Sonntag, 22. November 2015

Der Theuerdank Kaiser Maximilians I.

„Die geuerlicheiten und eins teils der geschichten des loblichen streytparen vnd hochberümbten helds und Ritters herr Tewrdanncks“. Unter diesem Titel erschien 1517 in Nürnberg ein kunstvoller Pergamentdruck, um den es in diesem Artikel gehen soll. Die Rede ist von einem Auftragswerk Kaiser Maximilians I. (1459-1519), das heute unter dem Namen Theuerdank bekannt ist und das in seiner Ausgestaltung zu den prachtvollsten Drucken aus der Frühphase des Buchdrucks zählt. Darüber hinaus ist es ein interessantes Beispiel für die Nutzung des Mediums Buch durch Maximilian als Mittel zur Festigung seiner Herrschaft. 

Seite aus der Theuerdank-Ausgabe von 1517
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In 118 Kapiteln, denen jeweils ein Holzschnitt vorangestellt ist, beschreibt das Versepos Theuerdank die Erlebnisse und Prüfungen, die der 18-jährige Ritter Theuerdank (oder Thewrdanck) und sein Begleiter Ernhold auf der Reise zu Theuerdanks Braut, der Tochter Herzog Romreichs, zu bestehen haben. Auf ihrem Weg begegnen ihnen die drei Figuren Fürwittig (oder Fürwitz), Unfalo (oder Unfall) und Neidelhart (oder Neidhard), die mit allen Mitteln versuchen, die anstehende Hochzeit zu verhindern. Ihre sprechenden Namen deuten in diesem Zusammenhang bereits an, wie und warum sie Theuerdank aufhalten und in Gefahr bringen wollen: Fürwittig versucht den Ritter zu übermütigen Aktionen zu überreden, Unfalo versucht diesem absichtlich Schaden zuzufügen und Neidelhart wird in seinen Handlungen von Missgunst und Neid gegenüber Theuerdank angetrieben. Dieser kann sich der Gefahren jedoch stets erwehren und bleibt bis zuletzt siegreich, während Fürwittig, Unfalo und Neidelhart letztlich für ihre Taten zum Tode verurteilt und hingerichtet werden. Theuerdank erreicht am Ende seine Braut Fräulein Ernreich unversehrt und verlobt sich mit dieser. Zur Hochzeit kommt es jedoch innerhalb der Handlung nicht mehr, da der Ritter erst ins Heilige Land ziehen will, um dort weitere Abenteuer zu bestehen.

Es steht außer Frage, dass Maximilian, der dem Haus Habsburg entstammte und seit 1486 König sowie seit 1508 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches war, bei der Entstehung des Werkes beteiligt war und diese genauestens beaufsichtigte und beeinflusste. Schon im Vorfeld des Theuerdanks hatte er literarische Projekte in Angriff genommen: Unter anderem ein Gebetbuch, das 1514 oder 1515 entstand, sowie ein Jahr zuvor den Weißkunig, ein unvollendet gebliebenes Werk, welches die Jugend und die ersten Jahre der Herrschaft Maximilians thematisiert. In diesem Zusammenhang kann davon ausgegangen werden, dass sich Maximilian also der Chancen, die sich durch die fortschreitende Entwicklung des Buchdrucks für seine Herrschaft boten, bewusst war. Indem er seinen Herrschaftsanspruch und seine Erfolge schriftlich und auf kunstvolle Art und Weise fixierte, nutzte er das Medium Buch sinnvoll zur Legitimation seiner Taten und darüber hinaus als Möglichkeit zur  autobiographischen Selbstdarstellung und im weitesten Sinne als Propagandainstrument und Kommunikationsmittel. Überhaupt verfügte Maximilian über eine hohe Affinität zu Wissenschaft,  Kunst und Literatur und förderte diese.  

Innerhalb der Forschung zum Theuerdank wird vermutet, dass Maximilian nicht nur das Gesamtkonzept erdacht, sondern auch die Inhalte der einzelnen Kapitel bestimmt und die ergänzenden Holzschnitte eigenständig ausgewählt sowie teilweise sogar skizziert habe. Neben überlieferten Notizen, die den Text thematisieren und von Maximilian selbst stammen sollen, sind auch verschiedene handschriftliche Fassungen des Textes erhalten geblieben. Bearbeitet wurde der Text dann von seinem Geheimschreiber Marx Treitzsaurwein (um 1450-1527), während Melchior Pfintzing (1481-1535), Geistlicher und Mitglied des Hofstaats, die Verse setzte und als Herausgeber fungierte. Dabei begann die Erstauflage mit einer Adressierung Maximilians, „von gotsgenaden Erwoelter Roemischer Kayser zu allen Zeitten merer des reichs“, in welcher ihm für die ermöglichte Veröffentlichung gedankt wird. Darüber hinaus widmete Pfintzing den Theuerdank nicht nur dem Enkel Maximilians, dem späteren Kaiser Karl V. (1500-1558), sondern auch Maximilian selbst als „meinem allergnedigsten herrn“.

