Mit Sicherheit erinnert
ihr euch noch an die D-Mark, aber erinnert ihr euch auch noch an das Bild der
Frau, die auf dem 500-DM-Schein abgebildet war? Im heutigen Artikel soll es um
das besondere Leben eben jener Frau, Maria Sibylla Merian, gehen. Sie galt als
eine der bedeutendsten Naturforscherinnen und Künstlerinnen ihrer Zeit. Doch
während ihr Werk die Jahrhunderte überdauerte, fiel die Frau dahinter für
Jahrhunderte beinahe der Vergessenheit anheim, bevor mit Beginn des 20.
Jahrhunderts ihre Wiederentdeckung einsetzte. Heute wird sie zu Recht als eine wichtige
Wegbereiterin der modernen Insektenkunde anerkannt und unter anderem in Form
von nach ihr benannten Straßen und Schulen entsprechend gewürdigt.
Maria Sibylla
Merian wurde am 2. April 1647 in Frankfurt am Main geboren. Sie zeigte schon
früh ein künstlerisches Talent, welches von ihrer Mutter allerdings eher
missbilligend zur Kenntnis genommen wurde. Erst ihr Stiefvater Jacob Marrel
(1614-1681), der selbst als Stilllebenmaler tätig war, erkannte das Talent des
Mädchens und bemühte sich um eine künstlerische Ausbildung seiner Stieftochter.
Vermutlich schon mit elf Jahren konnte Merian eigenständig Kupferstiche
anfertigen und sie malte vermehrt Blumen, deren Abbildungen sie mit Insekten
ergänzte. Insbesondere Raupen und deren Entwicklungen zu den
unterschiedlichsten Arten von Schmetterlingen faszinierten sie, weshalb sie
schon bald damit begann, Raupen zu sammeln und zu züchten. Währenddessen hielt
sie die unterschiedlichen Stadien der Metamorphose stets zeichnerisch fest und
kommentierte diese gelegentlich.
Einen Monat nach
ihrem 18. Geburtstag wurde sie 1665 mit Johann Andreas Graff verheiratet, der
ebenfalls seine Ausbildung durch Jacob Marrel erhalten hatte. Aus der Ehe
gingen zwei Töchter hervor, die sich ebenfalls als künstlerisch begabt
erwiesen. 1670 zog die Familie nach Nürnberg, in die Geburtsstadt Graffs, um.
Merian setzte hier ihre künstlerischen Tätigkeiten fort, jedoch erstmals mit
dem Ziel des Geldverdienens. Als Frau war es ihr im 17. Jahrhundert zwar nicht
erlaubt, Großaufträge anzunehmen und beispielsweise Ölfarben oder Leinwände zu
benutzen, da diese Männer vorbehalten waren, aber sie fertigte Zeichnungen mit
Aquarellfarben an, die sie anschließend verkaufte. Auch brachte sie anderen
Frauen die Blumenmalerei bei und veröffentlichte 1675 das Neue Blumenbuch, welches Stickereivorlagen enthielt. Diesem ersten
Teil folgten 1677 und 1680 zwei weitere Bände. Ihre bereits als Kind
offensichtlich gewordene Faszination für Raupen begleitete sie auch als
Erwachsene und resultierte schließlich in der dreiteiligen Publikation des
sogenannten Raupenbuchs (Der Raupen
wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung). In diesem Buch
bildete Merian die Entwicklungsstadien der Insekten farbig ab und sie zeigte
gleichzeitig die Pflanzen, von welchen sich diese ernährten, was eine
Besonderheit und Neuerung im 17. Jahrhundert darstellte. Stets ging es ihr in
ihrem Werk jedoch auch darum, die Leistungen der Schöpfung Gottes zu würdigen. Sowohl
das Blumenbuch als auch das
Raupenbuch waren jedoch nicht besonders erfolgreich und verkauften sich nur
schlecht. Beide sind heute nur in wenigen Exemplaren überliefert.
