Sonntag, 28. Oktober 2018

Brun – Erzbischof von Köln und Herzog Lothringens

Heinrich (876 bis 936), Herzog Sachsens und als erster Sachse späterer König des ostfränkischen Reiches, zeugte neben Thankmar, Sohn aus seiner ersten Ehe mit Hatheburg, drei weitere Söhne mit Mathilde: Otto, Heinrich und Brun. Für den wahrscheinlichen Fall von Auseinandersetzungen zwischen den vier Söhnen nach dem Ableben des Vaters, sorgte dieser im Jahr 929 mit einer Nachfolgeregelung („Hausordnung von 929“) vor (genauer nachzulesen   hier). Sein erstgeborener Sohn aus zweiter Ehe, Otto, sollte ihm als König nachfolgen. Trotz dieser eindeutigen Nachfolgeregelung kam es anfänglich zu Konflikten zwischen einzelnen Brüdern, die Herrschaft Ottos konnte aber dennoch stabilisiert und ausgebaut werden. In diesem kurz!-Artikel das außergewöhnliche Leben des drittgeborenes Sohnes Brun (Mai 925 bis 11. Oktober 965)  aus zweiter Ehe betrachtet werden, denn dieser Brun sollte nicht nur geistlicher, sondern gleichzeitig auch weltlicher Herrscher werden. Wie er diesen Spagat meisterte und zu einem hochangesehenen Mann sowie Unterstützer seines Bruders Otto wurde, wird in diesem Artikel thematisiert.

Darstellung Bruns in St. Andreas (Köln) / Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/51/K%C3%B6ln-St-Andreas-Erzbischof-Brun-105.JPG



Als Brun im Jahre 925 als dritter und damit auch jüngster Sohn des amtierenden ostfränkischen Königs Heinrich I. geboren wurde, war seine Karriere durch die Wünsche und Planungen seiner Eltern bereits vorherbestimmt. Da der erstgeborene Sohn Otto als königlicher Nachfolger und Heinrichs Laufbahn als weltlicher Herrscher vorherbestimmt war, sollte Brun eine hohe geistliche Position einnehmen. Aus diesem Grund wurde er bereits im Alter von vier Jahren in das lothringische Bistum Utrecht geschickt, wo er die Erziehung und Ausbildung unter Balderich von Utrecht (897-975) genoss. Balderich selbst entstammte einer adligen Familie, war aber nie als Nachfolger seines Vaters, dem Grafen von Hennegau, vorgesehen. Dessen Familienverbindungen und seine Persönlichkeit sorgten dafür, dass er nicht nur in Lothringen, sondern im ganzen Reich hervorragende Beziehungen zu den Großen pflegte. Besonders seine Persönlichkeit sorgte dafür, dass Heinrich I. ihn als Ausbilder seines Sohnes auserwählte. Fast zehn Jahre verbrachte Brun in Utrecht. In dieser Zeit wurde der Grundstein für sein weiteres Leben gelegt: Er nahm nicht nur wichtige Ämter ein, sondern galt später als einer der gebildetsten Männer des Reiches. Im Jahr 939 wurde er schließlich auf Wunsch seines Bruders Otto, der seinem Vater im gleichen Jahr als König nachfolgte, an den königlichen Hof gerufen, um mit den Geschäften des königlichen Hofes vertraut gemacht zu werden. Mit nur 15 Jahren wurde er ein Jahr später bereits zum Kanzler seines Bruders.

