Portrait von Hans Holbein the Younger, 1542, https://commons.wikimedia.org/wiki/Henry_VIII_of_England?uselang=de#/media/File:Hans_Holbein_d._J._048.jpg |
Dieses Bild zeigt den schon fast legendären englischen König Heinrich VIII. (1491-1547) im Jahr 1542. Bekannt wurde er unter anderem dafür, dass er die Reformation in England entscheidend vorantrieb, aber auch für seine insgesamt sechs Ehen, von denen zwei mit der Enthauptung seiner Gattinnen endeten. Während meistens Heinrich selbst im Fokus der Aufmerksamkeit steht, werden wir uns in unserer kurz!-Reihe mit seinen Ehefrauen beschäftigen. Im letzten Teil der Reihe soll es nun also um seine sechste und letzte Ehefrau Catherine Parr (1512-1548) gehen.
Catherine Parr entstammte einer alten, nordenglischen Adelsfamilie, der durch königliche Gunst unter Edward IV. (1442-1483) und geschickte Heiratspolitik während der Rosenkriege (1455-1485) der Aufstieg gelungen war. Sie wurde 1512 als erstes Kind von Thomas und Maud Parr (geb. Green) geboren und keine Geringere als die englische Königin, Katharina von Aragon, war ihre Taufpatin. Nach dem frühen Tod ihres Vaters im Jahre 1517 wurde Catherine überwiegend von ihrer erst 22-jährigen Mutter erzogen, die nie wieder heiratete, sondern stattdessen der Königin als Hofdame diente, nebenbei für die Familie sorgte und das Vermögen, das ihr verstorbener Mann hinerlassen hatte, verwaltete. Neben Französisch und Latein erlernte die junge Catherine auch die höfische Etikette und gutes Benehmen, zudem konnte sie singen und Klavier spielen. Generell kann man wohl sagen, dass sie in einem sicheren und liebevollen Umfeld aufwuchs, doch hatte ihre Kindheit, wie damals üblich, ein frühes Ende als im Jahre 1523 erstmals über eine mögliche Ehe für das gerade elfjährige Mädchen verhandelt wurde. Da man sich jedoch nicht über die Höhe der Mitgift und weitere Details der Eheschließung einig war, wurden die Verhandlungen abgebrochen. 1529, im Alter von 17 Jahren, heiratete Catherine Parr Sir Edward Burgh, den Erben einer Adelsfamilie aus Lincolnshire, in dessen Familiengeschichte neben einigen große Namen aber auch einen Hang vor allem zu schlechter geistiger Gesundheit auszumachen war. Edward selbst war stets kränklich und starb nach nur vier Ehejahren im Jahre 1533.
Innerhalb weniger Monate heiratete Catherine erneut und zwar John Neville, Lord Latimer, einen Witwer, der bereits zwei Kinder aus seiner ersten Ehe hatte und 20 Jahre älter war als seine junge Braut. Nun war sie Herrin eines großen Haushaltes, der die eine Hälfte des Jahres im Landsitz der Familie in Yorkshire verbrachte, die andere in einem Londoner Stadthaus. Zudem hatte sie sich nun um ihre zwei Stiefkinder, den 13-jährigen John und die deutlich jüngere Margaret, zu kümmern. Vor allem zu letzterer hegte sie ein warmes und herzliches Verhältnis. Als sich im Herbst 1536 im Norden Englands eine Rebellion der Katholiken gegen den von Heinrich VIII. neu eingeführten Protestantismus und die Bastardisierung seiner und Katharina von Aragons Tochter Maria erhob, die sogenannte Pilgrimage of Grace, war Catherines Mann einer der ersten, der sich ihr anschloss. Ob er dies aus freien Stücken tat oder vielmehr dazu gedrängt wurde, war sowohl unter Zeitgenossen, als auch unter heutigen HistorikerInnen umstritten. Es gibt jedoch keinen Hinweis darauf, dass Catherine sich in irgendeiner Weise an den rebellischen Tätigkeiten ihres Mannes beteiligte. Vielmehr gibt es Hinweise darauf, dass Catherine selbst bereits zu dieser Zeit mit den protestantischen Ideen sympathisierte, was zu einem späteren Zeitpunkt in ihrem Leben noch deutlicher werden sollte. Im Juni 1537 wurde ihr Mann Lord Latimer schließlich festgenommen und in den Tower von London gebracht. Eine drohende Hinrichtung konnte einerseits durch Bestechung, andererseits aber auch durch das wachsende Gewicht der Familie seiner Frau, die von den Aufständen im Norden profitiert hatte abgewendet werden.
