Dienstag, 23. Dezember 2014

Marc Morris - "The Norman Conquest"


Marc Morris, englischer Historiker und Rundfunkmitarbeiter, versteht es, seine Leser auf 353 Seiten für die normannische Eroberung zu begeistern. In seiner 2013 erschienenen Monographie The Norman Conquest beschreibt er in einem flüssig zu lesenden Englisch die Ereignisse zur Vorgeschichte der normannischen Eroberung bis hin zu Wilhelms Tod.

Angefangen bei den Entwicklungen in der Normandie (Ansiedlung der Skandinavier, Christianisierung und Anpassung) und in England (unter dänischer Herrschaft, Verwicklung in dauerhafte Konflikte in der Peripherie) sowie den Geburten der späteren Könige Eduard I. und Wilhelm I. und deren Kampf um die Macht in ihren Reichen zeichnet Morris die Entwicklung beider Herrschaftsgebiete und den Aufstieg der zukünftigen Könige parallel nach. Zusätzlich erhält die Familie von Godwin, die wahrscheinlich mächtigste Familie Englands zur Zeit Eduards, einen angemessenen Stellenwert in seinen Betrachtungen: Der Aufstieg durch die Hochzeit von Godwins Tochter mit König Eduard, der Besitz von 4 der 5 Earldoms in England und der Weg zum Königtum seines Sohnes Harold sind zentrale Elemente, die mit der Entwicklung Englands hin zu den Strukturen, die Wilhelm 1066 vorfindet, fest verknüpft sind.

Eduards steiniger Weg zum König, die Bausteine und Probleme seiner Herrschaft und der letztlich kinderlose Tod, der erst das Königtum Wilhelms möglich macht, werden von Morris, wie auch alle anderen Handlungsstränge, anhand der Quellen sorgfältig und verständlich dargestellt. Die zahlreichen Quellen, die die Ereignisse nach 1066 aus unterschiedlichen Blickwinkeln (angelsächsisch und normannisch) wiedergeben, werden von Morris hinsichtlich der normannischen Eroberung in unaufdringlicher Art und Weise herangezogen, das heißt, dass er die Quellen vergleichend gegenüberstellt, interpretiert und schließlich seine Einschätzung über glaubwürdigere und unglaubwürdige Quellen(-abschnitte) mitteilt. Schlussendlich überlässt er es aber immer dem Leser, sich seine eigene Meinung über die Quelleninhalte zu bilden. Besonders die vermeintlichen Designationen Wilhelms und Harolds bleiben somit Diskussionsgegenstände. 

Wilhelms Aufstieg als durchsetzungsfähiger, aber auch sehr brutaler warrior gegen die oppositionellen Kräfte in der Normandie wird von Morris während der Schlacht von Hastings und in seiner konsequent durchsetzungsfähigen Herrschaftsweise weitergezeichnet. Die zahlreichen Aufstände zu Beginn von Wilhelms Herrschaft in England werden zum Teil zu genau betrachtet, obwohl viele von ihnen keine Auswirkungen auf Wilhelms Herrschaft hatten. Die Gesamtzahl der Aufstände ist ein Beleg für die Gegenwehr gegen die normannische Herrschaft und auch die brutale Art Wilhelms, mit der er die Aufstände niederschlägt (Stichwort: „Harrying of the North“), zeigt die Problematik dieser Aufstände. Die Thematisierung von kleineren, eher unwichtigen Aufständen ist weitgehend überflüssig. Das Bild Wilhelms wird differenziert betrachtet: Von religiös und fromm zu äußerst brutal, von Englands häufig abwesenden König zum autonomen Herrscher der Normandie sowie vom Förderer seiner normannischen Verbündeten zum Sieger über die angelsächsische Elite. 

Einen besonderen Wert legt Morris auf die strukturellen Veränderungen Englands. Neue Gesellschaftsstrukturen und –elemente wie die Architektur (Burgenbau und normannische Kathedralen), den Austausch der Oberschicht, die Kirchenreformen und auch die neue Landverteilung (nul terre sans seigneur mit Wilhelm als obersten Lehnsherrn) beschreibt Morris ausführlich. Er beschließt sein Buch mit dem Tod Wilhelms und den Streitigkeiten um dessen Nachfolge.
Ergänzend zu den 353 Seiten Text, sind zusätzlich Stammbäume, Landkarten und 16 Seiten mit farbigen Bildern eingefügt. Auch ausführliche Fußnoten und ein Literaturverzeichnis fehlen nicht. 

Insgesamt ist The Norman Conquest sowohl als Einführung, als auch als Vertiefung in die Thematik der normannischen Eroberung zu sehen. Mit seinem unaufdringlichen und flüssigen Schreibstil ist dieses Buch mehr als ein rein wissenschaftliches Werk. Denn Morris ist es aufgrund seiner Schreibweise gelungen, die Geschichte spannend zu gestalten. Auch wenn er dabei mehrmals in die Beschreibung zu detaillierter, für das Thema seines Buches nicht grundlegender Ereignisse abrutscht, können wir The Norman Conquest für jeden empfehlen, der der englischen Sprache mächtig ist und sich für die Geschichte Englands des 11. Jahrhunderts interessiert.

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