Samstag, 3. Mai 2014

Die Weltkarte von Saint-Sever


http://ocw.unican.es/humanidades/teoria-y-metodos-de-la-geografia.-evolucion-del/material-de-clase-1/archivos-modulo-3/mapas-en-t-y-portulanos/Saint-sever.jpg

Die hier abgebildete Weltkarte Saint-Sever ist ein beeindruckendes Zeugnis des Mittelalters und zeigt in beeindruckender Weise die christlich geprägte Weltanschauung der Menschen zu dieser Zeit. 

Diese Weltkarte ist eine Nachzeichnung und entstand um 1060 in Saint-Sever, einem Kloster in Aquitanien, Frankreich. Das Original dagegen lässt sich nicht genau datieren: Beatus‘ von Liébanas (um 700-798) Werk, ein Kommentar zur erwarteten biblischen Apokalypse, entstand wohl um 776 und enthielt die Vorlage dieser Nachzeichnung. Beatus wurde nach der Flucht aus seiner Heimat im Süden Spaniens ins Königreich Asturien, wo er sich vor der muslimischen Herrschaft sicher fühlte – die Muslimen übernahmen die Herrschaft und sorgten für einen wahren Flüchtlingsstrom aus seiner Heimat –  Mönch und verschrieb sich dem christlichen Widerstand gegen die Herrschaft der Muslime. 

Wichtiger als die Datierung und Entstehung der Weltkarte ist natürlich deren Inhalt. In einer Zeit, in der die Welt durch die geistlichen Eliten, ihr Wissen und ihre Vermittlung geprägt war, drängte sich das Weltbild der geistlichen Eliten natürlich auch in die Köpfe vieler Menschen. So sind auch Beatus‘ Weltkarten, von denen es einige weitere gibt, von einer christlichen Vorstellung geprägt. Die Weltkarte von Saint-Sever stellt in einem Punkt eine kleine Ausnahme dar: die meisten Beatus-Weltkarten zeigen deutlich mehr christliche Motive (vor allem die bildliche Darstellung der zwölf Aposteln) als diese. Die Weltkarte von Saint-Sever zeigt einzig in der oberen Mitte ein Bild von Adam und Eva vor dem Sündenfall, hat aber dennoch einen christlich geprägten Hintergrund, auf den später noch eingegangen wird.

Woher aber hatte Beatus das Wissen eine solche Karte zu zeichnen oder zeichnen zu lassen? Denn abgesehen von einigen Ausnahmen war zu dieser Zeit kaum jemand so weit umhergereist. Die geographischen Kenntnisse beschränkten sich zumeist auf die engere Umwelt. So basierten die Weltkarten auf den Erfahrungen einzelner, wie in diesem Falle auf Isidor von Sevilla (um 560-636), der in seinem Werk Etymologiae bereits die Welt in Kartenform darstellte. Dessen Zeichnungen sind allerdings bei weitem nicht so weit ausgeschmückt.

Die  37 x 57 cm große ovale Weltkarte von Saint-Sever zeigt die drei damals bekannten Kontinente: Asien (Asia maior) rechts oben, Afrika (Libia, Africa) rechts unten und Europa (Eoropa) auf dem größten Teil der linken Seite. Auf diesen Kontinenten sind einzelne Städte, Länder und Provinzen verzeichnet, wie beispielsweise Italia, Aquitania, Egipt superior, Roma und Galilea superior. Die Größe der Städte wird durch unterschiedlich große Häuserzeichnungen ausgedrückt. 

Besonders auffällig ist die fast mittig zu erkennende T-Form, die von Meeren und Flüssen gebildet wird und ein typisches Element für mittelalterliche Karten ist. Das O-förmige ovale Meer, das die Welt einschließt, bestimmt zusammen mit der T-Form den Typus dieser Karten: es handelt sich um sogenannte T-O-Karten, die ebenfalls auf Isidor von Sevilla zurückzuführen sind. In dieser T-Form bildet das Mittelmeer den Mittelpunkt der Karte. Besonders deutlich ist der in das Mittelmeer mündende Nil mit seinem Nildelta und seinen Nebenflüssen zu erkennen. Hinzu kommen weitere Flüsse wie der Rhein und die Donau; auch Gebirge sind verzeichnet worden. Der rote Streifen auf der rechten Seite symbolisiert das Rote Meer. Dieses gilt seit den Zeichnungen von Isidor von Sevilla, auf welche sich ja auch diese Weltkarte bezieht, als Grenze zum unbekannten vierten Kontinent.

Die drei größten gezeichneten Gebäude, die wie bereits erwähnt immer stellvertretend für eine Stadt stehen, stellen Rom, Jerusalem und das Kloster in Liébana, der Heimat von Beatus, dar. Einige weitere geistliche Zentren sind anhand kleinerer Kirchendarstellungen zu erkennen. Der geistliche Aspekt – nicht zu vergessen, dass Beatus ein Mönch war und, von Muslimen vertrieben, sich für den christlichen Widerstand einsetzte – zeigt sich also nicht nur in der Adam und Eva-Zeichnung und ist deswegen ein signifikanter Bestandteil dieser Weltkarte. 

Zudem offenbart sich uns auch der Grund in dem christlichen Gedanken der für das Zeichnen der Weltkarten in dieser Zeit – das Christentum ist überall auf der Welt allgegenwärtig und ist die führende Weltreligion. Denn diese Karten dienten aufgrund ihrer von der realen Welt abweichenden Darstellung nicht als Orientierung für Reisende oder Handelnde. Es sind keine Reise- und Handelswege eingezeichnet, die die Karten als nützliches Werkzeug für diese Personengruppen ausgewiesen hätten. Die Karte spiegelt also das christliche Weltbild und die christliche Weltanschauung wider. Diese christlich geprägten Karten nahmen aber im weiteren Verlauf der Jahrhunderte immer weiter ab und wurden, bedingt durch die Möglichkeit weiter reisen und selbst Erfahrungen machen zu können, von realen geographischen Karten abgelöst.

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