Während sowohl ihr Bruder als auch ihre Schwester nun immer weiter aufstiegen, rückte Catherine, deren Mann nach wie vor in Ungnade war, in den Hintergrund der Geschichte und es ist wenig darüber bekannt, wie sie die kommenden Jahre verbrachte. Im März 1543 verstarb ihr zweiter Ehemann und hinterließ ihr neben zwei Häusern auch genügend Geld, um sich selbst und die Kinder für vier Jahre zu versorgen.
Nach Lord Latimers Tod zeigte Catherine zunächst romantisches Interesse an Sir Thomas Seymour, dem jüngeren Bruder der dritten Ehefrau Heinrichs VIII. Jane Seymour. Woher die beiden sich kannten, ist unklar, doch beruhte die Zuneigung wohl auf Gegenseitigkeit. Es sollte jedoch nicht zu einer Heirat der beiden kommen. Stattdessen hielt Heinrich VIII. selbst im späten Frühjahr des Jahres 1543 um Catherines Hand an. Wie er auf sie aufmerksam wurde, kann heute nur noch schwer nachvollzogen werden. Vielleicht hatten ihr Bruder oder ihre Schwester, die Hofdame Annas von Kleve gewesen war, die beiden einander vorgestellt, vielleicht waren sie sich aber auch begegnet, als Catherine sich im Namen ihres in Ungnade gefallenen Ehemannes an den König gewandt hatte. Catherine schien das Angebot des Königs jedenfalls eher ungelegen zu kommen, schwebte ihr doch eine Ehe mit Seymour vor. Zudem muss sie sich den Gefahren und Schwierigkeiten eines Lebens als Königin an Heinrichs VIII. Seite bewusst gewesen sein. Dennoch war ein Ausschlagen des Angebotes keine Option, da sie als Untertanin dem Wunsch des Königs Folge zu leisten hatte. Am 12. Juli 1543 fand schließlich die Hochzeit Heinrichs VIII. mit Catherine Parr im Hampton Court Palast statt. Noch am selben Tag wurde sie außerdem zur Königin ausgerufen, richtige Krönungsfeierlichkeiten wie bei einigen ihrer Vorgängerinnen fanden allerdings nicht statt. Nach der Hochzeit folgte eine beinahe sechs Monate dauernde Hochzeitsreise durch ganz England und das Paar kehrte erst Ende des Jahres zu Weihnachten nach Hampton Court zurück. Ähnlich wie bereits Catherine Howard vor ihr unternahm auch Catherine Parr den Versuch, den Familienfrieden wiederherzustellen. So waren sowohl Heinrichs Ex-Frau Anna von Kleve als auch seine beiden Töchter, Maria und Elisabeth, bei der Hochzeit anwesend. Vor allem das Verhältnis zwischen Maria und Catherine, die beinahe gleich alt waren, blühte regelrecht auf, wozu sicher auch die Tatsache beitrug, dass Marias Mutter deren Taufpatin gewesen war. Doch auch zu Elisabeth schien sie ein gutes Verhältnis aufzubauen, was später noch deutlicher werden würde.
Catherine zeichnete sich durch ein besonders großes Familienbewusstsein aus und trat dafür ein, dass sowohl ihrem Bruder als auch ihrem Onkel schon bald nach der Hochzeit einträgliche Titel verliehen wurden. Zudem verwendete sie auch als Königin noch die Initialen ihres Mädchennamens in ihrer Unterschrift: Catherine The Queen: KP.
Um den Jahreswechsel 1543/44 entdeckte Heinrich VIII. seine Liebe zur Kriegsführung neu. Gemeinsam mit Karl V. (1500-1558) plante er die Invasion Frankreichs und Schottlands. Diese Allianz mit dem Römisch-Deutschen Kaiser war nicht ganz unumstritten im reformierten England, war dieser doch überzeugter Katholik. Catherine jedoch zeigte kein Zeichen von Zweifel an diesem Bündnis und setzte alles daran, die Gesandten vom Kontinent für die Sache ihres Mannes zu gewinnen. Währenddessen gingen die Kriegsvorbereitungen weiter. Heinrich VIII. machte seine Frau, Königin Catherine, zu seiner Regentin, womit einem Aufbruch nach Frankreich nichts mehr im Wege stand. Dies zeigt, in welchem Maße der König seiner Gattin vertraute und wie hoch er ihre Fähigkeiten einschätzte, hatte er doch keiner seiner früheren Frauen, abgesehen von Katharina von Aragon, so viel Regierungsverantwortung übertragen.
