Sonntag, 14. Januar 2018

Der Seeweg nach Indien: Teil III - Das langersehnte Ziel

In den ersten beiden Teilen unserer kurz!-Reihe über die Suche der Portugiesen nach einem Seeweg nach Indien auf der östlichen Route hatten wir uns mit der Reise Vasco da Gamas (1469-1524) beschäftigt. Dieser war im Auftrag des portugiesischen Königs Manuel I. (1469-1521) mit einer Flottille im Juli 1497 in See gestochen, hatte in einem spektakulären Manöver und unter einigen Verlusten das Kap der Guten Hoffnung umrundet und die Straße von Moçambique, die zwischen der Afrikanischen Küste und Madagaskar hindurchführt, durchquert. Schließlich waren die Abenteurer am 2. März 1498 in eine Bucht an der Westküste Afrikas eingefahren, wo eine der Karavellen auf eine Sandbank auflief. In unserem heutigen, abschließenden Artikel der Reihe soll es um das letzte Stück der Reise gehen, dass schließlich zum Erreichen Indiens führte. 

Die schwarze Linie markiert die Route, die da Gama und seine Expedition nahmen. In unserem heutigen Artikel geht um die Teilstrecke bis zum Erreichen Moçambiques. https://de.wikipedia.org/wiki/Vasco_da_Gama#/media/File:Caminho_maritimo_para_a_India.png.




Als eines der Schiffe aus der Flottille, wie bereits erwähnt, auf eine Sandbank vor der Küste auflief, wurde die Besatzung von Einheimischen freundlich in Empfang genommen, die sie in einen nahen, auf einer Insel gelegenen Hafen brachten: Moçambique – eine muslimische Stadt, in der überwiegend Arabisch gesprochen wurde. Was genau die Reisenden von der Bevölkerung zu erwarten hatten, konnten sie wohl kaum abschätzen. Mit Hilfe der Dolmetscher, die mitgereist waren, konnten sie mit den Bewohnern kommunizieren und erfuhren erstmals etwas über die Welt, nach der sie suchten. Selbst der Sultan kam an Bord der portugiesischen Schiffe, zeigte sich aber wenig beeindruckt von den ihm angebotenen Geschenken. Zudem stellte sich bald heraus, dass sie in Moçambique für türkische – und damit muslimische – Kaufleute gehalten wurden. Zunächst versuchte da Gama noch, diesen Schein zu wahren und gab an, aus einem Land nahe der Türkei zu stammen. Für die Weiterfahrt nahmen die Portugiesen zwei Lotsen an Bord, die der Sultan ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Während sie jedoch auf einer etwas abgelegenen Insel heimlich eine christliche Messe feierten, entkam einer von ihnen. Zwar versuchten die Besatzung, ihn zurückzuholen, doch wurden sie bereits von bewaffneten Schiffen empfangen, woraus sie schlossen, dass ihre Lüge erkannt worden war. Also eröffneten die portugiesischen Seefahrer das Feuer und schlugen die Muslime so zunächst in die Flucht. Jedoch drehte nun der Wind und trieb sie zurück zur Insel. Auf ein Friedensangebot des Sultans gingen sie nicht ein, sodass sie nicht auf friedlichem Wege in den Hafen einlaufen konnten, um sich mit Frischwasser zu versorgen. Stattdessen versuchten sie, heimlich eine Quelle aufzusuchen. Als sie diese jedoch bewacht vorfanden, eröffneten sie das Feuer, um die Wächter der Quelle zu vertreiben. Zudem nahmen sie, bevor sie weiter segelten, noch einige Geiseln und feuerten mehrere Schüsse auf die Stadt ab. 

Diese aggressive Reaktion auf die Vorfälle zeigt deutlich, dass die Portugiesen nur sehr beschränkte Kenntnisse über die Welt, in die sie sich aufgemacht hatten, besaßen: Der Indische Ozean war umspannt von einem weitläufigen Handelsnetz, über das die unterschiedlichsten Güter aus den anliegenden Gebieten von China bis Kairo befördert wurden und befand sich ganz in der Hand der Händler. Diese hatten äußerst unterschiedliche kulturelle Hintergründe, tolerierten aber gegenseitig  die unterschiedlichen Lebensweisen und Religionen und betrieben einen weitgehend friedlichen Austausch von Waren. Die Portugiesen hingegen schienen beispielsweise weder von der Existenz des Hinduismus’ gewusst zu haben, noch konnten sie ihre Mentalität und ihr Streben nach Handelsmonopolen und Heiligem Krieg ablegen, und bahnten sich ihren Weg mit geladenen Kanonen, denen die einheimischen und gering bewaffneten Handelsschiffe nur wenig entgegenzusetzen hatten.

