Sonntag, 2. September 2018

1177 – Der Friede von Venedig

Die Beziehung zwischen den beiden mächtigsten Herrschern der mittelalterlichen Welt, dem Papst und dem Kaiser, gestaltete sich häufig äußert kompliziert. Ob Rangstreitigkeiten um die Position des höchsten geistlichen oder weltlichen Herrschers, Verweigerungen um die Anerkennung oder Aufhebung von Ehen sowie Auseinandersetzungen unter Verbündeten, Konfliktpotential war stets gegeben. Als Hadrian IV. im Jahr 1159 starb, musste ein Nachfolger gewählt werden. Die Wahl des neuen Papstes wurde durch den amtierenden Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1122 bis 1190) abgelehnt und ein Konflikt zwischen ihm und dem neuen Papst war quasi unumgänglich. In diesem kurz!-Artikel wird die Papstwahl sowie der Konflikt der mächtigsten Herrscher der Welt und der schließlich geschlossene 1177 Frieden 17 Jahre nach Ausbruch des Konfliktes betrachtet. Gerade der Friedensschluss von Venedig steht im Mittelpunkt dieses Artikels, da einerseits von mehreren Autoren über ihn berichtet wurde, andererseits das Treffen zwischen Papst und Kaiser als ritualisierte Handlungskette in den zeitgenössischen Quellen dargestellt wurde.

Papst Alexander (Mitte) mit Friedrich I. und seiner Frau (Zeichnung 14. Jahrhundert) / Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/64/TrioE.jpg



Alexander III. (~1105 bis 1181) wurde vermutlich als Rolando Bandinelli bei Viterbo in Italien geboren. Über seine Ausbildung ist, abgesehen vom Studium der Theologie in Bologna und der Mitgliedschaft im Domkapitel Pisas, nicht viel bekannt. Seine Karriere ist dagegen gut dokumentiert: 1150 von Papst Eugen III. zum Kardinaldiakon ernannt, wurde er ein Jahr später zum Kardinalpriester und anschließend Kanzler der Römischen Kirche. Als dieser übernahm er auch Tätigkeiten als Legat und traf in dieser Position zum ersten Mal auf Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1122 bis 1190). Und bereits bei diesem ersten Aufeinandertreffen sollte sich zeigen, dass der erste Eindruck meist ausschlaggebend für die weitere Beziehung ist. Als Legat überreichte Rolando im Namen Papst Hadrians IV. Friedrich I. einen Brief. Diesen Brief schrieb aber wohl nicht Papst Hadrian, sondern der zukünftige Papst Alexander selbst. Sowohl Inhalt als auch Form waren höchstbrisant: Mit der Anrede „Es grüßt Euch unser heiligster Vater, Papst Hadrian und die Gesamtheit der Kardinäle der Heiligen Römischen Kirche, jener als Euer Vater, diese als Eure Brüder“, wurde Barbarossa auf eine Stufe mit den Kardinälen und damit eine Stufe unter dem Papst verortet. Doch damit nicht genug: Die kaiserliche Würde wurde als beneficium betitelt. Beneficium kann übersetzt sowohl Wohltat, als auch Lehen übersetzt werden. Letztere Deutung hätte natürlich einen klaren Affront gegenüber Barbarossa und seinem Amt dargestellt. Das Kaiseramt als ein vom Papst verliehenes Lehen? Das konnten der Kaiser und seine Berater so nicht stehen lassen. Sie widersprachen dieser Darstellung sofort. Hätten sie dies nicht getan, hätten sie ihr zugestimmt und dem Papst die Stellung über dem Kaiser überlassen. Rolando antwortete kurz: A quo ergo habet, si a domno papa non habet imperium? („Von wem hat der Kaiser sein Amt inne, wenn nicht vom Papst?“) Der Grundstein für eine schwierige, konfliktgeladene und sich in ihren Vorstellungen und Positionen grundlegend widersprechende Beziehung war gelegt (mehr dazu: Friedrich und die Päpste III.).

Als Hadrian IV. im Jahr 1159 starb, wurde Alexander III. von der Mehrheit der Kardinäle gewählt. Der unterlegene Kandidat Friedrichs, Octaviano de’ Crescenzi Ottaviani de Monticelli, Papst Viktor IV. (1095 bis 1164), akzeptierte die Niederlage nicht, wurde kurz darauf von seinen Anhängern zum Papst ausgerufen und bekam im gleichen Jahr unter dem Schutz Friedrichs die päpstlichen Weihen verliehen (mehr zur Doppelwahl: Friedrich und die Päpste IV). Der vorläufige Höhepunkt wurde auf der Synode von Pavia erreicht, als sich Papst Alexander weigerte an diesem Konzil teilzunehmen. Über ihn wurde infolgedessen als Reichsfeind und Schismatiker der Bann verhängt und er wurde darüber hinaus von Viktor exkommuniziert; im Gegenzug wurde Barbarossa exkommuniziert. In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu schriftlichen Konfrontationen, die Mächtigen der verschiedenen Reiche schlossen sich entweder dem Kaiser und damit Viktor IV. oder aber Alexander III. an.

