Sonntag, 25. Januar 2015

Wunderzeichen

Wie zu jeder anderen Zeit kam es auch in der Frühen Neuzeit gelegentlich zu unvorhergesehenen Naturereignissen und ungewöhnlichen Phänomenen, die aus dem Wissen der Zeit heraus nur schwerlich erklärt werden konnten. Seit dem 16. Jahrhundert jedoch entwickelte sich für all jene Geschehnisse ein Erklärungsansatz, der sich mehr und mehr verbreitete.

Die Rede ist von den sogenannten Wunderzeichen. Seinen Ursprung hat dieser Begriff in der römischen Antike, denn er entwickelte sich aus dem lateinischen Wort prodigium. Dieses beschrieb ungewöhnliche Ereignisse und deutete sie zumeist als ungünstige Vorzeichen und als einen Hinweis auf drohendes Unheil. Bereits in der Antike wurden diese Prodigien als von den Göttern gesandt gedeutet.

Vor allem im 16. Jahrhundert geriet die lateinische Bezeichnung in den Hintergrund und die Bezeichnung „Wunderzeichen“ für ungewöhnliche Vorkommnisse setzte sich im deutschsprachigen Raum durch. Eine Gemeinsamkeit all dieser Wunderzeichen war, dass sie sich nicht in den damals als gewöhnlich betrachteten Lauf der Natur einfügten. 

Hauptsächlich Himmelszeichen, das heißt ungewöhnlich und bedrohlich wirkende Wolkengebilde, Sonnen- und Mondfinsternisse oder auch am Tag sichtbare Planeten und Sterne, wurden dabei als Wunderzeichen bezeichnet. Häufig glaubte man auch Schwerter oder sich anbahnende Kriegsszenen am Himmel erkennen zu können. Darüber hinaus liegen vermehrt Berichte von Blutwundern vor. Bei diesen färbten sich Gewässer plötzlich rot oder Menschen begannen, Blut zu schwitzen. Eine andere wichtige Gruppe bildeten Nahrungswunder, bei denen Nahrung verschwand, vermeintlich vom Himmel regnete oder Menschen vorgaben, ohne Nahrungsaufnahme leben zu können. Seltener sind Beschreibungen von Feuerregen, hohem Schneeaufkommen an südlich gelegenen Orten und die Begegnung mit seltenen Tieren und Fabelwesen. Auch konnten Vulkanausbrüche, Sturmfluten, Hagelschauer, Gewitter, sich angeblich öffnende Gräber, Missgeburten und die Erscheinung von Heiligen als Wunderzeichen gedeutet werden.
Beispiel aus dem Augsburger Wunderzeichenbuch: Komet, der wohl 1527 gesichtet wurde
(http://asimg.artsolution.net/tsmedia/DayandfaberDayphoto/Dayandfaber722013T123254.jpg?qlt=80&ftr=8&cell=900,540&cvt=jpeg) 
Der Begriff Wunderzeichen stellte dabei eine Abgrenzung zum vielmehr positiv konnotierten Begriff des Wunders dar. Die Benennung eines Ereignisses als Wunderzeichen implizierte bereits eine Gefahr, die diesem innewohnte und von ihm ausging. Vor diesem Hintergrund kann auch erklärt werden, warum sich die Beobachtungen von Wunderzeichen vor allem im 16. Jahrhundert mehrten und verbreiteten. Das 16. Jahrhundert kann auf dem europäischen Kontinent als ein Jahrhundert der Krisen angesehen werden. Kriege häuften sich, die Pest und andere Epidemien grassierten in vielen Regionen und forderten dabei eine Vielzahl von Opfern und unbeständige Wetterlagen führten zu Ernteausfällen und Hungersnöten. Aufgrund dieser schwierigen Lebensbedingungen suchten viele Menschen nach Erklärungen für die Katastrophen und nach einer Ursache für ihr Leid. In diesem Kontext wurden ungewöhnliche und unerklärliche Geschehnisse schnell als sogenannte Wunderzeichen gedeutet, die erneut drohendes Unheil ankündigten und als Strafe Gottes für das Fehlverhalten der Menschen interpretiert wurden. Ausgehend von dieser Interpretation waren Wunderzeichen jedoch immer nur Vorzeichen, die anzeigten, dass der gütige Gott den Menschen noch Zeit zur Buße und Sühne für ihre Sünden einräumte.

Durch die Verbreitung und den Erfolg des Buchdrucks entstand zudem der Eindruck, dass die Zahl der Wunderzeichen in kürzester Zeit immer weiter anstieg und diese Vielzahl auf den unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang hindeutete. So erschienen illustrierte Sammlungen von Wunderzeichen, die sich vermutlich großer öffentlicher Beliebtheit erfreuten. Das in der Mitte des 16. Jahrhunderts von einem unbekannten Verfasser angefertigte und erst 2008 öffentlich gemachte Augsburger Wunderzeichenbuch ist ein Beispiel hierfür. Zum anderen wurde auch auf Flugblättern in immer gleicher Form über neue Wunderzeichenbeobachtungen berichtet: Nach einer detaillierten Schilderung des Ereignisses mit Angabe von Zeit und Ort wurden Zeugen genannt, die die Beobachtung bestätigten und sie dadurch glaubwürdig machten. Danach folgte die Deutung des Phänomens, in den meisten Fällen eben als Warnung Gottes, woran sich dann ein Teil anschloss, der die Leser zur Buße und somit zur Abwendung des Unheils aufrief. Aber auch in Predigten kamen diese Zeichen zur Sprache und es kann davon ausgegangen werden, dass breite Bevölkerungsschichten mit dem Glauben an diese vertraut waren.

Im Laufe des 17. Jahrhunderts nahm der Glaube an Wunderzeichen schließlich wieder ab, da durch neue Erkenntnisse die einst als Wunderzeichen gedeuteten Ereignisse nun wissenschaftlich erklärt werden konnten und nun Maßnahmen zum Schutz vor beispielsweise Überschwemmungen ergriffen wurden. 

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