„Gerardus Mercator, illustrissimi principis Iuliae, Cliviae, Montis
etc. cosmographus longe exercitatissimus, editus est in Iucem anno millesimio
quingentesimo duodecimo quinta Martii su auroram hora sexta…“
„Gerhard Mercator, der äußerst erfahrene Kosmograph des erlauchtesten
Fürsten von Jülich, Kleve, Berg usw., kam zur Welt im Jahre 1512, am 5. März
gegen Morgen um 6 Uhr…“ Diese genaue Beschreibung ist dem Duisburger
Bürgermeister Walter Ghim (1530-1611) zu verdanken, ein guter Freund Mercators,
der ihm zu Ehren die „Vita Mercatoris“ verfasste. Anhand dieser
zeitgenössischen Quelle kann das Leben des bedeutenden Mathematikers, Geografen
und Philosophen zuverlässig nachgezeichnet werden.
Mercator erlebte bis zu seinem Tod 1594 fast das gesamte 16.
Jahrhundert. Ab dieser Zeit wurden prägende Strukturen der Neuzeit von
berühmten Zeitgenossen begründet. Martin Luther entfachte mit seinem
Thesenanschlag 1517 den Glaubensstreit zwischen Katholiken und Protestanten,
der im Dreißigjährigen Krieg seinen Höhepunkt finden sollte. Jakob Fugger
bestimmte als reicher Kaufmann und Bankier die Geldgeschäfte in Europa und legte den Grundstein für den späteren
Kapitalismus. Nachdem Christoph Kolumbus 1492 den Startschuss zur Entdeckung
der „Neuen Welt“ gab, folgten ihm daraufhin bald viele Seefahrer wie Ferdinand
Magellan oder Vasco da Gama im sogenannten „Zeitalter der Entdeckungen“.
Schließlich wurde Kaiser Karl V. 1519 zum römisch-deutschen Kaiser gewählt und
sollte mit Spanien sowie den Kolonien in Südamerika und Asien, ein Reich
beherrschen, welches die damals bekannte Welt umfasste.
Auf dieser Bühne des 16. Jahrhunderts mit all seinen Akteuren befand
sich Gerhard Mercator. Mit vielen bedeutenden Zeitgenossen stand er in regem
Kontakt, andere beeinflussten ihn durch ihre Lehren und er selbst brachte durch
seine Arbeiten und Forschungen Großes hervor, was selbst unser heutiges Leben in
vielerlei Hinsicht bestimmt.
Am 05. März 1512 wurde in Rupelmonde, einer kleinen Ortschaft in
Ostflandern in der Nähe von Antwerpen, der spätere Kartograph Gerhard de Cremer
geboren. Nach dem Tod des Vaters Hubrecht de Cremer nahm dessen Onkel Gisbert den Jungen
auf und bemühte sich um die Ausbildung seines Großneffen. In seiner Funktion
als Geistlicher in Rupelmonde empfahl er den jugendlichen Gerhard als Fünfzehnjährigen
nach Herzogenbusch ins Haus der „Brüder vom Gemeinsamen Leben“. In dieser Ordensgemeinschaft,
die klosterähnliche Lebensgrundsätze vertrat, lernte Mercator die nötigen
Grundlagen für ein Universitätsstudium. Darunter fielen zum Beispiel Latein,
Griechisch oder philosophische Themenbereiche. Der junge Gerhard blieb über
sein 18. Lebensjahr hinaus in Herzogenbusch, bis er sich 1530 in der belgischen
Universitätsstadt Löwen um ein Studium bewarb. Er immatrikulierte sich an der
Artistenfakultät und studierte die „septem artes liberales“ (Grammatik, Rhetorik,
Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik), jene sieben freien
Künste, die als Grundlage für ein Studium im Mittelalter und der Frühen Neuzeit
Voraussetzung waren. In seiner Zeit als Student latinisierte Gerhard De Cremer
seinen Namen und formte aus der Übersetzung seines Nachnamens „Gerardus
Mercator“. Unter seinem Universitätslehrer Gemma Frisius setzte sich Mercator
intensiv mit Mathematik und Astronomie auseinander. In dieser Zeit sammelte der
spätere Kartograph erste Erfahrungen in der Technik der Landvermessung und des Kupferstechens,
um auch eigene Karten und Globen zu den damals bekannten Ländern und
Kontinenten der Welt herzustellen. Mit dem Abschluss eines Magister Artium 1532
arbeitete Mercator von 1534 bis 1537 zusammen mit Gemma Frisius an Erd- und
Himmelsgloben, wobei er seine neuen Kenntnisse praktisch anwenden konnte. In
seiner Freizeit studierte er weiterhin Philosophie, Mathematik sowie auch
Theologie, sodass er stets weitere Grundlagen und Spezialisierungen als
zukünftiger Universalgelehrter anhäufte. 1536 konnte Gerhard Mercator die
Löwenerin Barbara Schellekens heiraten, aus deren gemeinsamer Ehe insgesamt
sechs Kinder hervorgingen.