Die Zeit bei Balderich in Utrecht stellte die vielleicht prägendste für den jungen Kanzler dar. Doch mehr als die Unterbringung bei einem hochgebildeten und angesehenen Bischof, war die Ausbildung in Utrecht politisches Kalkül des Königs. Utrecht war Teil des Herzogtums Lothringens, das in der Mitte des 9. Jahrhunderts im Zuge der Reichsteilung und der anschließenden Konflikte zwischen den Söhnen Kaiser Ludwigs des Frommen Lotharii Regnum (Reich Lothars) hieß und anschließend in ein Herzogtum gewandelt wurde. Die Geschichte des Herzogtums kennzeichnete ein ständiger Wechsel zwischen der Zugehörigkeit zum West- oder zum Ostfrankenreich bzw. seiner Eigenständigkeit. Lothringen war gerade Ende des 9. sowie im 10. Jahrhundert sowohl ein innen- als auch außenpolitisches Spannungsgebiet. Die lothringischen Großen widersetzten sich Heinrich I. für mehr als ein Jahrzehnt und kämpften gegen eine Eingliederung in das Ostfrankenreich an. Heinrich versuchte nicht nur militärisch dauerhaft an Einfluss zu gewinnen. 926, zwei Jahre nach dem militärischen Sieg über Lothringen, wurde Heinrichs Tochter Gerberga (913 bis 969) mit Giselbert, dem Herzog Lothringens und Vetter Balderichs, verheiratet und ein weiteres Jahr später Brun nach Utrecht geschickt. Der Ausbau der Beziehungen war ein wesentlicher Teil von Heinrichs machtpolitischer Strategie, das Herzogtum langfristig an sich und seine Königsherrschaft zu binden.

Herzogtum Lothringen nach dem Jahr 959 / Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/e/e4/Lotharingen-959_de.svg/585px-Lotharingen-959_de.svg.png

Bruns Aufstieg sollte mit der Erhebung zum Kanzler noch lange nicht beendet sein. 951 wurde er während des Italienzuges seines Bruders, den er begleitete, zum Erzkaplan (Haupt der königlichen Kapelle) erhoben und zwei Jahre später sogar auf Betreiben Ottos zum Erzbischof von Köln, ebenfalls im Herzogtum Lothringen gelegen, gewählt. Die Erhebung zum Erzkaplan war zu diesem Zeitpunkt eine Besonderheit, denn eine solche war bisher nur Inhabern von Bischofssitzen vorbethalten gewesen. Als starke und anerkannte Persönlichkeit, die politische Erfahrung besaß und aufgrund dieser Persönlichkeit Autorität ausstrahlte, war das Amt des Erzbischofs von Köln ideal für die weitere Karriere Bruns. Die Zugehörigkeit Lothringens zum Ostfrankenreich sollte dadurch weiter stabilisiert sowie die Beziehungen gefestigt und ausgebaut werden, damit ein dauerhafter Frieden gesichert werden konnte. Denn das rebellische Verhalten von Ottos Schwiegersohn, Konrad dem Roten, seit 944 Herzog von Lothringen, erforderte eine weiterreichende Maßnahme: Konrad wurde entmachtet und das vakante Amt des Herzogs erhielt Brun. Brun, der seine Anhänger und Vertrauten in Lothringen um sich scharte, zog gegen Konrad in den Krieg und konnte ihn schließlich besiegen. Während seiner Amtszeit war es Bruns Verdienst, dieses Herzogtum dauerhaft zu befrieden und es zugunsten des Königreichs seines Bruders zu festigen.

Als Erzbischof von Köln setzte sich Brun nicht nur für politische Sachverhalte ein. Die Bischofsstadt Köln sollte nach seinen Vorstellungen erneuert und vergrößert werden. Sein Ziel war es, eine civitas sancta, quasi ein zweites Jerusalem, zu erschaffen. Dafür sammelte und stiftete er in seiner Amtszeit zahlreiche Reliquien-Schätze, wie beispielsweise die Pantaleon-Reliquien. Darüber hinaus leitete er eine Bildungsoffensive ein, die den kulturellen sowie kirchen- und bildungspolitischen Rahmen umfassen sollte. An der Kölner Domschule schuf Brun die Möglichkeit, ein studium zu absolvieren. Zudem wurde die Dom-Bibliothek nach seinen Vorstellungen ausgebaut. Darüber hinaus gründete er das Kloster St. Pantaleon im Jahr 955/57, das später auch zu seiner Grablege wurde. Dieses Kloster war eine Herzensangelegenheit für ihn. So war er bei der Gestaltung und Ausstattung federführend, gründete daneben noch ein Spital und hinterließ diesem Kloster nach seinem Tod zahlreiche Sachgaben und viel Geld, das dazu dienen sollte, die Räumlichkeiten und Gebäude weiter auszubauen.