Am 11. Juli brach Heinrich schließlich nach Frankreich auf. Als Regentin war Catherine nun verantwortlich für innenpolitische Angelegenheiten, aber auch für die Versorgung der Truppen. Gleichzeitig musste sie zudem die Lage in Schottland im Auge behalten, um ihrem Gatten den Rücken freizuhalten. Gemeinsam mit Heinrichs ältester Tochter Maria reiste sie am 21. Juli nach Hampton Court, wo sich Heinrichs Sohn Edward mit dessen Haushalt aufhielt. Bald stieß auch Elisabeth zum Rest der Familie. Über deren Aufenthalt in Hampton Court unter der Regentschaft Catherines schreibt der Historiker David Starkey:
“Her young step-daughter [Elisabeth] remained with her for most of the summer and autumn and the effect was profound. Elizabeth imbibed the religious life of Catherine’s Household. She witnessed Catherine’s masterful conduct of business and the effortless ease with which she, a mere woman, imposed her authority in and on a masculine world. She established relationships among the Queen’s servants, men and women, and, in the fullness of time, would recruit many of them into her own Household. In short, if Catherine had a legacy, it was Elizabeth.” (Six Wives, S. 743)
Catherine nutzte die Abwesenheit ihres Mannes außerdem, um ihren Haushalt umzustellen und alte Bedienstete und Hofdamen durch neue zu ersetzen. In einem Brief informierte sie Heinrich VIII. darüber. Dieser machte zwar deutlich, dass er die Neubesetzungen für unpassend hielt, Catherine aber gewähren ließ. Zwar ist nicht mehr eindeutig auszumachen, um welche Personen es sich handelte, die Heinrichs Unmut erregt hatten, doch ist bemerkenswert, dass er Catherine ihren Willen ließ. Als eindeutige Linie der Neubesetzungen lässt sich jedoch erkennen, dass sie alle die religiösen Ansichten der Königin teilten. Während der König die Rolle der Hofdamen so verstand, dass sie seiner Gattin die Zeit vertreiben sollten, betrachtete Catherine sie vielmehr als Vertreterinnen des religiösen Wandels der sich in England vollzog.
Ende September musste Heinrich sich aus Frankreich zurückziehen und landete in Dover von wo aus er weiterreiste, um schließlich in Otford mit seiner Frau zusammenzutreffen. Damit war Catherines Regentschaft vorbei. Gemeinsam reisten Heinrich VIII. und die Königin nach Greenwich, wo sie auch die Weihnachtsfeiertage 1544 verbrachten. Vor allem das Weihnachtsgeschenk, das die gerade elfjährige Elisabeth ihrer Stiefmutter machte, ist bemerkenswert: Anstelle von teuren Schmuckstücken, die für gewöhnlich innerhalb der Königsfamilie verschenkt wurden, hatte sie für Catherine ein Buch mit religiösen Gedichten von deren Lieblingsdichterin Marguerite of Angouleme selbst aus dem Französischen übersetzt. Denkbar ist, dass Catherine selbst ihre Stieftochter mit den Werken der Dichterin bekannt gemacht hatte, als sie den Sommer gemeinsam verbracht hatten. Zusammen mit dem Buch gab Elisabeth Catherine einen Brief der die Bitte um Korrekturen und Ausbesserungen der Übersetzung enthielt, aber auch darum, das Werk nicht weiterzureichen, bis es korrigiert sei. Dies wirft ein Licht darauf, dass Catherine offenbar religiöse Literatur überarbeitete und auch unter Gleichgesinnten weiterverbreitete.
