(Arnold von Lübeck,
Chronica Slavorum II 22, zitiert nach Görich, S. 110.)
Mit diesen Worten
beschreibt Arnold von Lübeck in seiner Slawenchronik die Unterwerfung Heinrichs
des Löwen (1129/1130 oder 1133/3-1195)
unter Kaiser Friedrich I. Barbarossa (um 1122-1190) im November 1181. Mit
derartigen Unterwerfungszeremonien wurde im Mittelalter der sogenannte honor, also die Ehre einer Person oder
des Reiches wiederhergestellt, nachdem sie verletzt worden war. Dadurch waren
ebensolche Zeremonien von einen hohem symbolischen Wert. Doch wie war es
überhaupt zu einer Ehrverletzung durch Heinrich den Löwen, Herzog von Sachsen
und Bayern gekommen, in deren Folge ihm, wie Arnold von Lübeck berichtet, seine
Herzogstitel entzogen wurden? Und was hat es mit den Tränen des Kaisers und
dessen Eid gegenüber den Reichsfürsten auf sich, der es ihm nicht erlaubte,
Heinrich, mit dem ihn nicht nur Verwandtschaft, sondern auch einst eine enge
Freundschaft verbunden hatte, wieder in seine alten Stellungen einzusetzen? Mit
diesen Fragen soll sich der heutige Artikel beschäftigen.
Um sich dem Sturz
Heinrich des Löwen zu nähern, ist es zunächst unerlässlich, kurz einen Blick auf
Geschichte seiner Familie, die Welfen, aber auch auf den Aufstieg der Staufer,
denen Kaiser Friedrich I. Barbarossa entstammte (einen ausführlichen Artikel
dazu findet ihr hier),
zu werfen. Sowohl Heinrich als auch Barbarossa konnten sich auf ihre
kaiserliche Abstammung von kognatischer Seite, das heißt mütterlicherseits,
berufen. Beide Geschlechter, Welfen und Staufer, leiteten aus dieser
Verwandtschaft ihr hohes Rangbewusstsein ab und konkurrierten immer wieder um
die Nachfolge auf den Königsthron. Nach dem Tod Lothars III. im Jahr 1137
gelang es den Staufern, sich gegen die Welfen durchzusetzen und mit Konrad III.
(1093/1094-1152) den König zu stellen. Ihm folgte 1152 sein Neffe Friedrich I.
Barbarossa auf dem Königsthron nach. Dieser wird in einigen Quellen auch als angularis lapis, also als Eckstein,
zwischen Staufern und Welfen, bezeichnet, da seine Mutter dem Welfengeschlecht
entstammte und er damit ein Vetter Heinrichs des Löwen war. Die beiden späteren
Gegenspieler verband also eine enge Verwandtschaft. Auch die Rolle der Welfen
bei der Wahl Barbarossas ist nicht zu unterschätzen: Er sicherte sich ihre
Unterstützung bereits im Vorfeld, indem er Heinrich dem Löwen das Herzogtum
Bayern und seinem Onkel Welf VI. das Herzogtum Spoleto in Italien versprach.
In den ersten Jahren
von Barbarossas Herrschaft wurde sein Vetter Heinrich für ihn zu einer
unerlässlichen Stütze. So ist seine häufige Anwesenheit an der Seite
Barbarossas mit Hilfe der Zeugenlisten von Urkunden nachzuweisen und auch in
der königlichen Italienpolitik spielte der Welfe eine entscheidende Rolle,
beispielsweise bei der Belagerung Tortonas im Jahre 1155. Gleichzeitig gelang
es dem Löwen, seine eigene Macht auszubauen, sodass er bald Herzog von Bayern
und Sachsen wurde, wo er beinahe königsgleich und mit einem „Gestaltungswillen,
der die gängigen Muster herzoglichen Handelns sprengte“ (Schneidmüller, S. 55),
herrschte. Heinrichs hohes Rangbewusstsein wurde noch einmal verstärkt, als er 1168
Mathilde, die Tochter des englischen Königs Heinrich II. heiratete. Diese
Machtfülle des Löwen rief bald den Neid der anderen Großen des Reiches hervor,
die sich durch ihn überflügelt sahen. Zu einem ersten handfesten Konflikt
zwischen ihm und einem anderen Großen des Reiches kam es bereits 1158, als
Bischof Otto von Freising, ein Onkel Barbarossas, beim Kaiser Klage gegen den
Löwen führte, weil dieser versuchte durch die Erhebung von Zöllen den
Salzhandel in Bayern seiner Kontrolle zu unterwerfen. Nun musste Barbarossa
eine Entscheidung zwischen zwei seiner Verwandten treffen, hielt in der
Angelegenheit aber zu seinem Vetter Heinrich.
