Am 13. Dezember 1250 starb
Friedrich II. (1194-1250), letzter römisch-deutscher Kaiser aus dem
Adelsgeschlecht der Staufer, auf der Burg Castel Fiorentino bei Lucera in
Italien. Nach dem Tod des umstrittenen Herrschers, der von päpstlicher Seite
unter anderem als Ketzer und Antichrist geächtet worden war, während seine
Anhänger in ihm einen herausragenden Herrscher und den zu erwartenden Messias
gesehen hatten, gab es schon bald Gerüchte über eine mögliche Wiederkehr des
Staufers. Mehrere Personen, die behaupteten, Friedrich II. zu sein, traten vor
allem in den deutschsprachigen Gebieten in Erscheinung. Einer von ihnen war
Dietrich Holzschuh, auch bekannt als Tile Kolup. Unser neuer Artikel beschäftigt
sich mit der Geschichte des bekanntesten der „falschen Friedriche“ und versucht
zu erklären, warum so viele an dem Tod Friedrichs zweifelten und in ihm den
sogenannten Friedenskaiser zu erkennen glaubten.
Friedrich II. war der Enkelsohn von
Friedrich I. Barbarossa (um 1122-1190) und Sohn Kaiser Heinrichs VI.
(1165-1197) und dessen Frau Konstanze von Sizilien (1154-1198). Seit 1198 war
er König von Sizilien, seit 1212 römisch-deutscher König und schließlich von
1220 bis zu seinem Tod römisch-deutscher Kaiser. Die Jahre seiner Herrschaft,
die er hauptsächlich in Italien verbrachte, kennzeichnen verschiedene
Ereignisse: So beendete er 1215 den seit 1198 andauernden Thronstreit zwischen
Staufern und Welfen zu seinen Gunsten und es gelang ihm, sein Nord- und
Südreich miteinander zu vereinigen. Aus einer Vielzahl von Konflikten mit dem
Papsttum resultierte 1227 seine Exkommunikation durch Papst Gregor IX., welche
jedoch 1230 wieder aufgehoben wurde. Im Jahr 1239 spitzten sich die Konflikte
zwischen dem weltlichen und dem geistlichen Herrscher jedoch erneut zu und
Friedrich II. wurde 1245 unter Papst Innozenz IV. auf dem Konzil von Lyon als
Kaiser für abgesetzt erklärt und erneut exkommuniziert. Im römisch-deutschen
Reich wurden daraufhin Gegenkönige gewählt und Friedrich II. geriet mehr und
mehr in Bedrängnis.
Als Friedrich schließlich im
Dezember 1250 vermutlich an Typhus starb, folgten auf sein Ableben Berichte,
die seinen Tod als den eines Ketzers schilderten, der vergiftet worden war,
qualvoll verstarb und als gottloser Mensch einen stinkenden Leichnam
zurückließ. Im Februar 1251 wurde er in der Kathedrale von Palermo beigesetzt. Die
vor seinem Tod bereits weit verbreitete Endzeitstimmung im Angesicht der
politischen und religiösen Krisen der Zeit sollte auch nach dem Tod Friedrichs
zunächst weiterhin Bestand haben. Denn an seine Herrschaft schloss sich das
sogenannte Interregnum (Zwischenherrschaft) an, das erst 1273 mit der Wahl
Rudolfs von Habsburg (1218-1291) zum römisch-deutschem König enden sollte.
Während Friedrichs Herrschaft von
vielen seiner Zeitgenossen und vor allem von Vertretern des Papsttums äußerst
negativ bewertet wurde, setzte unmittelbar nach seinem Tod gleichzeitig eine
Form der Mythifizierung seiner Kaiserzeit ein. Der englische Chronist Matthäus
Paris bezeichnete Friedrich in seinem 1251 oder 1252 verfassten Nachruf gar als
principum mundi maximus, also als den Größten unter den Fürsten der Erde,
sowie als Staunen der Welt und deren wunderbaren Verwandler (stuporquoque
mundi et immutator mirabilis). Aus dieser Bewertung heraus gewannen die
bereits existierenden Friedenskaiser-Vorstellungen neues Gewicht und in
Friedrich II. wurde schon bald ein potentieller Kandidat für die Erfüllung
dieses Szenarios gesehen.
Bei dem sogenannten Friedenskaiser
handelte es sich um die vor allem im Mittelalter weit verbreitete Vorstellung
einer apokalyptischen Herrschergestalt, die messiasartig das Ende der Welt
vorbereiten werde. Spuren dieser Vermutung finden sich beispielsweise schon in
der aus dem 10. Jahrhundert stammenden Schrift De ortu et tempore
Antichristi des Theologen und Gelehrten Adso von Montier-en-Der. So
würde der Friedenskaiser zunächst dafür sorgen, dass die Herrschaft des
Heiligen Römischen Reiches über die ganze Welt ausgedehnt werde. In diesem
Prozess sollten alle Heiden zum Christentum bekehrt werden. Anschließend würde
er sich nach Jerusalem begeben, um dort die Insignien seiner Herrschaft am
Ölberg niederzulegen. Der Verzicht auf die Regierungsgewalt und das daraus resultierende
Ende des Heiligen Römischen Reiches würde die schreckensvolle Herrschaft des
Antichristen einläuten, bevor diese wiederum durch das Weltgericht Gottes
beendet würde. Der Inhalt dieser Sage war vielen bekannt, zeitlich und regional
wies sie jedoch einige Varianten auf. Außerdem konnte sie durchaus mit
verschiedenen Herrschern verknüpft werden. Auch in Karl dem Großen (747/48-814)
und seit dem 16. Jahrhundert vor allem in Friedrich I. Barbarossa wurde der
Friedenskaiser teilweise gesehen. Im süddeutschen Raum war der Glaube
verbreitet, dass der zu erwartende Friedenskaiser den Namen Friedrich tragen
werde. Der Name Friedrich bedeute schließlich schon der ‚Friedensreiche‘. Im
Spätmittelalter lässt sich ein weiterer Wandel in der Vorstellung vom Friedenskaiser
ausmachen. Nun sollte der Friedensbringer nicht mehr aus der Reihe verstorbener
Könige wiederkehren, sondern vielmehr aus dem Volk stammen.
