In dieser Freude habe Franziskus dann zusammen mit allen Anwesenden am eigens dafür an der Krippe errichteten Altar eine Messe gefeiert, das Evangelium gesungen und gepredigt. In seiner Predigt, so berichtet es Thomas von Celano, sei Franz von Assisi immer wieder in lieblichen Lobpreis über die kleine Stadt Bethlehem ausgebrochen und habe des Jesuskind von übergroßer Liebe erglühend, nur 'das Kind von Bethlehem' genannt. 

Fresko in der Kappelle der Weihnachtskrippe in Greccio, die 1228 erbaut wurde: Franziskus betet das Christuskind an und Maria stillt den Mensch gewordenen Gottessohn.
(https://en.wikipedia.org/wiki/Sanctuary_of_Greccio#/media/File:20110517_Greccio_005_(5761849591).jpg)













Sowohl Bonaventura als auch Thomas von Celano berichten während der Messfeierlichkeit von einem Ereignis, das gesondert betrachtet werden muss, weil es die wahre Absicht Franz' von Assisi, das Krippenspiel auszurichten, zeigt. Johannes von Greccio, der mit der Vorbereitung des Krippenfestes betraut worden war, soll während des Hochamts eine Vision gehabt haben. Thomas von Celano schreibt dazu, dass Johannes in der Krippe ein lebloses Knäblein liegen [sah]; zu diesem sah er den Heiligen Gottes (Franziskus) herzutreten und das Kind wie aus tiefem Schlaf erwecken. Die Leblosigkeit des Kindes steht in dieser Vision stellvertretend für die Leblosigkeit des Glaubens an den Mensch gewordenen Gottessohn, den Franziskus mit seinem Krippenspiel wieder neu entfachen wollte. Dies geschah zu einer Zeit, in der genau dieser Glaube von vielen radikal abgelehnt wurde. Franz von Assisi stellte sich mit dem Krippenspiel vehement gegen diese ablehnende Haltung und bot mit seiner Weihnachtsfeier ein besonderes Zeugnis für den Glauben an Jesus als Mensch gewordenen Gottessohn. Auch Bonaventura und Thomas von Celano erkennen diese Absicht. Thomas von Celano bedauert, dass zu jener Zeit der Jesusknabe [...] in vieler Herzen vergessen war, während Bonaventura ausführt, dass jedoch das Krippenspiel die Herzen der Menschen [...], die im Glauben an Christus erkaltet waren, wieder aufweckte. Nach der Prozession, der Lesung des Evangeliums und der Predigt wurde das Krippenspiel beendet und die Menschen kehrten, so berichtet es Thomas von Celano, in seliger Freude nach Hause zurück.

Franz von Assisi verfolgte mit seinem Krippenspiel 1223 nicht nur das Ziel, eine Historie bloß nachzuspielen, vielmehr war seine Absicht die Vergegenwärtigung und Verlebendigung eines Glaubensmysteriums – der Menschwerdung Gottes – und die Stärkung des zu seiner Zeit sukzessive abnehmenden Glaubens daran. Deswegen verband Franziskus durch die Zusammenführung von Krippe, Kreuz und Altar das Mysterium der Inkarnation (die Menschwerdung Gottes) direkt mit dem Mysterium der Eucharistie. Schon aus den Aufzeichnungen Bonaventuras und Thomas' von Celano lässt sich ableiten, dass Franziskus mit seinem Vorhaben Erfolg hatte, denn das Heu, das während der Krippenfeier in der Krippe gelegen hatte und auf dem sich die Menschwerdung des Jesuskindes symbolisch zeigte, wurde nach der Feier des Hochamts mit besonderer Sorgfalt aufbewahrt: Das Heu, das in der Krippe gelegen, bewahrte man auf, damit der Herr [...] Pferde und andere Tiere dadurch heile. Und so geschah es in der Tat, daß in der umliegenden Gegend viele Tiere, die verschiedene Krankheiten hatten, von diesen befreit wurden, wenn sie vom Heu fraßen. Ja, auch Frauen, die unter schweren und lange dauernden Geburtswehen zu leiden hatten, ließen sich von dem Heu auflegen und konnten dann glücklich gebären. Auch erlangten ebendort herbeiströmende Pilger beiderlei Geschlechts die ersehnte Heilung von verschiedenen Unglücksfällen.

Die Krippenfeier von Greccio 1223 ist einmalig, denn sie wurde weder von Franziskus noch von seinen geistlichen Söhnen, den Franziskanern, in dieser Form wiederholt. Allerdings ist es falsch, Franziskus als Erfinder des Krippenspiels zu bezeichnen, denn liturgische Spiele zur Weihnachtszeit waren im Mittelalter schon weit vor der Zeit von Franziskus verbreitet. Ebenso wenig kann Franz von Assisi als Erfinder der Krippe gelten, denn auch einfache Krippendarstellungen gab es schon vor der Zeit des Krippenspiels von Greccio. Dennoch trug Franziskus mit seiner Krippenfeier von Greccio dazu bei, dass die Weihnachtkrippe und Krippenspiele über die Jahrhunderte wichtige und feste Bestandteile des Weihnachtsfestes wurden. Franziskus war dessen wichtigster Impulsgeber und noch heute ist die Liebe zur Weihnachtskrippe für die Franziskaner das geistige Erbe des heiligen Franziskus.

Zum Weiterlesen: 
  • Clasen, Sophronius OFM (Hg.): Franziskus. Engel des sechsten Siegels. Sein Leben nach den Schriften des heiligen Bonaventura, Werl (Westf.) 1962, Kap. X, S. 344.
  • Dettloff, Werner: Franziskus und die Weihnachtskrippe. Der theologiegeschichtliche Hintergrund der Krippenfeier des hl. Franziskus von Assisi, in:  Franziskanische Studien 70 (1988), S. 225-234.
  • Grau, Engelbert OFM (Hg.): Thomas von Celano. Leben und Wunder des Heiligen Franziskus von Assisi. Zweite, verbesserte Auflage, Werl (Westf.) 1964, Kap. XXX, S. 183-186.
  • Lehmann, Leonhard: Ein Psalm des heiligen Franziskus für die weihnachtliche Zeit, in: GuL 63 (1990), S. 5-15.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen