Marc Morris, englischer Historiker und Rundfunkmitarbeiter, versteht es, seine Leser auf 353 Seiten für die normannische Eroberung zu begeistern. In seiner 2013 erschienenen Monographie The Norman Conquest beschreibt er in einem flüssig zu lesenden Englisch die Ereignisse zur Vorgeschichte der normannischen Eroberung bis hin zu Wilhelms Tod.
Angefangen
bei den Entwicklungen in der Normandie (Ansiedlung der Skandinavier,
Christianisierung und Anpassung) und in England (unter dänischer Herrschaft,
Verwicklung in dauerhafte Konflikte in der Peripherie) sowie den Geburten der
späteren Könige Eduard I. und Wilhelm I. und deren Kampf um die Macht in ihren
Reichen zeichnet Morris die Entwicklung beider Herrschaftsgebiete und den
Aufstieg der zukünftigen Könige parallel nach. Zusätzlich erhält die Familie
von Godwin, die wahrscheinlich mächtigste Familie Englands zur Zeit Eduards,
einen angemessenen Stellenwert in seinen Betrachtungen: Der Aufstieg durch die
Hochzeit von Godwins Tochter mit König Eduard, der Besitz von 4 der 5 Earldoms
in England und der Weg zum Königtum seines Sohnes Harold sind zentrale
Elemente, die mit der Entwicklung Englands hin zu den Strukturen, die Wilhelm
1066 vorfindet, fest verknüpft sind.
Eduards
steiniger Weg zum König, die Bausteine und Probleme seiner Herrschaft und der
letztlich kinderlose Tod, der erst das Königtum Wilhelms möglich macht, werden
von Morris, wie auch alle anderen Handlungsstränge, anhand der Quellen sorgfältig
und verständlich dargestellt. Die zahlreichen Quellen, die die Ereignisse nach
1066 aus unterschiedlichen Blickwinkeln (angelsächsisch und normannisch) wiedergeben,
werden von Morris hinsichtlich der normannischen Eroberung in unaufdringlicher
Art und Weise herangezogen, das heißt, dass er die Quellen vergleichend gegenüberstellt,
interpretiert und schließlich seine Einschätzung über glaubwürdigere und
unglaubwürdige Quellen(-abschnitte) mitteilt. Schlussendlich überlässt er es
aber immer dem Leser, sich seine eigene Meinung über die Quelleninhalte zu bilden.
Besonders die vermeintlichen Designationen Wilhelms und Harolds bleiben somit
Diskussionsgegenstände.
Wilhelms
Aufstieg als durchsetzungsfähiger, aber auch sehr brutaler warrior gegen die oppositionellen Kräfte in der Normandie wird von
Morris während der Schlacht von Hastings und in seiner konsequent
durchsetzungsfähigen Herrschaftsweise weitergezeichnet. Die zahlreichen
Aufstände zu Beginn von Wilhelms Herrschaft in England werden zum Teil zu genau
betrachtet, obwohl viele von ihnen keine Auswirkungen auf Wilhelms Herrschaft
hatten. Die Gesamtzahl der Aufstände ist ein Beleg für die Gegenwehr gegen die
normannische Herrschaft und auch die brutale Art Wilhelms, mit der er die
Aufstände niederschlägt (Stichwort: „Harrying of the North“), zeigt die
Problematik dieser Aufstände. Die Thematisierung von kleineren, eher unwichtigen
Aufständen ist weitgehend überflüssig. Das Bild Wilhelms wird differenziert
betrachtet: Von religiös und fromm zu äußerst brutal, von Englands häufig
abwesenden König zum autonomen Herrscher der Normandie sowie vom Förderer
seiner normannischen Verbündeten zum Sieger über die angelsächsische Elite.
Einen
besonderen Wert legt Morris auf die strukturellen Veränderungen Englands. Neue
Gesellschaftsstrukturen und –elemente wie die Architektur (Burgenbau und
normannische Kathedralen), den Austausch der Oberschicht, die Kirchenreformen
und auch die neue Landverteilung (nul
terre sans seigneur mit Wilhelm als obersten Lehnsherrn) beschreibt Morris
ausführlich. Er beschließt sein Buch mit dem Tod Wilhelms und den
Streitigkeiten um dessen Nachfolge.
Ergänzend
zu den 353 Seiten Text, sind zusätzlich Stammbäume, Landkarten und 16 Seiten
mit farbigen Bildern eingefügt. Auch ausführliche Fußnoten und ein
Literaturverzeichnis fehlen nicht.
Insgesamt
ist The Norman Conquest sowohl als
Einführung, als auch als Vertiefung in die Thematik der normannischen Eroberung
zu sehen. Mit seinem unaufdringlichen und flüssigen Schreibstil ist dieses Buch
mehr als ein rein wissenschaftliches Werk. Denn Morris ist es aufgrund seiner
Schreibweise gelungen, die Geschichte spannend zu gestalten. Auch wenn er dabei
mehrmals in die Beschreibung zu detaillierter, für das Thema seines Buches
nicht grundlegender Ereignisse abrutscht, können wir The Norman Conquest für jeden empfehlen, der der englischen Sprache
mächtig ist und sich für die Geschichte Englands des 11. Jahrhunderts
interessiert.
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