Sonntag, 26. Juli 2015

Der Frankfurter Fettmilch-Aufstand

„Unter den altertümlichen Resten war mir, von Kindheit an, der auf dem Brückenturm aufgesteckte Schädel eines Staatsverbrechers merkwürdig gewesen, der von dreien oder vieren, wie die leeren eisernen Spitzen auswiesen, seit 1616 sich durch alle Unbilden der Zeit und Witterung erhalten hatte. So oft man von Sachsenhausen nach Frankfurt zurückkehrte, hatte man den Turm vor sich, und der Schädel fiel ins Auge. Ich ließ mir als Knabe schon gern die Geschichte dieser Aufrührer, des Fettmilch und seiner Genossen erzählen, wie sie mit dem Stadtregiment unzufrieden gewesen, sich gegen dasselbe empört, Meuterei angesponnen, die Judenstadt geplündert und gräßliche Händel erregt, zuletzt aber gefangen und von kaiserlichen Abgeordneten zum Tode verurteilt worden.“

Diese zitierte Passage stammt von keinem Geringeren als Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) und findet sich im vierten Buch des ersten Teils seiner Autobiographie Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. In wenigen Worten schilderte Goethe hier die Geschehnisse, die sich zwischen Sommer 1612 und Frühjahr 1616 in Frankfurt am Main zugetragen haben und offensichtlich bis in Goethes Gegenwart nachwirkten. Die Rede ist vom sogenannten Fettmilch-Aufstand, benannt nach seinem Anführer, dem Lebkuchenbäcker Vinzenz Fettmilch (um 1565-1616), um den es in diesem Artikel gehen soll.

Sonntag, 19. Juli 2015

Die „Kinderkreuzzüge“ von 1212


Ipso anno [1212] contigit res satis miranda et ideo magis miranda, quia a seculo inaudita“ (In demselben Jahr 1212 ereignete sich eine überaus wunderbare Sache und deswegen so überaus wunderbar, weil sie seit Anbeginn der Welt unerhört war). Mit diesen Worten leitet die zweite Fortsetzung der Kölner Königschronik ein Ereignis ein, das bis heute in der geschichtswissenschaftlichen Forschung zu den Kreuzzügen immer wieder thematisiert und auch wenn es keine eindeutigen Quellen gibt, die dies belegen, als Legende betrachtet wird: der „Kinderkreuzzug“, der 1212 in Speyer seinen Anfang nahm. Dieser und auch der fast gleichzeitig stattfindende französische „Kinderkreuzzug“ sollen im Mittelpunkt dieses Artikels stehen. Es werden dabei zuerst die Charakteristika und die Besonderheiten vorgestellt, um in einem nächsten Schritt beurteilen zu können, ob bei den sogenannten peregrinationes puerorum des Jahres 1212 von „Kinderkreuzzügen“ bzw. Kreuzzügen im eigentlichen Sinne gesprochen werden kann.

Sonntag, 12. Juli 2015

Heinrich V. – Gescheiterter Hoffnungsträger oder hoffnungsloser Gescheiterter? Teil II

Der erste Teil der Reihe „Heinrich V. – Gescheiterter Hoffnungsträger oder hoffnungsloser Gescheiterter?“ umfasste Heinrichs Weg zum König- und Kaisertum sowie sein erfolgreiches Bestreben, die Fürsten des Reiches nach konfliktreichen Jahrzehnten unter seinem Vater Heinrich IV. wieder zu einen und schloss mit dem Ausblick auf das Jahr 1115 und dem vermeintlichen Ende der erfolgreichen Herrschaftszeit Heinrichs V.:Statuto itaque tempore dum ipse Mogontiae presens condictum frustra prestolatur conventum – nam preter paucos episcopos nemo principum adventabat […].“(Ekkehard von Aura, Chronica ad a. 1115, Rec. III, S. 314f.) („Während er selbst zur festgesetzten Zeit in Mainz zugegen war und den angesagten Hoftag vergebens erwartete – denn außer einigen wenigen Bischöfen kam keiner der Fürsten […].“) Dieser zweite Teil der Reihe widmet sich den Ursachen des Niedergangs der Fürstenunterstützung gegenüber Kaiser Heinrich V. sowie dem Wandel des Herrschaftsverständnis Heinrichs.

obere Reihe links: Heinrich V., mittig sein Vater Heinrich IV.; Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/3e/Heinrich_im_Evangeliar_von_St._Emmeram.jpg