Neuzeitliche
Darstellung von Dietrich Holzschuh, undatiert.
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/55/Tile_kolup-1-.gif
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Von dieser Auffassung profitierte zunächst
auch Dietrich Holzschuh. Weder sein Geburtsjahr, seine Herkunft noch Ereignisse
aus seinen frühen Lebensjahren sind bekannt. Erstmals trat er 1283 oder 1284 in
Köln in Erscheinung, wo er sich zunächst heimlich und dann in größerer
Öffentlichkeit als wiedergekehrter und in Wirklichkeit gar nicht verstorbener
Friedrich II. ausgab. In Köln glaubte man ihm jedoch nicht, vielmehr
verspottete ihn die Bevölkerung, nahm ihn gefangen, tauchte ihn in eine Kloake
und vertrieb ihn letztlich unter Jubel aus der Stadt. Der selbst ernannte rex
Fridericus zog daraufhin nach Neuss, wo er seine Rolle weiterspielte und
zunehmend professionalisierte. Beispielsweise erklärte er seine mehr als
dreißigjährige Abwesenheit – von 1250 dem vermeintlichen Todesjahr bis 1284 –
damit, dass er eine sehr lange Pilgerreise unternommen habe. Außerdem verfügte
er mittlerweile über ein gefälschtes Siegel, mit dem er im Namen Friedrichs
Urkunden ausstellte. Auch Privilegien vergab er. Bis heute ist unklar, wie er
seinen Lebenswandel in Neuss finanzierte, aber es gelang ihm, eine Art von
eigener Hofhaltung aufzubauen. Hohe Adelige, Bischöfe und Fürsten besuchten ihn
in regelmäßigen Abständen und es kann vermutet werden, dass diese zumindest
nicht ausschlossen, dass Dietrich Holzschuh tatsächlich der wiedergekehrte
Friedrich II. sein könnte. Vielleicht wollten sie es aber im Angesicht der
Politik des rechtmäßigen Königs Rudolf von Habsburg auch gerne glauben, da
seine Politik zunächst auf wenig positive Resonanz stieß und Rudolf vor allem
von den Städten hohe Steuersummen forderte. Dietrich Holzschuhs Hochstapelei
funktionierte unter diesen Umständen über ein Jahr. Als jedoch Rudolf von Habsburg
Neuss belagerte und die politischen Unruhen dort zunahmen, floh Holzschuh im
Sommer 1285 nach Wetzlar. Der Flucht vorausgegangen war zudem die Forderung
Rudolfs, den Hochstapler auszuliefern. In Wetzlar wollten sich die dortigen
Einwohner jedoch nicht schützend vor Holzschuh stellen, weshalb sie ihn
schließlich an den König und den Erzbischof von Köln, dem Neuss unterstand,
auslieferten. Rudolf ließ Holzschuh am 07. Juli 1285 in Wetzlar als Ketzer und
Hochstapler verbrennen.
Zwar handelt es sich bei Dietrich
Holzschuh um den bekanntesten der falschen Friedriche, der einzige war er aber
in einer Zeit vieler Krisen bei weitem nicht. Bereits 1257 wurden in Italien
Wetten abgeschlossen, dass Friedrich II. gar nicht tot sei. 1261 gab sich ein
Mann in Sizilien als der verstorbene Kaiser aus und wurde dafür gehängt.
Gleichzeitig zu Holzschuh behauptete ein Mann namens Heinrich im Elsass
ebenfalls der lang erwartete Friedenskaiser zu sein. In der Bevölkerung lebte
der Glauben an den Friedenskaiser und die Aussicht auf Rettung lange weiter. Noch
1546 gab ein Mann in Thüringen am Kyffhäuserberg vor, der letzte Staufer zu
sein. Danach enden die Berichte, wodurch auch die Erinnerung an Friedrich II.
nachließ.
Zum Weiterlesen:
Houben, Hubert: Kaiser Friedrich II. (1194-1250).
Herrscher, Mensch, Mythos, Stuttgart u. a. 2008.
Möhring, Hannes: Der Weltkaiser der Endzeit.
Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung, Stuttgart
2000.
Thomsen, Marcus: „Ein feuriger Herr
des Anfangs …“. Kaiser Friedrich II. in der Auffassung der Nachwelt, Stuttgart
2005.
Über die Geschichte der falschen Friedriche und den Friedenskaiser hat Zeitsprung FM auch eine sehr hörenswerte Podcast-Episode gemacht. Ich verlinke die einfach mal :)
AntwortenLöschenhttps://www.zeitsprung.fm/podcast/zs148/