Mit 38 Jahren
und nach einer als gescheitert zu bezeichnenden Ehe zog Merian gemeinsam mit
ihren Töchtern und ihrer Mutter auf ein im niederländischen Friesland gelegenes
Schloss, auf welchem bereits ihr Bruder lebte. Dieses Schloss mit dem Namen Waltha-State
stellte den Hauptsitz der Sekte der Labadisten dar, deren Mitglied Merian wohl
für einige Jahre wurde. Diese Sekte orientierte sich an den Grundzügen der
reformierten Kirche und folgte dabei überaus strengen und moralisch sehr eng
gefassten Regeln. Ihr Name geht zurück auf den Mystiker und Gründer Jean de
Labadie (1610-1674).
Während dieser
Zeit malte Merian auch weiterhin Blumen und vor allem Schmetterlinge, weiterhin
studierte sie intensiv Latein. Besonders geprägt wurde sie durch eine Sammlung
exotischer Schmetterlinge, die aus dem südamerikanischen Staat Surinam stammte,
einer damaligen niederländischen Kolonie, und die im Schloss aufbewahrt wurde.
1691 verließ sie das Umfeld der Labadisten schließlich und zog mit ihren
Töchtern nach Amsterdam. In dieser Zeit erlangte sie mehr und mehr den Ruf
einer geschätzten Naturforscherin und Künstlerin und sie setzte ihre Studien
nun intensiver denn je fort. Beispielsweise las sie die Bücher anderer
Naturforscher und verglich ihre Ergebnisse mit diesen. Außerdem knüpfte sie Kontakte
zu einflussreichen niederländischen Bürgern, die sie und ihre Forschungen
finanziell unterstützten. Gleichzeitig verkaufte sie, wie schon zuvor in
Nürnberg, Farben, Zeichnungen und präparierte Insekten, um den Lebensunterhalt
der Familie zu sichern. Schließlich traf sie 1699 die Entscheidung, selbst in
Begleitung ihrer jüngeren Tochter nach Surinam zu reisen, um die dort lebenden Schmetterlinge
vor Ort in allen Entwicklungsstadien erforschen zu können.
Es kann davon
ausgegangen werden, dass die Reise und der zweijährige Aufenthalt für die
mittlerweile über fünfzig Jahre alte Frau, die noch dazu ohne männliche
Begleitung reiste, alles andere als einfach gewesen sein muss und für die
damalige Zeit etwas Besonderes und Gefährliches darstellte. Dennoch kann die
Reise als Erfolg gewertet werden: Nicht nur nahm Merian hier die bis heute
gültige Einteilung der Schmetterlinge in Tag- und Nachtfalter vor, auch brachte
sie eine Reihe von Tier- und Pflanzenpräparaten mit nach Amsterdam, die sie
dort erfolgreich ausstellte. Vor allem aber diente die Reise nach Surinam als
Ausgangspunkt für die Entstehung ihres Hauptwerks, der Metamorphosis insectorum Surinamensium, welches 1705 erschien und
als wichtiger Schritt und wissenschaftlicher Beitrag auf dem Weg zur Erforschung
von Insekten, der sogenannten Entomologie, gelten muss. Maria Sibylla Merian
starb 1717 in Amsterdam. Ihre Bücher, Zeichnungen und Aquarelle werden heute
auf der ganzen Welt in den unterschiedlichsten Sammlungen aufbewahrt.
Kolorierte Kupferstiche aus Metamorphosis insectorum Surinamensium, 1705.
Links: rote Lilie, rechts: Wasserskorpion, Frösche, Kaulquappen und Wasserhyazinthe
Literatur:
Kühn, Dieter: Frau
Merian! Eine Lebensgeschichte, Frankfurt am Main 2002.
Zemon Davis,
Natalie: Metamorphosen. Das Leben der Maria Sibylla Merian, Berlin 2003.
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