Sonntag, 23. Juni 2019

Alfred der Große gegen die Wikinger – Oder: Wie Alfred den Kuchen verbrennen ließ

Eduard der Ältere, Edmund der Friedfertige, Eduard der Bekenner, Wilhelm der Eroberer, Ludwig der Löwe: Die Reihe englischer Herrscher mit markanten Beinamen ließe sich noch um einige weitere ergänzen. Doch nur ein einziger Herrscher der britischen Inseln erhielt in all den Jahrhunderten von seinem Volk den Beinamen ‚der Große‘: Alfred (848-899). Verehrt für die Vereinigung der angelsächsischen Königreiche und für seinen beinahe aussichtslosen Kampf gegen die invadierenden Wikinger, bekannt für seinen Reformdrang und die Förderung der altenglischen Sprache und Schrift. Alfred verdiente sich diesen Beinamen also nicht nur aufgrund seiner Körpergröße und Statur. Schon den Kindern wird die Legende und das Leben Alfreds erzählt, gilt er doch als derjenige, der dem heutigen England seine Grundstruktur erkämpft und gegeben hat. Einen großen Anteil an seinem Status hat vor allem auch die Legende um die ‚burned cakes‘, bei  der  noch heute die Mehrheit der Engländer hellhörig wird. Dieser kurz!-Artikel befasst sich mit der Geschichte Alfreds, insbesondere dem Beginn seiner Herrschaft, und der Signifikanz der ‚burned cakes‘ für seinen Status als ‚der Große‘.

Alfred der Große in einer mittelalterlichen Handschrift / Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/6d/Alfred_-_MS_Royal_14_B_VI.jpg

Alfred wurde als Sohn des 858 verstorbenen Westsachsenkönigs Æthelwulf und dessen Frau Osburga 848 in Wantage, Oxfordshire, geboren. Als jüngster von fünf Söhnen war er für die Rolle als Nachfolger seines Vaters nicht vorgesehen, obwohl die Forschung seit dem späten 19. Jahrhundert eine frühe Romreise Alfreds lange Zeit fälschlicherweise als dessen vorweggenommene Krönung gedeutet hatte. Dagegen spricht einerseits seine Position als jüngster Sohn, andererseits aber vor allem auch die fehlende Nennung in Dokumenten, Annalen und Chroniken. Erst als der viertjüngste Bruder Æthelred I. den Thron von Wessex und Kent im Jahr 865 bestieg, tauchte auch Alfreds Name auf, der infolgedessen eine politische Rolle als secundarius, also als ein Herrscher zweiten Ranges, einnahm. Seine älteren Brüder, von denen Æthelbald und Æthelberth jeweils Vorgänger Æthelreds waren, lebten zum Zeitpunkt der Thronbesteigung des letztgenannten bereits nicht mehr. Im ersten Jahr seiner Amtszeit begann die Invasion der Wikinger, die in den nächsten Jahren in England sesshaft wurden und ihren Machtbereich stetig ausbauten, bis nur noch Wessex als letztes angelsächsische Königreich verblieben war. Æthelred und sein jüngerer Bruder Alfred konnten die Angreifer lange Zeit abwehren, aber zumindest der amtierende Herrscher von Wessex musste sein Leben vermutlich aufgrund einer in der Schlacht von Merton erlittenen Verwundung lassen. Das Schicksal führte letztendlich doch dazu, dass Alfred 871 König von Wessex wurde.

Das Große Heer der Dänen von 865 in England/ Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/03/England_Grosses_Heer_865.png

Wessex umfasste zu dieser Zeit ungefähr das heutige Südwestengland mit Ausnahme der Region um Cornwall. Wie schon sein nächstälterer Bruder musste sich Alfred ungeachtet des Herrscherwechsels weiterhin den Wikingern aus Dänemark widmen und sich ihnen widersetzen. Die Wikinger stießen tief in das Königreich Wessex vor, besiegten dabei mehrere Male die Heere Alfreds und zogen sich danach überraschenderweise zurück. Ob ein Abkommen zwischen Alfred und den Invasoren oder das Zufriedenstellen des status quo der Auslöser für den vorübergehenden Rückzug war, ist heute noch umstritten. Dieser Status hielt aber nicht lange vor: Stetige zermürbende Angriffe führten dazu, dass Alfred nicht nur immer mehr Soldaten, sondern auch Land verlor und sich anschließend vor den Angreifern verstecken musste. 

