Sonntag, 16. August 2015

Heinrich V. – Gescheiterter Hoffnungsträger oder hoffnungsloser Gescheiterter? Teil III

Die ersten beiden Teile der Reihe „Heinrich V. – Gescheiterter Hoffnungsträger oder hoffnungsloser Gescheiterter?“ (Teil I & Teil II) skizzierten den Weg Heinrichs als zunächst auf allgemeinen Konsens bedachten König über seine Kaiserkrönung und die folgenden Auseinandersetzungen mit einigen Fürsten des Reiches bis hin zur Bildung einer für das Wohl des Reiches gerichteten Fürstengemeinschaft über alte Konflikte und Parteien hinweg. Die Macht und das Ansehen Heinrichs im Reich schwanden immer weiter: Die Anzahl der von Heinrich ausgestellten Urkunden von 1117 bis 1121 war verschwindend gering, da niemand von ihm solche erbat. Die Fürstengemeinschaft übernahm in seiner Abwesenheit deutlich mehr Verantwortung für das Reich als bisher, indem sie Heinrich, der die jahrelangen Konflikte mit seinen Fürsten und dem Papst nicht beilegen konnte/wollte, vor die Wahl zwischen Rückkehr oder Absetzung stellten. 

Aus einem Evangeliar des Klosters St. Emmeran in Regensburg: Heinrich V. mit Krone, Szepter und Reichsapfel [Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/0/08/Heinrich_V._Evangeliar_aus_St._Emmeram.JPG]



Der Zusammenschluss der Fürsten führte zu einer Reihe von Ereignissen, die das Verhältnis zwischen ihnen und Heinrich, aber auch zwischen dem Papst und ebenjenem nachhaltig verändern sollten. Nach seiner erzwungenen Rückkehr wurden die Gespräche Ende 1119 mit Heinrich wieder aufgenommen. Im Oktober trafen sich zunächst der neue Papst Calixt II. (~1060‑1124) und Heinrich an der Maas und versuchten – letztendlich vergeblich – eine Lösung für den Investiturstreit zu finden. Anschließend stattfindende Versammlungen mit den Fürsten und der daraus resultierende Waffenstillstand ermöglichten es ihm ab Dezember 1119 wieder, die vorher opponierenden Regionen Sachsen und Niederrhein inklusive Köln zu betreten. Heinrich verpflichtete sich zudem in einer von ihm einberufenen Versammlung, sich dem Beschluss der Fürsten bezüglich der von Calixt II. geforderten Zugeständnisse zukünftig zu unterwerfen. Dieses Versprechen war alternativlos, denn Heinrich war ob der prekären Lage mehr denn je von der Zustimmung der Fürsten abhängig. Doch die Hoffnung auf eine schnelle Einigung und einen Frieden im Reich wurde durch den erneut ausgebrochenen Konflikt zwischen Heinrich und den mit Erzbischof Adalbert von Mainzverbündeten Sachsen zunichte gemacht. Der Kaiser versammelte deshalb im Elsass ein Heer und war bereit, den Konflikt mit Waffengewalt zu lösen. Bevor es allerdings zu größeren Kämpfen kommen konnte, wurde von den Fürsten ein Hoftag in Würzburg anberaumt, auf dem Heinrich sich erneut ihren Beschlüssen unterwerfen würde.
Am 29. September 1121 entschieden die Fürsten auf diesem Hoftag über Konsequenzen der Streitigkeiten zwischen dem Kaiser und dem Reich („de controversia inter domnum imperatorem et regnum“). Die Fürsten realisierten zudem, dass eine Einigung zwischen ihnen und dem Kaiser alleine nicht ausreichen würde, denn der Investiturstreit musste ebenfalls beigelegt werden – Legaten des Papstes nahmen an den Verhandlungen teil –, damit Frieden im Reich herrschen konnte. So handelten je 12 Fürsten der beiden ehemaligen Parteien die Grundlagen einer umfassenden Einigung aus, die schlussendlich im Wormser Konkordat vom 23. September 1122 niedergeschrieben werden sollten. Somit übernahmen die Fürsten die tragende Rolle und eine so große Verantwortung wie nie zuvor. Die einzelnen Zugeständnisse und Ergebnisse des Wormser Konkordats alleine würden einen eigenen Artikel rechtfertigen. Für diese Reihe ist letztlich vor allem wichtig, dass der Streit zwischen dem Kaiser und der Kirche sowie dem Reich beigelegt werden konnte und die Fürsten sich dazu verpflichteten, den Frieden Heinrichs mit dem Reich und mit dem Papst zu wahren, notfalls auch gegen den Willen des Kaisers. 