Die Tätigkeit als Globenbauer in Löwen diente dem Universalgelehrten
als wichtige Einnahmequelle zur Finanzierung der Familie. So fertigte er 1541
erstmals einen eigenen Erdglobus und 1551 einen Himmelsglobus zur Bestimmung
astronomischer Sternenbilder an, die sogar Kaiser Karl V. persönlich
zugeliefert wurden. Besondere Anerkennung und Berühmtheit erlangte Mercator
aber vor allem durch seine vielen verschiedenen Karten, wie zum Beispiel die
Landkarte zu Jerusalem („Karte des Heiligen Landes“) 1537 oder die
Flandernkarte von 1540, wo treffend genau Ortschaften, Flüsse und Landstriche
markiert wurden. Stets bemühte er sich um ein hohes Maß an Genauigkeit in der
Herstellung seiner Karten, wobei ihm seine mathematische Begabung zugutekam. Mittels
Briefkorrespondenzen zwischen ihm und Seefahrern oder Reisenden wertete
Mercator Reiseberichte oder Seekarten von Schiffsfahrten aus, um neue Karten
herzustellen und alte Karten stets aktualisieren zu können.
Seine bedeutendsten Werke schuf Mercator nach seinem Umzug nach
Duisburg ab 1552, wo er bis zu seinem Tode mit der Familie lebte. Die Forschung
gibt verschiedene Gründe für den Ortswechsel in die kleine Stadt unter der
Herrschaft Wilhelms V. von Kleve-Jülich-Berg an. Einerseits vermuten
Historiker, dass Mercator aufgrund von religiösen Motiven aus Löwen und
Flandern geflohen sein könnte. 1544 wurde er der „Lutterye“ bezichtigt, dem
Glauben an die Lehren des Protestantismus. Die Niederlande und Flandern
gehörten zu Mercators Zeit zum Königreich Spanien, wobei die spanische
Inquisition vehement gegen den Protestantismus handelte. Die Spanischen
Niederlande waren eine Keimzelle für die Lehren Martin Luthers und jeglicher
Verdacht auf Sympathie oder Unterstützung wurde mit schweren Strafen belegt.
Gerhard Mercator wurde deshalb für mehrere Monate im Kastell Gravensteen in
Rupelmonde gefangen gehalten. Mit dem Umzug nach Duisburg erwartete den
Gelehrten und seine Familie eine Stadt religiöser Toleranz, in der er nicht
aufgrund seines Glaubens verfolgt werden würde. Jedoch liegen zwischen der
Verhaftung in Rupelmonde und der Übersiedlung nach Duisburg acht Jahre. Als
Mercator Duisburg erreichte, nahm er sämtliche Druckplatten für seine Karten
und alle Unterlagen seiner Globenwerkstatt mit. Somit spekulieren
Fachwissenschaftler auf der anderen Seite, dass der Ortswechsel in das
Herzogtum Kleve ein geplanter und wohlüberlegter Umzug aus beruflichen Gründen
gewesen sein könnte. Diese These wird dadurch unterstützt, dass in Duisburg der
Bau einer Universität geplant war und der Herzog Mercator als Professor für die
neue Einrichtung gewinnen wollte.
Das Kartenbuch des Gerhard Mercator mit dem mauretanischen König Atlas (1619)
(https://www.raremaps.com/maps/medium/40261.jpg).
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Zwei Werke aus Duisburg begründen den Ruhm von Mercator bis heute und
finden in vielen verschiedenen Situationen Verwendung, wenn es um Navigation
geht. All seine Karten, die der Universalgelehrte zu Lebzeiten anfertigte und
ständig aktualisierte, fasste er in einem großen Kartenbuch zusammen, dem „Atlas sive cosmographicae meditationes de
fabrica mundi et fabricati figura“ (übersetzt: Atlas oder kosmographische
Gedanken über die Erschaffung der Welt und die Gestalt des Geschaffenen).