An diesem Punkt beginnt die Legende der ‚burned cakes‘. Zurückgedrängt und gesucht von den Dänen zog er sich mit wenigen Getreuen in die Sümpfe von Athelney, in der Nähe von Bath, zurück. Dort verbrachte er einige Zeit unerkannt und unter anderem Namen, um neue Männer für sein Heer zu rekrutieren. Da sich die Orientierung in den verwinkelten und auch gefährlichen Sümpfen für ihn zunächst als äußerst schwierig gestaltete, erbat er sich häufiger Unterkunft bei den Einheimischen. Eines Tages kam er für kurze Zeit bei einem Kuh- oder Schweinehirten unter. Dessen Frau bat Alfred, auf die Kuchen aufzupassen, während sie im Ofen waren. Alfred versprach es der Hausdame, doch er war so tief in Gedanken versunken, wie er die Dänen besiegen und sein Königreich befreien könnte, dass er vergaß, auf die Kuchen zu achten. Als die Frau zurückkehrte und den Rauch der verbrennenden Kuchen vernahm, schlug sie auf den unerkannten König ein, bis dessen Gefolgsleute erschienen. Die Frau erkannte daraufhin, auf wen sie dort eingeschlagen hatte und entschuldigte sich sofort. Alfred allerdings zeigte Verständnis, eine gerechte Strafe erhalten zu haben, da er sein Versprechen nicht eingehalten habe. 

Warum aber ist diese eher unscheinbare Legende so wichtig und wird vor allem den Kindern erzählt? Alfred wird zunächst als Mensch dargestellt, der nicht zwei Dinge, das Aufpassen auf die Kuchen und das Planen seines weiteren Vorgehens, gleichzeitig schaffen kann. Außerdem handelt er nach der Prämisse: Was für andere gelten soll, soll auch für mich gelten, wie beispielsweise das Einhalten von Verträgen oder Versprechen hier zeigt. Er kann nicht von anderen etwas verlangen, das er selbst nicht einhalten kann. 
Denkmal Alfreds in Athelney / Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/1c/King_Alfred%27s_Monument%2C_Athelney_05.jpg

Trotz des verbrennenden Kuchens schaffte Alfred es anschließend, die Wikinger nicht nur zu besiegen, sondern sie für einen längeren Zeitraum aus dem eigenen Land zu vertreiben. 878 besiegte er sie bei Edington in Wiltshire. Dieser eine Sieg war noch nicht mit einem endgültigen Sieg über die Wikinger gleichzusetzen, die Folgen der Schlacht waren aber maßgeblich und richtungsweisend für die Zukunft. Guthrum († 890), der geschlagene König des Danelag, ein von den Dänen in England erobertes Gebiet, ließ sich als Folge von Alfreds bekehrenden Worten taufen und wurde Christ. Zudem zog er sich nach East Anglia zurück und einigte sich mit dem König von Wessex auf einen Friedensvertrag. Alfred erkaufte sich mit diesem Friedensvertrag vor allem Zeit, die er dafür nutzte, ein größeres Heer und eine Flotte aufzubauen, Festungen an strategisch wichtigen Punkten zu errichten, sein verwüstetes Reich wiederaufzubauen, Bildung und Religion zu fördern und auszubauen und sich mit Gelehrten aus zahlreichen Ländern auszutauschen. (mehr dazu: https://geschichte-in-kurz.blogspot.com/2017/08/die-stel-alfred-des-groen.html). Zudem verband er durch eine geschickte Heiratspolitik seine Familie mit mächtigen dänischen Familien, sodass dänische Herrscher und Bewohner außerhalb des Danelags Alfred als ihren König anerkannten. Bis 892 unterblieben weitere Angriffe der Dänen. Die dann stattfindenden Angriffe stürzten das Reich abermals in eine Krise, die Alfred jedoch erneut abwenden konnte. 

 
Die Expansion der Dänen, ausgehend vom Danelag / Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/13/England_Grosses_Heer_892.jpg

Die Taten Alfreds hinsichtlich der Abwehr der Dänen und der Vereinigung der angelsächsischen Königreiche, aber auch die sozialen, wirtschaftlichen und bildungsrelevanten Reformen erscheinen, wie es sein Beiname bereits aussagt, als groß. Aufgrund der Aussichtslosigkeit vor seinem Rückzug nach Athelney wirken sie beinahe unmöglich, vielleicht sogar übermenschlich. Aber genau an diesem Punkt hilft die Legende, Alfred weiterhin als Menschen zu fassen, der unmöglich Geglaubtes erreichen konnte, sich aber wie ein ganz normaler Mensch nur auf eine Sache konzentrieren konnte und den Kuchen verbrennen ließ.

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