Die Weiterreise nach Norden ging nur langsam voran, da die Winde äußerst ungünstig standen und die Seefahrer nur vorsichtig durch die schwierigen, teils seichten Gewässer navigieren konnten. Zudem herrschte dem ihnen verbliebenen Lotsen aus Moçambique großes Misstrauen. An Palmsonntag erreichten sie, nach wie vor in der Hoffnung, irgendwann auf das Königreich des christlichen Priesterkönigs Johannes zu stoßen, schließlich den Hafen von Mombaça. Der anonyme Schiffsschreiber, der die Reise dokumentierte, vermerkte dazu: „Wir waren hier sehr gerne vor Anker gegangen, weil wir hofften, am nächsten Tag an Land gehen zu können, um mit den Christen, die, wie wir hörten, von den Mauren getrennt in einem Stadtteil für sich lebten, eine Messe zu hören.” Zunächst wurden nur zwei Mann an Land gesandt, wo sie auf Einheimische trafen, die sie für Christen hielten. Diese zeigten ihnen ein fremdartig wirkendes Heiligenbild zur Anbetung. In Wirklichkeit handelte es sich jedoch um Hindus, die ihnen Bilder ihrer eigenen Gottheiten zeigten und die von den Portugiesen für Anhänger einer fremden, christlichen Sekte gehalten wurden. Als gerade Vorbereitungen zur Landung einer kleinen Flotte getroffen wurden, sprangen einige der Geiseln, die sie in Moçambique gemacht hatten, jedoch über Bord und wurden von einheimischen Booten gerettet. Vasco da Gama und seine Männer  mussten nun fürchten, dass durch die Entflohenen Wort vom portugiesischen Angriff auf deren Heimat nach Mombaça gelangen könnte.  Die Seefahrer vermuteten nun, dass die übrigen Gefangenen, die sich noch an Bord befanden, den Auftrag hatten, als Rache für die Attacke die portugiesischen Schiffe zu erbeuten. Um ein Geständnis von den Geiseln zu erpressen, folterten sie zwei von ihnen, indem sie ihnen heißes Öl auf die Haut tropfen ließen. Um einer erneuten Folter zu entgehen, warfen sich die beiden jedoch ebenfalls ins Meer. Nachts beobachteten da Gamas Männer dann eine Gruppe von Einheimischen, die auf ihre Flottille zuschwammen und begannen, die Taue der eines der Schiffe zu kappen. Als sie von den Portugiesen entdeckt wurden, schwammen sie jedoch davon. 

Am 13. April 1498 segelten die Männer um da Gama weiter, um in einer Stadt namens Malindi ihr Glück zu versuchen und einen neuen, vertrauenswürdigen Lotsen anzuheuern. Unterwegs trafen sie auf zwei einheimische Boote, von denen sie eines samt Besatzung kaperten, während das andere Boot entkommen konnte. Am Tag vor Ostern erreichten sie schließlich Malindi, wo man bereits von ihnen gehört hatte. Eine der Geiseln wurde als Vermittler eingesetzt während da Gama, den seine bisherigen Erfahrungen immer misstrauischer gemacht hatten, sich weigerte, an Land zu gehen. Der Scheich von Malindi zeigte sich jedoch nicht feindselig, sodass schließlich die als Geiseln genommene Besatzung des gekaperten Boots von den Portugiesen freigelassen wurde. Die beiden Parteien näherten sich einander langsam und vorsichtig an und da Gama und seine Männer schöpften neuen Mut. Trotzdem weigerte ersterer sich aber weiter, an Land zu gehen. Neun Tage verweilten die Portugiesen vor Malinda und als sie schließlich vom Scheich einen neuen Lotsen zur Verfügung gestellt bekamen, der mit der Navigation im Indischen Ozean vertraut war, und als die Monsunwinde günstig standen, stachen sie wieder in See. Nach 23 Tagen auf dem offenen Meer, erblickten sie schließlich hohe Berge. Am nächsten Tag kam es zu heftigen Regenfällen und Gewittern doch es gelang dem Lotsen schließlich, ihre Position zu bestimmen und er teilte Vasco da Gama und seiner Mannschaft mit, dass sie sich auf Höhe Calicuts befänden. Nach gut zehn Monaten auf See und rund 12.000 zurückgelegten Meilen erblickten sie also zum ersten Mal das lang gesuchte Indien. Da die portugiesischen Schiffe nicht nur ganz anders aussahen als die der Händler auf dem Indischen Ozean, sondern sie auch zu einer ungewöhnlichen Jahreszeit, zu der normal wegen des Monsuns kaum Schifffahrt stattfand, vor der Küste Indiens erschienen waren, erregten sie natürlich schnell das Interesse der Einheimischen. Boote setzten zu den Seefahrern über und einer der Männer, João Nunes, ging schließlich mit ihnen an Land. 

So betrat dieser als erster Europäer, der über den Seeweg angereist war, indischen Boden und als das erste Misstrauen verflogen war, folgte ihm auch Vasco da Gama persönlich. Dass diese Ereignisse weitreichende Bedeutung für die Geschichte haben sollte, ahnte wohl keiner der Beteiligten, doch war es der Anfang vom Ende des im Indischen Ozean herrschenden, austarierten Gleichgewichts zwischen den Religionen und Völkern, in dem es um Handel, nicht aber um Monopole oder gar Imperialismus gegangen war. Schnell weitete Portugal die Seefahrt auf dem Indischen Ozean aus und stieg zur führenden Seemacht des 16. Jahrhunderts auf. 


Etwa ein Viertel der ursprünglich aufgebrochenen Besatzungsmitglieder hatte die Reise nicht überlebt, doch als Vasco da Gama, der die Expedition zum Erfolg geführt hatte, im September 1499 nach Portugal zurückkehrte, wurde er ehrenvoll empfangen und König Manuel I. verlieh ihm die Herrschaftsrechte über die Stadt Sines. Noch zwei weitere Male sollte er sich auf den Weg nach Indien machen, wobei seine dritte Reise gleichzeitig seine letzte war: Da Gama, der 1524 zum Vizekönig Indiens ernannt worden war, erreichte den Subkontinent zwar, erlag jedoch nur einige Monate nach seiner Ankunft, an Heiligabend 1524, einer Infektion. Seine Gebeine wurden zunächst in Kochi beigesetzt, auf Veranlassung seines Sohnes aber 1538 zurück nach Portugal gebracht. Heute liegen sie im Hieronymus-Kloster in Belém begraben.


Zum Weiterlesen:
Crowley, Roger, Die Eroberer. Portugals Kampf um ein Weltreich, Darmstadt 2015.

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