St. Pantaleon in Köln / Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e1/K%C3%B6ln_st_pantaleon.jpg
In der Doppelfunktion als Herzog Lothringens und Erzbischof von Köln hatte Brun eine außergewöhnliche und bis dato beispielslose Stellung inne, die ihn nun nach seinem Bruder Otto zum mächtigsten Mann im Reich machte. Die Kombination aus Herzog und Erzbischof hatte es bis dato nicht gegeben. Brun wurde daraufhin als archidux, also Erzherzog, betitelt. Diese Bezeichnung stammt von Ruotger, dem Biographen Bruns und impliziert eine Höherstellung gegenüber den anderen Herzögen des Reiches. Die Wertschätzung gegenüber seiner Person kannte von vielen Großen des Reiches und allem voran von seinem Bruder kaum Grenzen.
Diese Wertschätzung drückte sich auch in seiner Funktion als Vormund seiner Neffen Lothar, Hugo Capet und Otto II. aus. Lothar war der Sohn von Gerberga, die nach dem Tod Giselberts im Jahr 936 im Alter von 26 Jahren Ludwig IV. von Frankreich (920 bis 954) geheiratet hatte. Nach dem Tod Ludwigs zeichnete sich Gerberga als Regentin aus, da Lothar mit 13 Jahren noch nicht regierungsfähig war. Nur zwei Jahre später übernahm Brun aus ähnlichen Gründen für eine kürzere Zeitspanne die Vormundschaft für Hugo Capet, den Sohn von Bruns Schwester Hadwig und Hugo dem Großen, Herzog von Franken. Mit dieser doppelten Vormundschaft sollte ein schwelender Konflikt frühzeitig befriedet werden: Beide Minderjährige beanspruchten den Thron des Westfrankenreichs für sich – und beide wurden auch früher oder später König. Lothar war König des Westfrankenreiches von 954 bis 986; Hugo nach dem kinderlosen Ableben von Lothars Sohn, Ludwig V., von 987 bis 996. Dennoch ist es unter anderem Bruns Vermittlung zwischen seinen Neffen zu verdanken, dass dieser schwelende Konflikt nie wirklich eskalierte. Zusätzlich übernahm Brun, während sein Bruder zur Kaiserkrönung in Italien verweilte, nicht nur die Vormundschaft für dessen Sohn Otto, sondern ihm wurde gemeinsam mit Wilhelm, dem Erzbischof von Mainz, die Regentschaft des Kaiserreiches aufgetragen. Noch bevor Otto 965 aus Italien zurückkehrte, verstarb Brun am11. Oktober 965 in Reims.
Die Summe dieser verantwortungsvollen und signifikanten Aufgaben und das in Brun gesetzte Vertrauen, unterstreichen seinen Stellenwert nicht nur für das Ost-, sondern auch für das Westfrankenreich.

Die Entscheidung Ottos I., seinem Bruder Brun gleichzeitig ein geistliches sowie ein weltliches Amt zu übertragen, war bis dato beispielslos. Aufgrund der hervorragenden Ausbildung Bruns sowie seinen guten Beziehungen zu den Großen Lothringens, war er für beide Ämter prädestiniert. Sowohl die Unterstützung bei der Wahl zum Erzbischof als auch die Ernennung zum Herzog waren seitens König Otto I. natürlich auch politisches Kalkül, um das Herzogtum weiter zu stabilisieren und die Eingliederung in das Reich weiterzuführen. Während seines Leben galt Brun als äußerst frommer und seinen Vertrauten gegenüber sehr loyaler Mann. Gerade die Beziehung der beiden Brüder, Otto und Brun, war eng und von gegenseitigem Vertrauen geprägt. Ein gewisses Streben nach Macht kann einem Mann, der eine Doppelstellung als weltlicher und geistlicher Herrscher einnahm, nicht abgesprochen werden.


Zum Weiterlesen:
Gerd Althoff, Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat, Stuttgart ³2012.
Matthias Becher, Otto der Große, München 2012.
Barbara Pätzold: Brun, Erzbischof von Köln (953-965), in: Eberhard Holtz und Wolfgang Huschner (Hgg.): Deutsche Fürsten des Mittelalters. Fünfundzwanzig Lebensbilder, Leipzig 1995, S. 61-76.

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