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Die hier abgebildete
Weltkarte Saint-Sever ist ein beeindruckendes Zeugnis des Mittelalters und zeigt
in beeindruckender Weise die christlich geprägte Weltanschauung der Menschen zu
dieser Zeit.
Diese Weltkarte ist
eine Nachzeichnung und entstand um 1060 in Saint-Sever, einem Kloster in
Aquitanien, Frankreich. Das Original dagegen lässt sich nicht genau datieren:
Beatus‘ von Liébanas (um 700-798) Werk, ein Kommentar zur erwarteten biblischen
Apokalypse, entstand wohl um 776 und enthielt die Vorlage dieser Nachzeichnung.
Beatus wurde nach der Flucht aus seiner Heimat im Süden Spaniens ins Königreich
Asturien, wo er sich vor der muslimischen Herrschaft sicher fühlte – die
Muslimen übernahmen die Herrschaft und sorgten für einen wahren
Flüchtlingsstrom aus seiner Heimat –
Mönch und verschrieb sich dem christlichen Widerstand gegen die
Herrschaft der Muslime.
Wichtiger als die
Datierung und Entstehung der Weltkarte ist natürlich deren Inhalt. In einer
Zeit, in der die Welt durch die geistlichen Eliten, ihr Wissen und ihre
Vermittlung geprägt war, drängte sich das Weltbild der geistlichen Eliten
natürlich auch in die Köpfe vieler Menschen. So sind auch Beatus‘ Weltkarten,
von denen es einige weitere gibt, von einer christlichen Vorstellung geprägt. Die
Weltkarte von Saint-Sever stellt in einem Punkt eine kleine Ausnahme dar: die
meisten Beatus-Weltkarten zeigen deutlich mehr christliche Motive (vor allem
die bildliche Darstellung der zwölf Aposteln) als diese. Die Weltkarte von
Saint-Sever zeigt einzig in der oberen Mitte ein Bild von Adam und Eva vor dem
Sündenfall, hat aber dennoch einen christlich geprägten Hintergrund, auf den
später noch eingegangen wird.
Woher aber hatte Beatus
das Wissen eine solche Karte zu zeichnen oder zeichnen zu lassen? Denn
abgesehen von einigen Ausnahmen war zu dieser Zeit kaum jemand so weit umhergereist.
Die geographischen Kenntnisse beschränkten sich zumeist auf die engere Umwelt.
So basierten die Weltkarten auf den Erfahrungen einzelner, wie in diesem Falle
auf Isidor von Sevilla (um 560-636), der in seinem Werk Etymologiae bereits die Welt in Kartenform darstellte. Dessen
Zeichnungen sind allerdings bei weitem nicht so weit ausgeschmückt.
Die 37 x 57 cm große ovale Weltkarte von
Saint-Sever zeigt die drei damals bekannten Kontinente: Asien (Asia maior) rechts oben, Afrika (Libia, Africa) rechts unten und Europa (Eoropa) auf dem größten Teil der linken Seite. Auf diesen
Kontinenten sind einzelne Städte, Länder und Provinzen verzeichnet, wie
beispielsweise Italia, Aquitania, Egipt superior, Roma und Galilea superior. Die Größe der Städte
wird durch unterschiedlich große Häuserzeichnungen ausgedrückt.
Besonders auffällig ist
die fast mittig zu erkennende T-Form, die von Meeren und Flüssen gebildet wird
und ein typisches Element für mittelalterliche Karten ist. Das O-förmige ovale
Meer, das die Welt einschließt, bestimmt zusammen mit der T-Form den Typus
dieser Karten: es handelt sich um sogenannte T-O-Karten, die ebenfalls auf
Isidor von Sevilla zurückzuführen sind. In dieser T-Form bildet das Mittelmeer den
Mittelpunkt der Karte. Besonders deutlich ist der in das Mittelmeer mündende
Nil mit seinem Nildelta und seinen Nebenflüssen zu erkennen. Hinzu kommen
weitere Flüsse wie der Rhein und die Donau; auch Gebirge sind verzeichnet
worden. Der rote Streifen auf der rechten Seite symbolisiert das Rote Meer. Dieses
gilt seit den Zeichnungen von Isidor von Sevilla, auf welche sich ja auch diese
Weltkarte bezieht, als Grenze zum unbekannten vierten Kontinent.
Die drei größten
gezeichneten Gebäude, die wie bereits erwähnt immer stellvertretend für eine
Stadt stehen, stellen Rom, Jerusalem und das Kloster in Liébana, der Heimat von
Beatus, dar. Einige weitere geistliche Zentren sind anhand kleinerer
Kirchendarstellungen zu erkennen. Der geistliche Aspekt – nicht zu vergessen,
dass Beatus ein Mönch war und, von Muslimen vertrieben, sich für den
christlichen Widerstand einsetzte – zeigt sich also nicht nur in der Adam und
Eva-Zeichnung und ist deswegen ein signifikanter Bestandteil dieser Weltkarte.
Zudem offenbart sich uns
auch der Grund in dem christlichen Gedanken der für das Zeichnen der Weltkarten
in dieser Zeit – das Christentum ist überall auf der Welt allgegenwärtig und
ist die führende Weltreligion. Denn diese Karten dienten aufgrund ihrer von der
realen Welt abweichenden Darstellung nicht als Orientierung für Reisende oder
Handelnde. Es sind keine Reise- und Handelswege eingezeichnet, die die Karten
als nützliches Werkzeug für diese Personengruppen ausgewiesen hätten. Die Karte
spiegelt also das christliche Weltbild und die christliche Weltanschauung
wider. Diese christlich geprägten Karten nahmen aber im weiteren Verlauf der
Jahrhunderte immer weiter ab und wurden, bedingt durch die Möglichkeit weiter
reisen und selbst Erfahrungen machen zu können, von realen geographischen
Karten abgelöst.
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