Sonntag, 17. August 2014

Der Herold

Auch wenn in den bisherigen Teilen zur mittelalterlichen Heraldik viel über Wappen, Ritter, Farben und Formen gesprochen wurde, ist eine Gruppe von Menschen, die unweigerlich mit der Heraldik verbunden ist, noch nicht zur Sprache gekommen: die Herolde. Um diese Lücke zu füllen, soll in diesem abschließenden Artikel zur Heraldik-Reihe dargestellt werden, wer diese Herolde waren und welche Aufgaben diese für die mittelalterliche Heraldik hatten.
Das Aufkommen der Herolde war kein plötzliches Phänomen, welches irgendwann einsetzte. Vielmehr kann man hier von einem langen Entwicklungsweg sprechen, an dessen Ende das Amt des Herolds als besonderer Kenner von Wappen stand. Die Amtsbezeichnung 'Herold' ist dabei dem althochdeutschen Wort 'hariowalt' entlehnt, was so viel bedeutete wie Heerverwalter oder eben jene Person, die die Symbole der Geschlechter und Götter kannte. Über das Altfranzösische, in welchem sich schon im 12. Jahrhundert mit 'hiraut' eine eigene Form der Amtsbezeichnung gefestigt hatte, wurde dann im 14. Jahrhundert der 'heralt' oder 'herolt' in den mittelhochdeutschen Sprachgebrauch integriert, wenngleich im Ausland die Herolde des Heiligen Römischen Reichs meist zu 'heraldus' lateinisiert wurden. Die Herolde waren es also, die der Heraldik ihren Namen gaben.