Die Entfremdung
zwischen den beiden begann Quellenberichten zufolge 1176 in Chiavenna, als der
Kaiser von Heinrich dem Löwen, indem er sogar vor ihm auf die Knie ging,
militärische Unterstützung für die Durchsetzung seiner Italienpolitik forderte,
was dieser jedoch verweigerte. Bald darauf erlitt Barbarossa bei Legano eine
katastrophale Niederlage im Kampf gegen die oberitalienischen Städte. Und auch
im beinahe 20 Jahre andauernden alexandrinischen Schisma hatte Barbarossa sich
geschlagen geben müssen und 1177 Alexander III. widerwillig als Papst
anerkannt. Diese Schwächung der kaiserlichen Macht ermöglichte es den Großen
des Reiches mehr und mehr ihre Teilhabe an der Politik auszubauen, da der
Kaiser in zunehmendem Maße auf ihre Unterstützung angewiesen war. Bald begann
eine Auseinandersetzung des Bischofs Ulrich von Halberstadt mit Heinrich dem
Löwen um entfremdetes Kirchengut, in deren Folge der Bischof, unterstützt von
anderen Fürsten, Klage beim Kaiser gegen ihn erhob. Heinrich wurde
aufgefordert, sich auf einem für Januar 1179 angesetzten Hoftag in Worms zu den
Vorwürfen zu äußern, wo er jedoch nicht erschien. Dieses erste Fernbleiben
stellte noch keine große Ehrverletzung dar, da es zu dieser Zeit üblich war,
auf diese Art und Weise die Rechtmäßigkeit der Klage nicht anzuerkennen. Auch
zu einer erneuten Vorladung noch im selben Jahr erschien er nicht, was nun aber
eine deutliche Missachtung von Kaiser, Gericht und Fürsten darstellte, sodass
Barbarossa seinen Vetter zur Strafe ächtete. Als dieser auch drei weitere
Ladungen vor den Hoftag ignorierte, entzog Barbarossa ihm schließlich seine
Reichslehen und beschloss, dass die Herzogtümer Sachsen und Bayern jeweils geteilt
werden und an andere Große des Reiches vergeben werden sollten, was bis in den
Sommer des Jahres 1181 auch militärisch durchgesetzt wurde. Schließlich musste
Heinrich sich im November desselben Jahres in der oben beschriebenen Szene dem
Kaiser unterwerfen und ging 1182 für knapp vier Jahre nach England ins Exil.
Erst 1185 kehrte er auf seine sächsischen Eigengüter zurück, seine Herzogstitel
erlangte er jedoch nicht wieder.
(Kniefall
Barbarossas vor Heinrich dem Löwen in Chiavenna 1176. Die Erniedrigung des
Kaisers vor dem Herzog wird noch dadurch verdeutlicht, dass der Löwe auf einem
Pferd sitzt, während Barbarossa vor ihm kniet. Sächsische
Weltchronik, vor 1290,
https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_der_L%C3%B6we#/media/File:Angeblicher_Fu%C3%9Ffall_Barbarossas.jpg.)
Lange ging die
historische Forschung davon aus, dass Friedrich I. Barbarossa selbst das Ziel
verfolgte, seinen Vetter zu stürzen, er in den Worten Knut Görichs ein
„Löwenjäger“ war. Dieser stellte jedoch die These auf, dass der Kaiser vielmehr
als „Getriebener der Fürsten“ zu betrachten ist. So hält er die oben
beschriebenen Tränen Barbarossas keinesfalls für eine reine Inszenierung
sondern geht vielmehr davon aus, dass sie echt waren. Der Kaiser hatte erkannt,
dass er einen Machtverlust gegenüber seinen Großen erlitten hatte, die ihn dazu
getrieben hatten, seinen Vetter und alten Weggefährten Heinrich den Löwen
dauerhaft zu stürzen. Sicher musste Barbarossa eine Wiedergutmachung von diesem
fordern, um seine Ehre nach der mehrmaligen Missachtung der Vorladungen vor den
Hoftag wiederherzustellen, doch war es wohl nicht seine Absicht, ihm seine
alten Rechte als Herzog von Sachsen und Bayern langfristig abzuerkennen. Dafür
sorgten vielmehr die übrigen Fürsten des Reiches, indem sie dem Kaiser den oben
genannten Eid abtrotzten, den Löwen nicht mehr in seinen früheren Stand
einzusetzen. So mussten sie von ihm keine Vergeltungsmaßnahmen wegen ihres
Vorgehens gegen ihn fürchten. Barbarossa musste auf die Forderung eingehen, da
er vor allem für seine Italienpolitik auf deren Unterstützung angewiesen war. Die
neuere Forschung schließt sich größtenteils der These Görichs an und hegt
starke Zweifel daran, dass es tatsächlich Barbarossas Absicht war, seinen
Vetter dauerhaft zu stürzen. Vielmehr musste er ihm auf Betreiben der Fürsten,
trotz der engen Verwandtschaft, die Unterstützung entziehen. So wurde „Heinrich
der Löwe zum Opfer seiner Standesgenossen“ (Schneidmüller, S. 62) und der
Kaiser gewann durch den Sturz seines mächtigsten Großen selbst keine Macht. Als
Sieger gingen wohl am ehesten die Reichsfürsten aus der Auseinandersetzung
hervor, die ihren Einfluss auf die kaiserliche Politik hatten steigern und
einen Rivalen beseitigen können.
Zum
Weiterlesen:
Ehlers,
Joachim, Heinrich der Löwe. Eine Biographie, München 2009.
Görich,
Knut, Jäger des Löwen oder Getriebener des Fürsten? Friedrich Barbarossa und
die Entmachtung Heinrichs des Löwen, in: Staufer & Welfen. Zwei
rivalisierende Dynastien im Hochmittelalter, hg. v. Werner Hechberger und
Florian Schuller, Regensburg 2009, S. 98-117.
Schneidmüller,
Bernd, Heinrich der Löwe. Innovationspotentiale eines mittelalterlichen
Fürsten, in: Staufer & Welfen. Zwei rivalisierende Dynastien im
Hochmittelalter, hg. v. Werner Hechberger und Florian Schuller, Regensburg
2009, S. 50-65.
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