Das Ergebis des Wormser Konkordats: das Heinricianum, die Urkunde Heinrichs V. [Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e6/Urkunde_Wormser_Konkordat-bg.png]


Die Versprechen, sich den Fürstenurteilen vom Juni 1119 und September 1121 bedingungslos zu unterwerfen, zeigen einerseits, dass Heinrich sich ohne die Fürsten als Kaiser und König nicht mehr halten konnte, andererseits zeigen sie die beinahe abgeschlossene Entwicklung des Wandels der politischen Strukturen innerhalb des Reiches. Während Heinrich zu Beginn seiner Herrschaft einen breiten Konsens im Reich erreichen konnte, wandten sich die Fürsten nun gemeinsam gegen ihren König, zeigten ihm die Grenzen seines Handelns auf und agierten für das Wohl des Reiches. Aufgrund von Heinrichs zunehmend autokratischer Herrschaft, die einen Frieden innerhalb des Reiches und mit dem Papsttum stets verhinderte, waren die nach Frieden strebenden Fürsten dazu bereit, alte Parteien aufzubrechen und Konflikte zu beenden, um sich gemeinsam Heinrich entgegenzustellen und ihm damit schlussendlich zu zeigen, dass sie notfalls auch gegen den Willen des Kaisers agieren könnten. Wie Stefan Weinfurter treffend zusammenfasste, standen sich nun auf der einen Seite Kaiser Heinrich und das Königtum, auf der anderen Seite die Fürsten und das Reich, für dessen Rechte sich nun wiederum die Fürsten verantwortlich zeigten, gegenüber. Das bedeutete, dass die Fürsten nun das Reich repräsentierten, während Heinrich als „oberster Lenker“ verblieb: Der Wandel der „cooperatores eius et regni[1] („Mitarbeiter des Reiches“, bzw. freier übersetzt „Säulen des Reiches“) zu den „capita rei publicae[2] („Häuptern des Reiches“) war abgeschlossen und wurde mit dem Wormser Konkordat bekräftigt. Heinrich war nach dem Wormser Konkordat immens auf die Fürsten angewiesen und es wurde mehr denn je ersichtlich, dass angemessenes Handeln des Königs ausschließlich im Konsens mit ihnen möglich war.
Doch wie ist die Herrschaftszeit Heinrichs abschließend zu bewerten? War er ein gescheiterter Hoffnungsträger oder ein hoffnungsloser Gescheiterter? Als Heinrich V. auf seinen Vater Heinrich IV. folgte, verbanden die Fürsten des Reiches mit ihm die große Hoffnung auf friedliche Zeiten, denn unter Heinrich IV. hatte sich besonders in den späteren Herrschaftsjahren Konflikt an Konflikt gereiht. Heinrich V. konnte diese Erwartungen immerhin bis 1114/1115 bestätigen, denn erst die Differenzen mit Erzbischof Friedrich von Köln in Verbindung mit den opponierenden sächsischen Fürsten löste andauernde kriegerische Auseinandersetzungen aus. Einige der Konflikte resultierten aus Heinrichs autokratischer Herrschaft – er entschied vor allem in kirchlichen Belangen immer eigensinniger und kollidierte so mit den Interessen seiner Fürsten. Warum Heinrich plötzlich nicht mehr den Konsens mit seinen Fürsten suchte, ist schwierig zu deuten. Sah Heinrich sich ab seiner Kaiserkrönung selbst als höchste weltliche und kirchliche Instanz, die nicht mehr auf seine Fürsten angewiesen war? Der Jahrzehnte anhaltende Investiturstreit konnte erst 1122 dank der Unterstützung der Fürsten gelöst werden. Schlussendlich hat Heinrich mit der konsensualen Herrschaft ein erfolgreiches Herrschaftsprinzip aufgegeben. Die Umstände dieses Umschwungs sind heute vielleicht nicht in dem Maße nachvollziehbar, wie sie es damals waren. Dennoch scheint es so, als habe Heinrich V. einen vielversprechenden Beginn seiner Herrschaft nicht zu nutzen gewusst und sich selbst um die Früchte seiner Arbeit gebracht, sodass er als anfänglicher Hoffnungsträger scheiterte.  

Zum Weiterlesen:
Jürgen DENDORFER, Fidii milites? Die Staufer und Kaiser Heinrich V., in: Ders., Hubertus Seibert (Hgg.): Grafen, Herzöge, Könige: der Aufstieg der frühen Staufer und das Reich (1079-1152), Ostfildern 2005, S. 213-265.
Gerhard Lubich (Hg.): Heinrich V. in seiner Zeit. Herrschen in einem europäischen Reich des Hochmittelalters (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J.F. Böhmer, Regesta Imperii 34), Köln 2013.
Stefan WEINFURTER, Reformidee und Königtum im spätsalischen Reich. Überlegungen zu einer Neubewertung Kaiser Heinrichs V., in: Weinfurter, Stefan (Hrsg.): Reformidee und Reformpolitik im spätsalisch-frühstaufischen Reich (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 68), Mainz 1992, S. 1 – 45.
Stefan WEINFURTER, Das Jahrhundert der Salier (1024-1125), Ostfildern 2008.


[1] Thietmar von Merseburg, Chronicon, ed. R. Holtzmann (MGH SS rer. Germ. NS 9), Berlin 1935, lib. VIII, cap. 34, S. 532.
[2] Ekkehard von Aura, Chronica, in: Frutolfs und Ekkehards Chroniken und die Anonyme Kaiserchronik, ed. Franz-Josef Schmale, Irene Schmale-Ott (Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters. FSGA 15), Darmstadt 1972, ad a. 1121, Rec. IV, S. 352.

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