Herolde tauchten mit den ersten Wappen auf, auch wenn sie im 11. und 12. Jahrhundert noch nicht unter der späteren Amtsbezeichnung anzutreffen waren. Da die mittelalterliche Gesellschaft immer wieder mit Kriegen und Fehden konfrontiert wurde und sich Kriegsteilnehmer in Auseinandersetzungen immer durch Wappen identifizierbar machten, brauchten Kriegsherren immer Personen an ihrer Seite, die die Sprache der Wappensymbolik verstanden und Freund von Feind unterscheiden konnten. Deshalb spaltete sich von den niederen Bediensteten und dem fahrenden Volk eine kleine Gruppe von Personen ab, die sich darum bemühte, die Farben und Formen der Wappen zu verstehen. Im 13. Jahrhundert wurden diese Wappenkenner unter anderem 'garzune' bzw. 'knappen von den wâpen' genannt, wobei es sich hier um Vorformen der späteren Bezeichnung 'Herold' handelt. Die Ablösung vom fahrenden Volk fand im Heiligen Römischen Reich nur sehr langsam statt, denn die Straßburger Stadtordnung nannte noch im Jahr 1405 „herolte, trumpetern, pfiffern, orgelern, lutneslahern, gigern, sprechern [und] sengern“ als zum fahrenden Volk gehörende Personen. Nichtsdestotrotz begann im 14. Jahrhundert mehr und mehr die Institutionalisierung der Herolde, die nun immer spezifischere Aufgaben, die hauptsächlich mit der Turniertradition verbunden waren, bekamen. Deshalb wird in der Forschung das Turnierwesen auch als eigentlicher Ausgangspunkt der Entwicklung zum Herold angesehen.
Mit dem Turnierwesen traten immer mehr Herolde in ein Dienstverhältnis zu Fürsten, Bischöfen oder gar Städten, was eine starke Integration dieser in das höfische Leben bedeutete. Spätestens im Verlauf des 15. Jahrhundert war dann die Emanzipation der Herolde und die vollständige Etablierung des Heroldswesens in der Turniertradition abgeschlossen.
Auf dem Schlachtfeld waren vor allem Kriegsherren auf den 'Herold' angewiesen, weil nur dieser die Antwort auf die Freund-Feind-Frage liefern konnte. Zudem verzeichnete der Herold in Listen körperliche Merkmale der Ritter des eigenen Lagers, notierte Gefallene und beobachtete das Kampfverhalten einzelner Ritter im Krieg. Der Herold konnte dadurch gute Kämpfer lobend erwähnen, während schlechtere vom Herold dem Kriegsherrn gemeldet wurden. Innerhalb kriegerischer Auseinandersetzungen genoss der Herold Immunität und war auch für die feindliche Gegenseite unantastbar, weswegen er, unter absoluter Wahrheitspflicht, die Autorität hatte, Lösegeld- oder ähnliche diplomatische Verhandlungen zu führen. Ebenso wichtig waren Herolde bei Tauf- oder Begräbniszeremonien, da diese verzeichnet wurden und der Herold somit sein Wissen über Familien, Geschlechter und Wappen anreichern konnte.
Mit der Turniertradition und der damit verbundenen Entwicklung der Kriegsheraldik zur Turnierheraldik veränderte sich das Aufgabengebiet der Herolde deutlich. Das Wissen über Wappen, was vor allem durch die Beobachtungen in Kriegen und Fehden angereichert worden war, war dabei grundlegend, damit Herolde für das Turnier überhaupt erst zur Autorität werden konnten. Herolde waren im Turnierwesen gleichsam die Zeremonienmeister, da sie sich um die Durchführung, Planung und Vorbereitung der adligen Veranstaltungen, wie etwa den Tjost, bemühten. Der Herold führte die Ahnenprobe durch, bei welcher die adlige Abstammung einer Person anhand seines Wappens und der Wappen seiner Vorfahren überprüft wurde. Ein Teil dieser Ahnenprobe war auch die Helmschau, bei der die prächtig mit den Wappen der Turnierteilnehmer gezierten Helme präsentiert wurden. Bei dieser hatte der Herold die Macht darüber, entscheiden zu können, wer am Turnier teilnehmen durfte und wer nicht, weil er das Wissen von den Wappen hatte und diese auf ihre heraldische Echtheit hin überprüfen konnte. Diese Entscheidungsgewalt zeigt, dass der Schlüssel zur Zulassung zum Turnier und damit eben die individuelle Standeszugehörigkeit einer Person in den Händen des Herolds lag. Ein Ausschluss vom Turnier bedeutete dabei immer die Segregation aus der adligen Gesellschaft für den Ritter und damit verbunden den eigenen Ehr- und Ansehensverlust. Nach der Auswahl wurden von den Herolden Turnierparteien mit den teilnehmenden Rittern aufgestellt und die Turnierteilnehmer wurden auf das Reglement des Turniers hin inspiziert. Der Herold war also auch derjenige, der regel- und ehrenhaftes Verhalten überwachte. Und ebenso wie im Krieg war es beim laufenden Turnier dann die Aufgabe, jeden Schlag des einzelnen Teilnehmers zu protokollieren, um auch hier tugendhafte Ritter von Feiglingen unterscheiden zu können. Nicht selten wurde auf die Teilnehmer, die sich besonders tapfer gezeigt hatten, vom Herold eine Lobeshymne gedichtet, während andere wegen fehlender Tugendhaftigkeit getadelt wurden. Alle kämpferischen Leistungen sowie die Wappen der Ritter wurden dann in Wappenbüchern festgehalten, die heute noch in großer Zahl vorliegen.
Mit der Institutionalisierung des Herolds entstanden auch eine Amtshierarchie und eine Amtstracht. Insgesamt entwickelte sich eine hierarchische Trias, die vom Persevanten über den Herold bis zum Wappenkönig reichte. Der Persevant stand auf der untersten Hierarchiestufe, war quasi Bewerber um das Amt des Herolds und musste erst eine Ausbildung durchlaufen. Die nächste Hierarchiestufe nahm der Herold ein, der die oben beschriebenen Aufgaben hatte, während mit dem Wappenkönig die letzte Hierarchiestufe verbunden war. Dieser hatte die Aufsicht über Herolde und Persevanten innerhalb seines Wappenkönigreichs inne. Die Amtstracht, welche für alle Hierarchiestufen gleich war, bestand aus einem Wappenrock, dem sogenannten 'Tappert' und einem Heroldstab, der eine Art Zepter symbolisierte.
Das Wissen also, was sich die späteren 'Herolde' auf dem Kriegsfeld angeeignet hatten, wurde mit der Turniertradition äußerst wichtig für den Adel, weswegen das Turnierwesen hauptsächlich dazu beitrug, dass sich Personen, die Wappen und deren Halter kannten, als Herolde mit eigener Amtshierarchie und eigener Amtstracht, in der höfischen Gesellschaft des Mittelalters etablieren konnten.

Wappenrock für den Herold des
Kaisertums Österreich, um 1830 
Wappenrock für den Herold des Königs
von Böhmen, 17. Jahrhundert
   
Wappenrock für den Herold des
Römischen Kaisers, 1613 und 1719

Literatur: 
- Bock, Nils: Herolde im Reich des späten Mittelalters. Forschungsstand und Perspektiven, in: Francia 37 (2010), S. 259-282.
- Hildebrandt, Matthias: Handbuch der Heraldik. Wappenfibel, Neustadt an der Aisch 192002.
- Neubecker, Ottfried: Heraldik. Wappen – Ihr Ursprung, Sinn und Wert, Augsburg 1990.

                                                          

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