Sonntag, 21. September 2014

Maria Sibylla Merian

Mit Sicherheit erinnert ihr euch noch an die D-Mark, aber erinnert ihr euch auch noch an das Bild der Frau, die auf dem 500-DM-Schein abgebildet war? Im heutigen Artikel soll es um das besondere Leben eben jener Frau, Maria Sibylla Merian, gehen. Sie galt als eine der bedeutendsten Naturforscherinnen und Künstlerinnen ihrer Zeit. Doch während ihr Werk die Jahrhunderte überdauerte, fiel die Frau dahinter für Jahrhunderte beinahe der Vergessenheit anheim, bevor mit Beginn des 20. Jahrhunderts ihre Wiederentdeckung einsetzte.  Heute wird sie zu Recht als eine wichtige Wegbereiterin der modernen Insektenkunde anerkannt und unter anderem in Form von nach ihr benannten Straßen und Schulen entsprechend gewürdigt.


Maria Sibylla Merian wurde am 2. April 1647 in Frankfurt am Main geboren. Sie zeigte schon früh ein künstlerisches Talent, welches von ihrer Mutter allerdings eher missbilligend zur Kenntnis genommen wurde. Erst ihr Stiefvater Jacob Marrel (1614-1681), der selbst als Stilllebenmaler tätig war, erkannte das Talent des Mädchens und bemühte sich um eine künstlerische Ausbildung seiner Stieftochter. Vermutlich schon mit elf Jahren konnte Merian eigenständig Kupferstiche anfertigen und sie malte vermehrt Blumen, deren Abbildungen sie mit Insekten ergänzte. Insbesondere Raupen und deren Entwicklungen zu den unterschiedlichsten Arten von Schmetterlingen faszinierten sie, weshalb sie schon bald damit begann, Raupen zu sammeln und zu züchten. Währenddessen hielt sie die unterschiedlichen Stadien der Metamorphose stets zeichnerisch fest und kommentierte diese gelegentlich.

Einen Monat nach ihrem 18. Geburtstag wurde sie 1665 mit Johann Andreas Graff verheiratet, der ebenfalls seine Ausbildung durch Jacob Marrel erhalten hatte. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor, die sich ebenfalls als künstlerisch begabt erwiesen. 1670 zog die Familie nach Nürnberg, in die Geburtsstadt Graffs, um. Merian setzte hier ihre künstlerischen Tätigkeiten fort, jedoch erstmals mit dem Ziel des Geldverdienens. Als Frau war es ihr im 17. Jahrhundert zwar nicht erlaubt, Großaufträge anzunehmen und beispielsweise Ölfarben oder Leinwände zu benutzen, da diese Männer vorbehalten waren, aber sie fertigte Zeichnungen mit Aquarellfarben an, die sie anschließend verkaufte. Auch brachte sie anderen Frauen die Blumenmalerei bei und veröffentlichte 1675 das Neue Blumenbuch, welches Stickereivorlagen enthielt. Diesem ersten Teil folgten 1677 und 1680 zwei weitere Bände. Ihre bereits als Kind offensichtlich gewordene Faszination für Raupen begleitete sie auch als Erwachsene und resultierte schließlich in der dreiteiligen Publikation des sogenannten Raupenbuchs (Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung). In diesem Buch bildete Merian die Entwicklungsstadien der Insekten farbig ab und sie zeigte gleichzeitig die Pflanzen, von welchen sich diese ernährten, was eine Besonderheit und Neuerung im 17. Jahrhundert darstellte. Stets ging es ihr in ihrem Werk jedoch auch darum, die Leistungen der Schöpfung Gottes zu würdigen. Sowohl das Blumenbuch als auch das Raupenbuch waren jedoch nicht besonders erfolgreich und verkauften sich nur schlecht. Beide sind heute nur in wenigen Exemplaren überliefert.
Mit 38 Jahren und nach einer als gescheitert zu bezeichnenden Ehe zog Merian gemeinsam mit ihren Töchtern und ihrer Mutter auf ein im niederländischen Friesland gelegenes Schloss, auf welchem bereits ihr Bruder lebte. Dieses Schloss mit dem Namen Waltha-State stellte den Hauptsitz der Sekte der Labadisten dar, deren Mitglied Merian wohl für einige Jahre wurde. Diese Sekte orientierte sich an den Grundzügen der reformierten Kirche und folgte dabei überaus strengen und moralisch sehr eng gefassten Regeln. Ihr Name geht zurück auf den Mystiker und Gründer Jean de Labadie (1610-1674).

Während dieser Zeit malte Merian auch weiterhin Blumen und vor allem Schmetterlinge, weiterhin studierte sie intensiv Latein. Besonders geprägt wurde sie durch eine Sammlung exotischer Schmetterlinge, die aus dem südamerikanischen Staat Surinam stammte, einer damaligen niederländischen Kolonie, und die im Schloss aufbewahrt wurde. 1691 verließ sie das Umfeld der Labadisten schließlich und zog mit ihren Töchtern nach Amsterdam. In dieser Zeit erlangte sie mehr und mehr den Ruf einer geschätzten Naturforscherin und Künstlerin und sie setzte ihre Studien nun intensiver denn je fort. Beispielsweise las sie die Bücher anderer Naturforscher und verglich ihre Ergebnisse mit diesen. Außerdem knüpfte sie Kontakte zu einflussreichen niederländischen Bürgern, die sie und ihre Forschungen finanziell unterstützten. Gleichzeitig verkaufte sie, wie schon zuvor in Nürnberg, Farben, Zeichnungen und präparierte Insekten, um den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Schließlich traf sie 1699 die Entscheidung, selbst in Begleitung ihrer jüngeren Tochter nach Surinam zu reisen, um die dort lebenden Schmetterlinge vor Ort in allen Entwicklungsstadien erforschen zu können.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Reise und der zweijährige Aufenthalt für die mittlerweile über fünfzig Jahre alte Frau, die noch dazu ohne männliche Begleitung reiste, alles andere als einfach gewesen sein muss und für die damalige Zeit etwas Besonderes und Gefährliches darstellte. Dennoch kann die Reise als Erfolg gewertet werden: Nicht nur nahm Merian hier die bis heute gültige Einteilung der Schmetterlinge in Tag- und Nachtfalter vor, auch brachte sie eine Reihe von Tier- und Pflanzenpräparaten mit nach Amsterdam, die sie dort erfolgreich ausstellte. Vor allem aber diente die Reise nach Surinam als Ausgangspunkt für die Entstehung ihres Hauptwerks, der Metamorphosis insectorum Surinamensium, welches 1705 erschien und als wichtiger Schritt und wissenschaftlicher Beitrag auf dem Weg zur Erforschung von Insekten, der sogenannten Entomologie, gelten muss. Maria Sibylla Merian starb 1717 in Amsterdam. Ihre Bücher, Zeichnungen und Aquarelle werden heute auf der ganzen Welt in den unterschiedlichsten Sammlungen aufbewahrt.

Kolorierte Kupferstiche aus Metamorphosis insectorum Surinamensium, 1705. 
Links: rote Lilie, rechts: Wasserskorpion, Frösche, Kaulquappen und Wasserhyazinthe






















Literatur:
Kühn, Dieter: Frau Merian! Eine Lebensgeschichte, Frankfurt am Main 2002.
Zemon Davis, Natalie: Metamorphosen. Das Leben der Maria Sibylla Merian, Berlin 2003.

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