Im Juni 1545 trat die Königin selbst als Autorin in Erscheinung, als ihre Prayers Stirring the Mind unto Heavenly Meditations mit großem Erfolg veröffentlicht wurden. Auch unterstützte sie die Übersetzung und Herausgabe religiöser und reformerischer Werke ins Englische finanziell. Heinrich blickte keinesfalls wohlwollend auf die intellektuellen Aktivitäten seiner Frau. Dies wurde deutlich, als seine Tochter Elisabeth sich erneut als Übersetzerin versuchte. Diesmal wählte sie jedoch mit den Prayers and Meditations ein Werk ihrer Stiefmutter, das in Englisch geschrieben war, und übertrug es neben dem Französischen und Italienischen auch ins Lateinische. Damit sah Heinrich, der landessprachliche Gebete als weibliche, theologische Diskurse auf Latein aber als männliche Domäne betrachtete, eine rote Linie überschritten. Nicht nur schien seine Frau diese immer öfter zu überschreiten, nein, sie hatte auch seine eigene Tochter dazu ermutigt, es ihr gleichzutun. Catherine, die sich nicht scheute, sich in gelehrte und politische Diskurse über den neu entstandenen Protestantismus einzumischen, schien zunehmend das Wohlwollen des Königs zu verlieren, der diesen Ideen, obwohl Begründer der anglikanischen Kirche, misstrauisch gegenüberstand. Spätestens im Frühjahr 1545 war Heinrich zunehmend verärgert über die Diskussionslust seiner Gattin, die immer häufiger versuchte, ihn in theologische Dispute zu verwickeln. Schließlich gab er seinen engsten Beratern seine Zustimmung, gegen seine eigene Frau vorzugehen. Als Catherine von der Untersuchung gegen sie und einem bevorstehenden Haftbefehl erfuhr, suchte sie umgehend das Gespräch mit ihrem Mann. Als dieser absichtlich versuchte, auf das Thema Religion zu sprechen zu kommen, erwies sie sich als klug genug, nicht darauf einzugehen, sondern sich ihm zu unterwerfen, ihre weibliche Schwäche und die von Gott gegebene männliche Überlegenheit einzugestehen. Es gelang ihr, den Eindruck zu erwecken, dass sie lediglich den religiösen Disput mit ihrem Mann gesucht habe, um von dessen Bildung zu profitieren und von ihm zu lernen. Dies besänftigte Heinrich und er hob den Haftbefehl am nächsten Tag auf.
Da sich der Gesundheitszustand Heinrichs zunehmend verschlechterte, machte dieser sich daran, sein Testament neu aufzusetzen. Catherine wurde darin zwar mit Reichtümern bedacht, aber von jeder Form der Regierungsteilhabe nach seinem Tod ausgeschlossen. Am 28. Januar 1547 starb der König schließlich. Catherine war nicht anwesend und nahm auch nicht an seiner Beerdigung teil. Zwar hatte sie mit dem Tod ihres dritten Ehemannes jegliche politische Macht verloren, doch hatte sie nun, mit Mitte 30, erstmals die Aussicht auf persönliches Glück: Unangemessen schnell verlobte sie sich mit Thomas Seymour und auch die Heirat der beiden folgte bald. Dies sorgte für einen Skandal bei Hofe und das Paar fiel in Ungnade. Dennoch lud Catherine ihre Stieftochter Elisabeth zu sich ein. Auch eine Schwangerschaft Catherines ließ nicht lange auf sich warten. Doch was hier als Beginn späten persönlichen Glücks für die Königinwitwe erscheint, währte nicht lange. Ihr Mann Thomas Seymour begann wohl aus machtpolitischen Erwägungen heraus offenes Interesse an der erst 15-jährigen Elisabeth zu zeigen. Catherine brachte schließlich im August 1548 mit 35 Jahren ihre erste Tochter, Mary Seymour, zur Welt und starb wenige Tage später, am 7. September 1548 im Kindbett.
Abschließend betrachtet hatte sich Catherine Parr Zeit ihres Lebens als familienbewusster Mensch gezeigt, der, wie es damals von einer Frau ihres Standes erwartet wurde, persönliches Glück hinter die machtpolitischen Interessen der eigenen Familie stellte. Wenn auch wenig über ihr Leben vor ihrer Heirat mit König Heinrich VIII. bekannt ist, so muss sie doch über eine exzellente Bildung und ein reges Interesse vor allem an religiösen Themen verfügt haben, was sich an ihrer eigenen Autorschaft aber auch an ihrem Drang zum theologischen Diskurs zeigte, der sie beinahe ihre Freiheit und ihr Leben gekostet hätte. Als ihr wichtigstes Erbe ist wohl ihr nicht zu unterschätzender Einfluss auf ihre jüngere Stieftochter Elisabeth zu sehen, die im Jahre 1558 den englischen Thron besteigen und die Geschichte des Landes und Europas maßgeblich beeinflussen sollte.
Zum Weiterlesen:
Starkey, David: Six Wives. The Queens of Henry VIII., London 2003.
Interessanter Beitrag. War bestimmt sehr viel Arbeit. Danke daher für die Veröffentlichung. :-)
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