Sonntag, 25. Mai 2014

Die Krönung Heinrichs I. (919-936)

Um den 12. Mai 919 – das Datum ist nicht genau gesichert – wurde Heinrich in der Königspfalz Fritzlar zum neuen König des ostfränkischen Reichs gekrönt und damit Nachfolger von Konrad I., der Ende 918 verstorben war. Die lange Spanne zwischen dem Tod des alten Königs und der Krönung des neuen Königs liefert schon Hinweise darauf, dass diese Königskrönung nicht unumstritten war und es scheinbar Probleme um die Nachfolge gab. Im Folgenden versucht dieser Artikel den Weg zur Krönung Heinrichs und die Besonderheiten dieser zu beleuchten.

 Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/14/BildHeinrich.jpg   



Um das Besondere an dieser Krönung aufzeigen zu können, müssen wir die Anfänge der Familie Heinrichs kurz skizzieren. Heinrich war der Enkel eines gewissen Grafen Liudolf, über den nicht viel bekannt ist, außer dass er eben den Titel eines Grafen trug und dass er zwei Söhne, Otto und Brun, sowie eine Tochter, Liudgard, hatte. Der Titel „Graf“ bezog sich dabei auf das Herrschaftsgebiet der Liudolfinger – so wird die Familie des Stammvaters Liudolf genannt – in Sachsen. Die Liudolfinger waren also ein sächsisches Adelsgeschlecht, das die Herrschaft in Sachsen etablierte, sicherte und schließlich ausbauen konnte.

Nach dem Tode Graf Liudolfs 864 oder 866 begann der Aufstieg der Liudolfinger – auch aufgrund der späteren Kaiser Otto I., II., III. von der Forschung als Ottonen tituliert: Liudgard heiratete Ludwig den Jüngeren, den späteren König des Ostfrankenreichs, und verband damit die Liudolfinger mit der damaligen Herrscherfamilie der Karolinger, Otto wurde nach Bruns Tod dessen Nachfolger als Heerführer und damit auch Stellvertreter des Herrschers und letztendlich heiratete Heinrich  die damals wohl 13-jährige Mathilde, eine Nachfahrin des „Sachsenherzogs“ Widukind. Durch diese geschickte Heiratspolitik, denn Mathildes Vater war ein westfälischer Graf, knüpfte Heinrich ein neues Bündnis. Heinrich wurde auch Nachfolger seines Vaters, weil seine beiden anderen Brüder zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben waren. Der Weg Heinrichs war damit aber noch lange nicht beendet. 

Heinrich erarbeitete sich von Sachsen aus eine starke Machtposition, die man durchaus mit einer Autonomie in Sachsen selbst beschreiben kann. Seine Position war so stark, dass er vor kriegerischen Auseinandersetzungen mit König Konrad I., ab 911 König des ostfränkischen Reichs, und dessen Verbündeten um 915 nicht zurückscheuen musste. Auslöser dieser Auseinandersetzungen waren vor allem zwei Punkte: Konrad entzog das Kloster Hersfeld dem Einflussbereich der Liudolfinger und Heinrich bekam zunächst nicht die vollen Machtkompetenzen seines Vaters von Konrad zugesprochen. Es schien, als wolle Konrad Heinrich nicht noch mächtiger machen, als er ohnehin schon war. 

Die wahrscheinlich zentrale Episode auf dem Weg zur Königsherrschaft war das Freundschaftsangebot – in den Quellen amicitia genannt – Konrads an Heinrich, während letztgenannter von Konrad und dessen Heer belagert wurde. Eine solche amicitia war ein mittelalterliches Ritual, bei dem sich der Rangniedrigere unterwarf und dem Ranghöheren Treue schwor. Leider ist nicht überliefert, ob Heinrich das Angebot annahm oder nicht. Fakt aber ist, dass Konrads Frau und er selbst danach in das Totengedenken von den Liudolfingern aufgenommen wurden – ein klares Zeichen, dass die anfängliche Feindschaft in eine Freundschaft umgewandelt worden war. 

Als Konrad I. Ende 918 verstarb, sollte bis Mitte Mai 919 kein neuer König gekrönt werden. Diese ungewöhnlich lange Zeitspanne von über fünf Monaten zeigt, dass sich die Großen des Landes wohl nicht einig über einen geeigneten Nachfolger waren. Denn die Nachfolge Konrads gestaltete sich schwierig: Er hinterließ keinen Sohn und sein Bruder Eberhard, der anfangs wohl für die Nachfolge vorgesehen war, erwies sich im Konflikt mit Heinrich und anderen Herzögen als nicht fähig für dieses Amt.

Die Quellen berichten auf sehr interessante Weise von einer Designation – einer Festlegung und Bestimmung des amtierenden Königs auf seinen Nachfolger –  Heinrichs durch Konrad selbst. Hier greife ich auf Widukinds Res gestae Saxonicae (Sachsengeschichte) zurück, die diese Stelle in der wörtlichen Rede skizziert:

[Konrad wendet sich auf seinem Sterbebett an seinen Bruder Eberhard]:
Das Glück, mein Bruder, samt der herrlichsten Befähigung ist Heinrich zuteil geworden, die Entscheidung über das Gemeinwesen liegt in der Sachsen Hand. Nimm darum diese Abzeichen, die heilige Lanze, die goldenen Spangen nebst dem Mantel, das Schwert und die Krone der alten Könige, gehe hin zu Heinrich und mache Frieden mit ihm, damit du an ihm für immer einen Verbündeten hast. Denn warum soll das Frankenvolk damit dir vor Heinrich hinsinken?“ (aus: Wolfgang Giese, Heinrich I., Begründer der ottonischen Herrschaft, Darmstadt 2008, S. 58f.)