Holzschnitt zu Kapitel aus der Ausgabe von 1517, Künstler: Hans Burgkmair
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Neben diesen Hinweisen auf formaler Ebene wird zudem die Handlung als eine fiktive Umarbeitung der realen Brautfahrt Maximilians zu Maria von Burgund angesehen. Maximilian und Maria hatten im August 1477 geheiratet, wodurch Maximilian selbst zum Herzog von Burgund geworden war und über das burgundische Erbe seiner Ehefrau als Tochter Karls des Kühnen (1433-1477) verfügen konnte, nachdem er es gegen die Ansprüche des französischen Königs Ludwig XI. (1423-1483) verteidigt hatte. Für diese Lesart spricht vor allem die Tatsache, dass den Ausgaben des Theuerdanks eine Liste beigelegt wurde, auf der den fiktiven Figuren verschlüsselt ihre realen Vorbilder zugeordnet werden: So findet sich hinter dem Namen Theuerdank die Abkürzung K. M. E. Z. O. V. B., während hinter Fräulein Ernreich der Code H. M. V. B. steht. Aufgelöst stehen diese Abkürzungen dann für „Kaiser Maximilian Erzherzog Zu Österreich Vnd Burgund“ sowie „Herzogin Maria Von Burgund“. 

Die Rezeptionsgeschichte des Theuerdanks setzte 1517 unmittelbar mit dem Druck der ersten Ausgabe durch Johann Schönsperger dem Älteren (um 1455–1521) in Nürnberg ein, der seit 1508 kaiserlicher Hofbuchdrucker war. Diese Ausgabe zeichnet sich insbesondere durch eine Vielzahl von Illustrationen aus, sowie durch die Verwendung einer eigens für sie entwickelten Drucktype, die noch heute unter dem Namen „Theuerdank“ bekannt ist und als Vorstufe der Fraktur gilt. Gleichzeitig orientierte sich der Druck in seiner Gestaltung aber noch an der Handschriftenkultur des Mittelalters. Maximilian ließ zu diesem Zeitpunkt circa 40 Pergamentexemplare und 300 weitere Papierexemplare drucken. Während die wertvolleren Pergamentexemplare als Geschenke für die hochrangingen Persönlichkeiten seiner Zeit gedacht waren, sollten die Papierexemplare eher ein breiteres Publikum erreichen. Aus ungeklärten Umständen jedoch wurden zunächst weder die Pergament- noch die Papierausgaben verbreitet. Maximilian selbst soll jedoch stets ein Exemplar dieser ersten Auflage bei sich getragen haben. Erst die zweite Auflage, die 1519, das heißt nach dem Tod Maximilians in Augsburg erschien, fand dann schließlich ihren Weg zu Lesern und Bibliotheken. Das unklare Schicksal der ersten Auflage führte schon bald zu Gerüchten wie, dass sich diese in Maximilians Sarg befinde. Über die Jahre folgten immer weitere Nachdrucke und sogar eine unvollständig gebliebene Übersetzung ins Lateinische, was auf ein breites Publikumsinteresse schließen lässt. 

Titel der Ausgabe von 1679
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Vor allem die 1679 in Augsburg und Ulm durch den Verleger und Drucker Matthäus Schultes entstandene Neuausgabe war dabei von großer Bedeutung. Schultes hatte die originalen Platten der Holzschnitte zufällig gefunden und brachte nun eine in Sprache und Layout etwas modernisierte Fassung heraus, die er außerdem um biographische Angaben zu Maximilian ergänzte. Während in den sich anschließenden Jahrhunderten der Theuerdank beinahe in Vergessenheit geriet, erfreut er sich heute wieder einem vermehrten Interesse, insbesondere im Rahmen germanistisch-mediävistischer Forschungen. Auch im Rahmen von Auktionen erzielen Ausgaben des Theuerdanks heute enorm hohe Preise und Bibliotheken betrachten den Besitz eines Exemplars als Aushängeschild.

Zum Weiterlesen:
Kaiser Maximilian I.: Die Abenteuer des Ritters Theuerdank. Kolorierter Nachdruck der Gesamtausgabe Nürnberg 1517, hg. v. Stephan Füssel, Köln 2003.
Füssel, Stephan: Kaiser Maximilian und die Medien seiner Zeit. Der Theuerdank von 1517. Eine kulturhistorische Einführung, Köln 2003.
Müller, Jan-Dirk / Ziegeler, Hans-Joachim: Maximilians Ruhmeswerk. Künste und Wissenschaften im Umkreis Kaiser Maximilians I., Berlin 2015.

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