Zusammen mit seinem Sohn Rumold und Mercators Enkel Gerhard wurden posthum 1595
106 Karten herausgegeben, welche detailliert die Welt des 16. Jahrhunderts
kartographieren. Jedes Schulkind arbeitet heute mit einem Atlas im
Erdkundeunterricht, welcher genau wie zu Mercators Lebzeiten und darüber hinaus
mit jeder weiteren Auflage auf den neuesten Stand gebracht wurde und wird. Der
Begriff Atlas ist dabei lange Zeit falsch interpretiert worden. Denkt man bei
diesem Namen an den griechischen Titan, welcher die Erde auf seinen Schultern
trägt, so sieht der „Titan“ auf dem Titelblatt des Kartenbuchs vollkommen
anders aus. Dieser hält einen Globus mit seiner linken Hand fest und misst mit
einem Zirkel in der rechten die Breitengrade. Mercator widmete sein Werk
einem König aus Mauretanien namens Atlas, welcher in griechischen Sagen
außerordentlich fromm und naturwissenschaftlich begabt gewesen sein soll. In
dieser Tradition sah sich auch der Kartograph und setzte somit ein Denkmal für
den westafrikanischen König.
Die Weltkarte „ad usum
navigantium“ (übersetzt: Zum Gebrauch der Seefahrt) von 1569 ist die erste
Karte, in der die sogenannte „Mercator-Projektion“ zum Einsatz kam. Viele
Astronomen und Kartographen standen vor dem Problem, die kugelförmige
Oberfläche der Erde auf ein rechteckiges Kartenformat zu übertragen. Frühere
Seekarten waren oft fehlerhaft, da die Winkeltreue zum ausgerechneten
Kompasskurs nicht gewährleistet war. Somit war es Seefahrern nicht möglich,
einen geraden Kurs auf See zu fahren. Mercator löste das Problem, indem er die
Breitengrade zu den beiden Polen hin „langzog“, um die Kugelform der Erde auf
Kartenformat zu übertragen. Die Seefahrer konnten die Schiffe nun entlang ihres
berechneten Kurses ohne Abweichungen steuern. Der einzige Nachteil an dieser
Projektion ist die Verzerrung der Kontinente durch die wachsenden Breitengrade zum
Nord- und Südpol. So erscheint der europäische Kontinent vor allem im Bereich
von Norwegen und Schweden im Gegensatz zu der Abbildung auf einem Globus
ungewöhnlich groß. Doch wird die „Mercator-Projektion“ heutzutage in vielen
verschiedenen Computersystemen zur See-, Luft- und Raumfahrt verwendet. Selbst
das Navigationsgerät, welches wir in unserem Auto einschalten, nutzt die
geschaffene Projektion aus dem 16. Jahrhundert des Universalgelehrten Gerhard
Mercator.
Literatur:
- Geske,
Hans-Heinrich: Die Vita Mercatoris des Walter Ghim, Duisburger
Forschungen, Band 6, Duisburg 1962, S. 244-277.
- Krämer, Karl Emerich:
Mercator. Eine Biographie, Duisburg 1980.
- Kultur- und
Stadthistorisches Museum (Hrsg.): Zeitlupe. 500 Jahre Gerhard
Mercator und der blaue Planet, Duisburg 2012.
- Milz, Joseph: Geschichte der Stadt Duisburg. Von den Anfängen bis
zum Ende des Alten Reiches, Duisburg 2013.
- Schorn-Schütte, Luise: Geschichte Europas in der Frühen Neuzeit.
Studienhandbuch 1500-1789, Paderborn 2009.
- Stadtarchiv Duisburg (Hrsg.): Gerhard Mercator. Vorläufer,
Zeitgenossen, Nachwirkungen. Zu seinem 500. Geburtstag 2012,
Duisburger Forschungen, Band 59, Duisburg 2013.
* Dieser Artikel stammt von Gastautor Jonas
Krüning. Jonas studiert Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
und arbeitet nebenberuflich als Wissenschaftliche Hilfskraft im Kultur- und
Stadthistorischen Museum Duisburg. Dort beschäftigt er sich insbesondere mit
Themen des 16. Jahrhunderts wie beispielsweise der damaligen Kleidung, Musik
und Ernährung.
Guter, informativer Artikel! Endlich habe ich die Problematik der Mercator-Projektion verstanden :-)
AntwortenLöschenVielen Dank. Schön, dass wir die Problematik auflösen konnten. :-)
LöschenGerhard Mercator on tour https://www.kulturreise-ideen.de/wissenschaft/personen-3/Tour-gerhard-mercator.html
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