Wie bei jeder anderen Quelle sollte auch mit dieser vorsichtig umgegangen werden. Da weitere Quellen so ähnlich argumentieren, ist die ältere Forschung von einer Designation ausgegangen. Und auch heute noch gibt es Stimmen, die sich dieser Meinung anschließen. Eine Designation  ist aber in erster Linie lediglich eine Empfehlung, denn der König hatte kein Recht einen Nachfolger alleine festzulegen. Wenn es aber eine Designation laut Definition der älteren Forschung gegeben haben soll, warum dauerte es mehr als fünf Monate bis zur Krönung Heinrichs? Denn das dadurch entstandene Machtvakuum war alles andere als förderlich für die Strukturen und die Bindungen innerhalb des Reichs. (dazu auch:  http://geschichte-in-kurz.blogspot.de/2014/05/thronfolge-im-mittelalter.html) Andere Krönungen, zum Beispiel wurde Ludwig der Fromme einen Monat nach dem Tod Karls des Großen gekrönt, ließen nicht so lange auf sich warten. Den Designationsgedanken als Bestimmung des Nachfolgers vom amtierenden König, sollte man also verwerfen und nach anderen Möglichkeiten suchen, was aufgrund der Quellenlage nicht leicht fällt. Es scheint wahrscheinlicher, dass Konrads Tod eine nicht vorgesehene Lücke riss, die niemand aus seiner Familie besetzen konnte oder wollte, sodass die Großen, also die Eliten des Reichs, einen längeren Zeitraum brauchten einen geeigneten Nachfolger zu finden.

Als Heinrich dann Mitte Mai von den sächsischen und fränkischen Großen gekrönt wurde, geschah ein bis dato absolutes Novum: Heinrich I. war der erste nicht-fränkische König in einem fränkischen Reich. Seit dem 5. Jahrhundert gab es immer wieder verschieden große fränkische Reiche, die unter Chlodwig I. zusammengefügt worden waren, aber nie gab es einen nicht-fränkischen König. Dadurch, dass Konrad keine neue Dynastie begründen konnte, wurde Heinrich I. König des ostfränkischen Reiches und begründete eine neue Dynastie.


Literatur:
Gerd ALTHOFF, Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat, Stuttgart ²2005.
Wolfgang GIESE, Heinrich I., Begründer der ottonischen Herrschaft, Darmstadt 2008.

2 Kommentare:

  1. Ob sich wohl herausfinden ließe, wer den Mythos der Designation geschaffen hat. Denn die Quellen scheinen ja sehr wohl verbreiten zu wollen, dass es sich darum gehandelt habe.

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    1. Diese Konstellation rund um die "Designation" ist wirklich sehr interessant. Und die Antwort wird ein wenig länger ausfallen. ;)

      Die drei zentralen Quellen - Liudprand von Cremona, Adalbert von Magdeburg (der Fortsetzer der Regino-Chronik) und eben Widukind von Corvey - reden zwar nicht wortwörtlich von der "Designation", aber in allen Fällen wird Konrad I. auf irgendeine Art und Weise nachgesagt, dass er entscheidenden Einfluss bzgl. seiner eigenen Nachfolge hatte.
      Klar ist auch, dass diese drei Autoren keine Zeitzeugen waren: Liudprand wurde 920 erst geboren, Adalbert war erst 9 und Widukind wurde frühestens 925 geboren. Trotzdem sind sie noch sehr nah am Zeitgeschehen und werden bei ihren Werken sicherlich Zeitzeugenberichte benutzt haben.

      Spätestens dann aber kommt eben die Frage auf, warum diese drei Autoren von einer "Designation" sprechen. Und diese Frage ist wohl nicht so schwer zu beantworten. Widukind schrieb dies in der Res gestae Saxonicae, also der Sachsengeschichte. Sie beschreibt den Aufstieg der gens (Stamm, Volk) der Sachsen bis hin zu Heinrichs I. Tod 936 und ist der späteren Enkelin Heinrichs, Mathilde, gewidmet. Demzufolge war es Widukinds Ziel das Königtum Heinrichs zu legitimieren und die sächsische Herrscherfamilie besonders postitiv darzustellen.
      Liudprand war zeitweise im Dienst König Ottos I., Sohn Heinrichs und dessen Nachfolger. Adalbert von Magdeburg war ab 953 in der Kanzlei unter Otto I. tätig. Alle drei haben also Verbindungen zu Heinrich und seiner Familie. Die genannten Werke sind also bis zu einem gewissen Maße gefärbt; Johannes Fried spicht bei der Sachsengeschichte sogar von einem fehlergesättigten Bericht.

      Für die Forschung ist dies sicherlich ein interessantes Thema, weil keine 100 prozentig wahre Aussage getroffen werden kann und diskutiert werden kann. Das Reden von einer "Designation", in welcher Heinrich als perfekter Nachfolger stilisiert wird, ist natürlich für Heinrichs Nachfolger und seine Familie besser, als die Erwähnung von fünf Monaten Machtvakuum, in welcher sich die Großen des Reichs anscheinend nicht einig waren.

      Wer aber der Ursprung war, ist wahrscheinlich nicht herauszufinden. Widukinds und Adalberts Werke sind wohl parallel entstanden und Liudprands Werk fällt auch in diesen Zeitraum. Aber es scheint ja ein gewisses Selbstverständnis über diese "Designation" geherrscht zu haben, wenn die drei Autoren unabhängig voneinander geschrieben haben. Die Königsnähe der drei könnte auch dafür sprechen, dass der König selbst diese Ansicht vertritt - auch zur Legitimation und Hervorhebung seines Königtums.

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