Bis zum Jahr 1165 hielt Alexander sich an unterschiedlichen Orten in Italien aif, vorwiegend aber im Ausland, weil er sich in seiner Heimat nicht sicher fühlte, bevor er dann im genannten Jahr in sein Heimatland zurückkehrte. Zu dieser Zeit herrschte Friedrich rigoros mit Gewalt und Unterdrückung in Oberitalien und versuchte, die Lombardische Liga, ein Städtebund, systematisch zu schwächen. Diese Politik führte dazu, dass er sich in Italien immer mehr Feinde machte. Genau diese Situation sollte Alexander für sich nutzen: Er verband sich mit Barbarossas vermeintlich größtem und mächtigstem Gegner Mailand und stellte zudem ein eigenes Söldnerheer auf, das schon bald auf das Heer des Kaisers treffen sollte. Was folgte war ein Zusammenspiel aus unglücklichen Faktoren für den Kaiser: Die Krankheit Ruhr brach aus und löschte eine große Zahl von Soldaten in seinem Heer aus. Zudem sorgte ein Dissens zwischen Friedrich und Heinrich dem Löwen (mehr zum Konflikt der Beiden: Der Sturz Heinrichs des Löwen) dafür, dass Letzterer kein Heer für die folgende Schlacht gegen die Lombarden bei Legnano am 29. Mai 1167 zur Verfügung stellte. Vor allem diese zwei Aspekte führten dazu, dass Kaiser Friedrich diese Schlacht verlor und Alexander triumphierte.

Dieser Triumph Alexanders führte zwar nicht zur Beendigung des Konflikts, aber zu einer Festigung seiner Position. Weitere zehn Jahre dauerte der Konflikt an, aber es standen sich nun ebenbürtige Gegner gegenüber. Diese zehn Jahre waren geprägt von zahlreichen kleineren Auseinandersetzungen. So stellte Friedrich Bedingungen dafür, dass er Alexander als Papst anerkennen würde, zog sein Angebot aber wieder zurück und erkannte stattdessen den neuen Gegenpapst Calixt III. (Gegenpapst von 1168 bis 1178) an. Kurz gesagt: Friedrich erkannte stets den Gegenpapst zu Alexander an. Diese Gegenpäpste verloren jedoch zusehends an Zustimmung und damit an Macht, sodass die Zeit der Gegenpäpste auch sehr bald zu einem Ende kam.
In den 1170er Jahren drängten Vertraute aus Friedrichs Umfeld darauf, sich mit Alexander zu versöhnen. Dabei spielten wie so oft sowohl der christliche Glaube als auch machtpolitische Gründe eine Rolle. Der Friede von Venedig aus dem Jahr 1177 wird (~1115 bis 1181) besonders von zwei Geschichtsschreibern dokumentiert: von Erzbischof Romuald von Salerno und von einem anonymen Engländer. Romuald war als Gesandter des Königs von Sizilien selbst an den Verhandlungen beteiligt. Auch der anonyme Engländer war Augenzeuge und berichtet völlig selbstständig von dem Ereignis:
“And he was led by seven archbishops and canons of the Church in solemn procession to the
papal throne. And when he reached it, he threw off the red cloak he was wearing and prostrated himself before the Pope, and kissed first his feet and then his knees. But the Pope rose, and taking the head of the Emperor in both his hands he embraced him and kissed him, and made him sit at his right hand, and at last spoke the words: “Son of the Church, be welcome.” Then he took him by the hand and led him into the Basilica. And the bells rang, and the “Te Deum Laudamus” was sung. When the ceremony was done, they both left the church together. The Pope mounted his horse, and the Emperor held his stirrup and then retired to the Doges’ Palace.”

Romuald berichtet weniger ausführlich, aber inhaltlich sehr ähnlich:
„Und als er sich dem Papst genähert hatte, nachdem er vom göttlichen Geist berührt worden war, Gott in Alexandria verehrt, die kaiserliche Würde zurückgestellt, das Pallium zurückgewiesen hatte, neigte er sich ganz zu den Füßen des Papstes, den Körper ausgestreckt.“

Die Unterwerfung Friedrichs auf einem Fresko im Palazzo Pubblico in Siena/ Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/0a/B_alexander_III2.jpg


Die Autoren sind sich einig: Das öffentlich Dargestellte lässt den Papst eindeutig als Sieger, als Überlegenen erscheinen. In der Wertung der Deutlichkeit und Ausprägung des Gezeigten unterscheiden sie sich jedoch. Romuald berichtet beispielsweise von einer Unterwerfung, der Engländer aber beschreibt die Unterwerfung samt Fußkuss und das anschließende Hochheben des Kaisers. Zusätzlich berichtet er vom geleisteten Stratordienst (Friedrich führte die Zügel von Alexanders Pferd über eine bestimmte Strecke). Diese symbolischen, rituellen Handlungen wurden von der Öffentlichkeit und von Friedrich selbst als Demütigung des Kaisers empfunden.
Betrachtet man die vorhergehende Geschichte der beiden Protagonisten, so ist klar, warum Friedrich sich unterwerfen musste: Er hatte die wichtige Schlacht in Legnano verloren, nach der Alexander seine Stellung in Italien konsolidieren konnte und zahlreiche neue Verbündete gewann. Gleichzeitig nahm durch den Willen und Widerstand Alexanders die Macht der Gegenpäpste stetig ab. Friedrich wurde durch den Machtverlust der Gegenpäpste und den gleichzeitigen Machtgewinn Alexanders immer abhängiger vom gewählten Papst. Die Bekenntnisformel zur Beendigung des Schismas unterstreicht noch einmal die Unterwerfung des Papstes:
„Auf dass alle es ganz deutlich erkennen, dass ich nicht nur dem Namen nach, sondern in der Tat ein Christ bin, schwöre ich ganz und gar dem Octavian, dem Bischof von Crema und dem Johannes von Struma ab und erkenne Alexander und seine Nachfolger als katholischen Papst an.“ (MG Constt. I, Nr. 262.)

Bis zu seinem Tod im Jahr 1190 sollte sich Friedrich an diese Formel halten. 


Zum Weiterlesen: 

Görich, Knut, Die Ehre Friedrich Barbarossas. Kommunikation, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Studien zur Geschichte, Literatur und Kunst), Darmstadt 2001.

Görich, Knut, Friedrich Barbarossa. Eine Biographie, München 2011.
 

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